GEPLANTE GRUNDERWERBSTEUERREFORM – ENDLICH WIRD ES KONKRET!
Bereits in unserem Newsletter 2018 | Q3 hatten wir über die geplante Grunderwerbsteuerreform, mit der künftig „Schlupflöcher“ für als missbräuchlich identifizierte Gestaltungen im Rahmen der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen „gestopft“ werden sollen, informiert. Zentrale Punkte der Reform sind die Absenkung der Schwellenwerte, die Verlängerung der Behaltensfristen sowie die Schaffung eines neuen Besteuerungstatbestandes für Anteilsübertragungen bei Kapitalgesellschaften. Die Reformpläne haben in der Transaktionspraxis für erhebliche Unsicherheiten gesorgt, nicht zuletzt deshalb, weil viel über eine rückwirkende Anwendung der neuen Vorschriften spekuliert wurde. Mittlerweile liegt ein erster Gesetzesentwurf vor.
I. Ziel der geplanten Grunderwerbsteuerreform
Der Grunderwerbsteuer unterliegen dem Grunde nach Vorgänge, die einen Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück zur Folge haben. Aber auch ohne einen solchen wird bereits nach derzeitiger Gesetzeslage u.U. Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn nicht das Grundstück selbst, sondern „nur“ die Anteile an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz auf einen (neuen) Erwerber übertragen werden. Hierzu ist derzeit ein Schwellenwert von mindestens 95 % der Anteile erforderlich, wobei zeitlich getreckte Erwerbe über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren je nachdem, ob es sich um eine Kapital- oder Personengesellschaft handelt, zu einer vollständigen oder teilweisen Nichtbesteuerung führen können.
Die derzeitigen Vorschriften ermöglichen es, durch entsprechende Strukturierung von Anteilserwerben die Grunderwerbsteuerbelastung weitgehend zu vermeiden, weswegen die Bundesländer, denen das jeweilige Aufkommen der Grunderwerbsteuer vollständig zugute kommt, eine Verschärfung der grunderwerbsteuerlichen Regelungen für sog. Share Deals bei Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz fordern. Man möchte „Missbräuche verhindern“, „Gestaltungsspielräume verengen“ und eine Übertragung der Anteile anstelle des Grundstücks selbst „unattraktiver“ machen.
Nach Vorstellung eines Arbeitspapiers mit Eckpunkten zur geplanten Reform durch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe am 21. Juni 2018 (vgl. Beitrag in unserem Newsletter 2018 | Q3) hat es nun fast ein Jahr gedauert, bis am 8. Mai 2019 der erste Gesetzesentwurf durch das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht wurde. Der Referentenentwurf nimmt die von den Ländern gewünschten Verschärfungen der derzeitigen Vorschriften zu Anteilsübertragungen auf und konkretisiert erstmals Vorschläge für die zeitliche Anwendung der Neuregelungen.
II. Geplante Änderungen für sog. Share Deals
Gemäß Referentenentwurf soll der Schwellenwert für Anteilsübertragungen nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG von mindestens 95 % auf mindestens 90 % der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft gesenkt werden. Erfreulich ist, dass die ebenfalls diskutierte Absenkung auf mindestens 75 % bzw. 50 % der Anteile damit (zunächst) vom Tisch zu sein scheint.
Wie erwartet, ist ferner geplant, die Fristen im Grunderwerbsteuergesetz von fünf auf grundsätzlich zehn Jahre zu verlängern. Dies bedeutet, dass auch bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft der Status des sog. Altgesellschafters künftig erst nach Ablauf von zehn Jahren erreicht werden soll. Auch die Vor- und Nachbehaltensfristen in den Befreiungsvorschriften der §§ 5, 6 und 7 GrEStG sollen entsprechend verlängert werden. Bei Fällen bestimmter Anteilsvereinigungen, die einer aufgrund der Unterschreitung der Schwellenwerte nicht steuerbaren Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft folgen, ist eine Verlängerung der sog. Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 GrEStG sogar auf fünfzehn Jahre vorgesehen.
Umgesetzt werden soll auch die von den Ländern geforderte Verschärfung hinsichtlich der Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen. So soll durch Einführung eines neuen Ersatztatbestandes ein Grundstückserwerb immer dann fingiert werden, wenn sich der Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft mit inländischem Grundbesitz innerhalb von zehn Jahren dergestalt ändert, dass unmittelbar und/oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übertragen werden. Anteilserwerbe von Todes wegen sollen, wie bei Personengesellschaften, unberücksichtigt bleiben. Die in der Praxis bisher weitverbreitete Konstruktion, die Grunderwerbsteuer infolge einer Anteilsvereinigung dadurch zu vermeiden, dass ein Co-Investor einen „Zwerganteil“ an der Grundstückskapitalgesellschaft erwirbt, wäre mithin künftig nicht mehr möglich.
