DER AUSKUNFTSANSPRUCH NACH DEM ENTGELTTRANSPARENZGESETZ
Seit dem 6. Januar 2018 können Beschäftigte nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) von ihrem Arbeitgeber Auskunft über das Entgelt von Kolleginnen oder Kollegen des jeweils anderen Geschlechts mit einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit verlangen. Worauf muss man achten und wie kann der bürokratische Aufwand gering gehalten werden?
I. Rechtlicher Hintergrund
Kerngehalt des Entgelttransparenzgesetzes ist das Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts.
Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung liegt nach dem Gesetz vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts. Die Beschäftigte oder der Beschäftigte des jeweils anderen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Arbeit ausüben, wird als Vergleichsperson oder in der Mehrheit als Vergleichsgruppe bezeichnet.
Eine mittelbare Entgeltbenachteiligung nimmt das Entgelttransparenzgesetz an, wenn dem Anschein nach neutrale Kriterien verwendet werden, die jedoch im Ergebnis dazu führen können, dass eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts im Verhältnis zur Vergleichsperson ein geringeres Entgelt erhält. Das Gesetz macht hiervon eine Ausnahme, wenn die Kriterien zur Erreichung eines rechtmäßigen Ziels angemessen und erforderlich sind. Welche Kriterien im Einzelnen zulässigerweise verwendet werden können, bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber hat lediglich angedeutet, dass ein unterschiedliches Entgelt aufgrund von arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogenen Kriterien zulässig ist, soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird.
Wird eine Entgeltbenachteiligung festgestellt, dann ist die Entgeltvereinbarung unwirksam. An die Stelle der unwirksamen Entgeltvereinbarung der oder des zu niedrig entlohnten Beschäftigten tritt die Entgeltvereinbarung der Vergleichsperson, sodass das zu niedrig gezahlte Entgelt rückwirkend durch den Arbeitgeber zu kompensieren ist.
II. Die formalen Anforderungen an den individuellen Auskunftsanspruch
Das Herzstück des Entgelttransparenzgesetzes ist der individuelle Auskunftsanspruch der oder des Beschäftigten in § 10 EntgTranspG. Dieser erlaubt es der oder dem Beschäftigten über verschiedene Facetten einer potentiellen Ungleichbehandlung Informationen zu erlangen, sodass sie oder er das Verbot der Entgeltbenachteiligung überprüfen kann.
Der Auskunftsanspruch bedarf der Textform und kann grundsätzlich nur in einem Abstand von zwei Jahren geltend gemacht werden. Macht die oder der Auskunftsberechtige seinen Auskunftsanspruch bis zum 6. Januar 2021 geltend, darf sie oder er hiervon abweichend erst nach drei Jahren ein weiteres Auskunftsgesuch stellen. Vor Ablauf von zwei bzw. drei Jahren, kann die oder der Auskunftsberechtige nur dann Auskunft verlangen, wenn sich die Umstände der Beschäftigung wesentlich verändert haben. Dies ist beispielsweise bei einem Stellenwechsel anzunehmen oder bei einem Aufstieg in den außertariflich vergüteten Bereich.
Adressat des Auskunftsverlangens ist der Arbeitgeber. Besteht jedoch ein Betriebsrat, dann ist grundsätzlich stattdessen der Betriebsrat zur Auskunft verpflichtet.
III. Die materiellen Anforderungen an den individuellen Auskunftsanspruch
Der Arbeitgeber hat inhaltlich über drei Aspekte aufzuklären.
1. Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt und die Entgeltbestandteile
Zum einen kann die oder der Auskunftsberechtige Auskunft über das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt der Vergleichsgruppe fordern. Zusätzlich kann die oder der Auskunftsberechtige Auskunft über bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile der Vergleichsgruppe und deren durchschnittliche Höhe verlangen, wie zum Beispiel über eine Leistungsprämie, eine Leistungszulage oder eine Erschwerniszulage.
Die oder der Auskunftsberechtige hat zunächst die Vergleichsgruppe zu benennen und der Auskunftsverpflichtete muss diese Angaben überprüfen. Folgt aus der Überprüfung, dass die vom Auskunftsberechtigten angegebene Vergleichsgruppe nicht mit der Tätigkeit vergleichbar ist, dann hat der Auskunftsverpflichtete die Auskunft anhand einer von ihm selbst bestimmten Vergleichsgruppe zu erteilen. Ferner hat er die Gründe anzugeben, warum die vom Auskunftsberechtigten benannte Vergleichsgruppe keine gleichwertige Tätigkeit leistet, aber die von ihm benannte.
Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt der Vergleichsgruppe ist als statistischer Median bezogen auf das letzte Kalenderjahr anzugeben. Das gleiche gilt für die benannten Entgeltbestandteile.
In einem ersten Schritt sind alle Vergütungen, die unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im letzten Kalenderjahr gewährt wurden, für jede Vergleichsperson aufzuaddieren. Ist eine Vergleichsperson lediglich in Teilzeit angestellt, ist das Jahresbruttoentgelt auf eine Vollzeitbeschäftigung hochzurechnen. Das so erzielte Jahresbruttoentgelt ist im Anschluss durch die Monate zu dividieren, die die Vergleichsperson im letzten Jahr für den Betrieb tätig war.
Aus den so gewonnen durchschnittlichen Monatsbruttoentgelten kann sodann der Median gewonnen werden, also das mittlere durchschnittliche Bruttoentgelt, wenn man die durchschnittlichen Bruttoentgelte der verschiedenen Vergleichspersonen der Höhe nach sortiert. Besteht eine gerade Anzahl an Bruttoentgelten, dann ist der Mittelwert der beiden mittleren Bruttoentgelte als Median zugrunde zu legen.