III. Weitere Verschärfungen durch die geplante Reform
Eine Verschärfung der bisherigen Rechtslage ist gemäß Referentenentwurf auch in folgenden Punkten geplant:
- Aufhebung der Begrenzung von Verspätungszuschlägen,
- Besteuerung nach dem Grundbesitzwert bei Grundstücksübertragungen zwischen den an einer Umwandlung oder Einbringung beteiligten Rechtsträgern im ertragsteuerlichen Rückwirkungszeitraum.
Hintergrund für die vorgeschlagenen Änderungen ist folgender:
1. Aufhebung der Begrenzung bei Verspätungszuschlägen
Gemäß § 19 GrEStG ist der Steuerschuldner u.a. verpflichtet dem für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Vorgangs Anzeige darüber zu erstatten, dass ein nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG relevanter Tatbestand verwirklicht wurde. Die Anzeigepflicht greift auch dann, wenn, z. B. aufgrund der Anwendung einer Steuerbefreiungsvorschrift, keine Steuer ausgelöst wird.
Die Anzeige nach § 19 GrEStG hat die Qualität einer Steuererklärung, so dass bei nicht fristgerechter Angabe ein Verspätungszuschlag gemäß § 152 AO festgesetzt werden kann. Dieser beträgt für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der zu niedrig festgesetzten Steuer, mindestens jedoch EUR 25,00 pro Monat, und darf grundsätzlich EUR 25.000,00 nicht überschreiten. Die vorgenannte Höchstgrenze soll für Anzeigen nach § 19 GrEStG künftig suspendiert werden.
Zur Begründung führt der Referentenentwurf aus, dass die bestehende Begrenzung bei hohen Immobilienwerten zu keiner angemessenen Sanktionierung der Pflichtverletzung führt und daher das Ziel der Prävention aktuell nicht erreicht werden kann. Durch die Aufhebung der der Begrenzung soll sich dies in Zukunft ändern, da hierdurch substanziell relevante Beträge gegenüber den zur Anzeige Verpflichteten festgesetzt werden könnten.
2. Besteuerung nach dem Grundbesitzwert
Grundsätzlich bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks. Dabei wird unterstellt, dass dieser mit dem Verkehrswert des Grundstücks identisch ist, weil die Vertragsparteien gegenläufige Interessen haben. Fehlt es an einem solchen Interessengegensatz und wird daher eine, aus Sicht der Finanzverwaltung, zu niedrige Gegenleistung vereinbart, ist dies für grunderwerbsteuerliche Zwecke unbeachtlich. Eine „Kompensation“ etwaiger Grunderwerbsteuerausfälle erfolgt durch Festsetzung von Schenkung- oder Ertragsteuern.
Wird nicht das Grundstück selbst übertragen, sondern löst z. B. eine Anteilsübertragung durch Verwirklichung eines Ersatzbestandes die Grunderwerbsteuer aus, bemisst sich die Steuer nach dem sog. Grundbesitzwert, der dem Verkehrswert zumindest in weiten Teilen angenähert ist. Entsprechendes gilt bei Umwandlungen und Einbringungen, denn in diesen Fällen ist eine Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks nicht vorhanden.
Nachdem die Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach der vereinbarten Gegenleistung Vorrang vor einer Besteuerung nach den Grundbesitzwerten hat, konnte bisher durch entsprechende Gestaltung eine Optimierung der Steuerbelastung in Umwandlungs- und Einbringungsfällen erreicht werden. Dies gelang z. B. dadurch, dass die an einem Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger den inländischen Grundbesitz zu einem unter dem Verkehrs- und Grundbesitzwert liegenden Wert im ertragsteuerlichen Rückwirkungszeitraum vom Überträger an den Übernehmer veräußert haben und erst danach die Umwandlung zivilrechtlich vollzogen wurde. Die Grunderwerbsteuer wurde in diesen Fällen auf Basis der (zu niedrigen) Gegenleistung festgesetzt, wodurch eine Berücksichtigung der höheren Grundbesitzwerte, die ohne eine vorherige Veräußerung bei der Umwandlung zur Anwendung gelangt wären, verhindert wurde. Eine etwaige Kompensation unterblieb, da der Übernehmer in die steuerliche Rechtsstellung des Überträgers eintrat und daher keine Schenkung oder verdeckte Gewinnausschüttung angenommen werden konnte.