Auf die gleiche Weise ist die durchschnittliche monatliche Höhe der benannten Entgeltbestandteile in der Vergleichsgruppe zu bestimmen.
2. Informationen zu den Kriterien und Verfahren zur Festlegung seines Entgelts
Darüber hinaus sind der oder dem Auskunftsberechtigten Informationen zu den Kriterien und Verfahren zur Festlegung seines Entgelts sowie des Entgelts der Vergleichsgruppe mitzuteilen. Beruhen die Kriterien und Verfahren zur Festlegung des Entgelts auf gesetzlichen Regelungen oder auf tarifvertraglichen Entgeltregelungen, genügt insoweit die Nennung dieser Regelungen und die Angabe, wo sie einzusehen sind.
3. Verteilung der Vergleichstätigkeit nach Geschlecht
Zuletzt hat der Auskunftsverpflichtete anzugeben, inwieweit die benannte Vergleichstätigkeit im Betrieb überwiegend von Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird.
IV. Beschränkungen
Der Auskunftsanspruch unterliegt zahlreichen Beschränkungen:
Zum einen besteht der Auskunftsanspruch nur für Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber.
Darüber hinaus bestehen datenschutzrechtliche Bedenken gegen eine Auskunft bei einer kleinen Vergleichsgruppe. Dies tritt am deutlichsten zutage, wenn in einem Betrieb nur eine Vergleichsperson angestellt ist. Mithilfe des Auskunftsanspruchs könnte die oder der Anspruchsberechtigte unmittelbar das tatsächliche Einkommen dieser Vergleichsperson erfahren. Um solche Rückschlüsse zu vermeiden, kann eine Auskunft über das Vergleichsentgelt und die Entgeltbestandteile nur verlangt werden, wenn die Vergleichsgruppe aus mehr als sechs Vergleichspersonen besteht.
V. Rechtsfolgen fehlerhafter Auskunftserteilung
Sollte die Auskunft nicht oder nicht vollständig erteilt werden, kann die oder der Anspruchsberechtigte den Auskunftsanspruch gerichtlich durchsetzen. Zudem würde der Arbeitgeber in einem Streitfall die Beweislast dafür tragen, dass kein Verstoß gegen das Verbot der Entgeltbenachteiligung vorliegt. Der oder die Auskunftsberechtigte könnte darüber hinaus einen Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben.
VI. Handhabung durch den Arbeitgeber
Wird ein Auskunftsgesuch gestellt, sollte der Auskunftsverpflichtete das Folgende beachten, um den bürokratischen Aufwand möglichst gering zu halten.
Zuerst ist zu prüfen, ob die notwendige Mindestanzahl von 200 Beschäftigten im gleichen Betrieb beim gleichen Arbeitgeber erreicht wird. Anderenfalls muss keine Auskunft erteilt werden.
Im zweiten Schritt sollte der Auskunftsverpflichtete prüfen, dass die Textform eingehalten wurde und dass die zeitlichen Anforderungen gewahrt wurden. Ansonsten kann eine Auskunft ebenfalls verweigert werden.
Im Anschluss sollte geprüft werden, ob eine Vergleichsgruppe von mehr als sechs Personen besteht. Anderenfalls kann sich der Auskunftsverpflichtete die Ermittlung des durchschnittlichen Entgelts und der benannten Entgeltbestandteile ersparen und hat nur die übrigen Informationen zur Entgeltbestimmung mitzuteilen.
Nur wenn alle genannten Voraussetzungen vorliegen, sind das Entgelt und die Entgeltbestandteile in der dargestellten Reihenfolge zu ermitteln. Zur Bearbeitung des Auskunftsgesuchs hat der Auskunftsverpflichtete nach dem Zugang des Auskunftsgesuchs drei Monate Zeit.
VII. Erste Praxiserfahrungen
Es gibt bisher wenig veröffentlichte konkrete Erfahrungen. Im April 2018 wurde für das erste Quartal in verschiedenen Veröffentlichungen über eine Umfrage des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) berichtet, die nahelegt, dass bisher eher wenig Anfragen gekommen sind. In den befragten Unternehmen mit < 500 Arbeitnehmern hat es bis dahin überhaupt keine Anfragen gegeben, bei allen befragten Unternehmen hat mehr als die Hälfte keine Anfragen erhalten. Über die Zahlen der tatsächlichen Anfragen wurde nicht berichtet. Allerdings ergab sich aus einer Umfrage bei Arbeitnehmern, dass ein Drittel möglicherweise eine Anfrage starten würde und 1/3 dies in keinem Fall machen wollte. Es kann also sein, dass sich die bisherige Zurückhaltung legt. [/av_textblock] [/av_two_third][av_one_third min_height='' vertical_alignment='av-align-top' space='' margin='0px' margin_sync='true' padding='7px,0px,0px,0px' border='' border_color='' radius='0px' radius_sync='true' background_color='' src='' attachment='' attachment_size='' background_position='top left' background_repeat='no-repeat' animation='' custom_class='sy-only-desktop hide_on_print' av_uid='av-7yw0ju'] [av_sidebar widget_area='Sidebar Blog' av_uid='av-5m9w22'] [av_textblock size='' font_color='' color='' av-medium-font-size='' av-small-font-size='' av-mini-font-size='' av_uid='av-k06rurwp' id='' custom_class='' admin_preview_bg='']
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