Dieser Gestaltung möchte man nunmehr einen Riegel vorschieben. Daher ist beabsichtigt, der Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach den Grundbesitzwerten Vorrang vor der Besteuerung nach der vereinbarten Gegenleistung einzuräumen, wenn zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger innerhalb des Rückwirkungszeitraums nach §§ 2, 20 Abs. 6 und 24 Abs. 4 UmwStG ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird und die vereinbarte Gegenleistung unter dem Grundbesitzwert liegt. Weitere Voraussetzung ist, dass es ohne den Erwerbsvorgang zu einer Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG genommen wäre.
IV. Zeitliche Anwendung der geplanten Reform
Wie einleitend erwähnt, enthält der Referentenentwurf Vorschläge für die zeitliche Anwendung der Neuregelungen. Zu begrüßen ist dabei zunächst, dass die vorgeschlagenen Änderungen erst auf Erwerbsvorgänge Anwendung finden sollen, die nach dem 31. Dezember 2019 verwirklicht werden. Sollte der Gesetzesentwurf in der vorliegenden Form vom Bundestag und Bundesrat also beschlossen werden, wäre damit die von der Transaktionspraxis befürchtete Rückwirkungsthematik vom Tisch. Positiv ist auch, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes der geänderte § 1 Abs. 2a GrEStG sowie der neu geschaffene Ersatztatbestand für Anteilsübertragungen bei Kapitalgesellschaften keine Anwendung auf Anteilsübertragungen finden soll, die auf einem bis zu einem Jahr vor dem Datum der Einbringung des Gesetzesentwurfs in den Bundestag abgeschlossenen und innerhalb eines Jahres nach diesem Stichtag erfüllten Verpflichtungsgeschäft beruhen.
Aufgrund der Absenkung der Schwellenwerte und der Verlängerung der Behaltensfristen soll, zum Teil befristet auf fünf Jahre und zum Teil unbefristet, das bisherige Recht weitergelten. Hintergrund ist zum einen, dass man Strukturen, die die neuen Schwellenwerte von 90 % bereits über-, aber die alten Schwellenwerte von 95 % noch unterschreiten, bei zukünftigen Anteilsübertragungen erfassen möchte. Zum anderen soll durch die Weitergeltung der bisherigen Vorschriften sichergestellt werden, dass Gesellschafter einer Personengesellschaft durch die Verlängerung der Frist von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre nicht rückwirkend ihren Status als Altgesellschafter oder die sachliche Begünstigung nach §§ 5, 6 und 7 GrEStG verlieren.
Die geplanten Anwendungsvorschriften sind extrem umfangreich und teils sehr komplex. So soll z. B. die bisherige Frist des § 1 Abs. 2a GrEStG von fünf Jahren nur für solche Gesellschafter weitergelten, die den Status des Altgesellschafters bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 erreicht haben. Demgegenüber sollen Gesellschafter, die am 1. Januar 2020 nach der Altregelung noch als Neugesellschafter qualifiziert werden können, bereits die zehnjährige Frist zu beachten haben. Auch ein Rangverhältnis zwischen Alt- und Neuregelungen ist geplant. So ist beabsichtigt, eine Weitergeltung nur in den Fällen zuzulassen, in denen Grunderwerbsteuer durch die geänderten Vorschriften nicht ausgelöst wird.
V. Auswirkungen für die Beratungspraxis
Der vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichte Referentenentwurf zur Grunderwerbsteuerreform gibt Aufschlüsse darüber, was bei Immobilientransaktionen, die sich mittels Anteilsübertragungen vollziehen, künftig wohl zu beachten sein wird. Große Überraschungen enthält der Entwurf zum Glück nicht.
Die Absenkung der Schwellenwerte auf 90 %, die Verlängerung der Fristen von fünf auf (grundsätzlich) zehn Jahre sowie die Ergänzung der Ersatztatbestände um eine Regelung für Kapitalgesellschaften, die sich an der Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG orientiert, wird voraussichtlich in Gesetzeskraft erwachsen. Positiv ist aber, dass es offensichtlich keine rückwirkende Anwendung der geänderten bzw. neuen Vorschriften geben soll. Es bleibt allerdings abzuwarten, welche Änderungen sich noch im Gesetzgebungsverfahren ergeben werden. Die Verbände hatten nun bis zum 5. Juni 2019 Zeit, zum Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen.
Für die Transaktionspraxis heißt es weiter, die geplanten Änderungen im Auge zu behalten. Entwarnung kann zum Thema Rückwirkung, trotz des vorliegenden Gesetzesentwurfs und der darin enthaltenen Vorschläge, derzeit noch nicht abschließend gegeben werden. Wer die aktuell gültigen Vorschriften ausnutzen möchte, wird daher weiterhin mit entsprechend ausgestalteten Rücktrittsklauseln arbeiten müssen.
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