AUSFALL VON GESELLSCHAFTERDARLEHEN – STEUERRELEVANT ODER NICHT?
Die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Während der BFH zunächst bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen von einer Teilabzugsfähigkeit solcher Verluste im Wege der Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten ausging, hat er im Jahr 2017 mit zwei Urteilen den vollständige Abzug bei den Kapitaleinkünften zugelassen. Dies möchte der Gesetzgeber nunmehr ändern. Gut für den Steuerpflichtigen ist, dass der BFH für einige mit Gesellschafterdarlehen zusammenhängende Gestaltungen grünes Licht gegeben hat.
I. Einführung
Nach jahrzehntelanger Rechtsprechung des BFH konnten Verluste aus Gesellschafterdarlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG führen, wenn es sich um ein sog. eigenkapitalersetzendes Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG a.F.) handelte. Die Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten führte zur Verringerung des Veräußerungs-/Liquidationsgewinns oder zur Erhöhung des Veräußerungs-/Liquidationsverlustes, so dass der Ausfall vom Gesellschafter im Rahmen des sog. Teileinkünfteverfahrens steuerlich in Höhe von 60 % verwertet werden konnte.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 wurde das Eigenkapitalersatzrecht, d.h. die §§ 32a, 32b GmbHG a.F., mit Wirkung zum 1. November 2008 durch eine rechtsformübergreifende insolvenzrechtliche Regelung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5 InsO) ersetzt. Ferner wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2009 die sog. Abgeltungssteuer eingeführt, die auch Darlehensforderungen generell dem steuerbaren Vermögensbereich zuordnet. Diese Gesetzesänderungen nahm der BFH mit Urteil vom 11. Juli 2017 (Az. IX R 36/15) zum Anlass seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben (vgl. Newsletter-Beitrag 2017 | Q4). Entgegen der Verwaltungsmeinung führen damit eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen eines GmbH-Gesellschafters grundsätzlich nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung, es sei denn, die Bereitstellung des Fremdkapitals durch den Gesellschafter erfolgte bis zur Veröffentlichung des o.g. Urteils im Bundessteuerblatt am 27. September 2017 (Vertrauensschutz).
Doch auch Gesellschafter, die mit ihren Darlehen nicht unter die vorgenannte Vertrauensschutzregelung fallen, können Darlehensausfälle u.U. derzeit (noch) steuerlich verwerten. Denn nach der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH (Urteil vom 24. Oktober 2017, Az. VIII R 13/15) erfüllen Darlehensausfälle als eine „Rückzahlung zu null“ den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Satz 2 EStG. Sie können somit bei Anwendung der Abgeltungssteuer mit den übrigen (positiven) Kapitaleinkünften vollumfänglich verrechnet werden. Das Gericht führt aus, dass durch Einführung der Abgeltungssteuer ein Paradigmenwechsel vorgenommen wurde. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesbegründung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen keine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene mehr vornehmen wollen. Werden nach der gesetzlichen Neuregelung aber alle Vermögenzuwächse in diesem Bereich besteuert, ergibt sich aus dem Gebot der Folgerichtigkeit, dass der Steuerpflichtige Einbußen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steuerlich berücksichtigen können muss.
Im Ergebnis führt somit der Ausfall von Gesellschafterdarlehen, die dem Privatvermögen zuzurechnen sind, aktuell entweder zu nachträglichen Anschaffungskosten (Voraussetzung: Anwendung Eigenkapitalersatzrecht) oder er kann bei den Kapitaleinkünften berücksichtigt werden (Voraussetzung: Anwendung Abgeltungssteuer). Lediglich Gesellschafterdarlehen, die vor Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 11. Juli 2017 begeben wurden und die nicht die Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzrechts erfüllen, sind nach derzeitiger Rechtslage der nichtsteuerbaren Vermögensebene des Steuerpflichtigen zu zuordnen, so dass der Ausfall eines solchen Darlehens steuerlich nicht berücksichtigungsfähig ist.
Der Kreis der steuerlich irrelevanten Darlehen soll nunmehr zum Jahreswechsel (wieder) deutlich ausgeweitet werden.
II. Geplante gesetzliche Neuregelung
Wie vorstehend erläutert, hat der BFH mit Urteil vom 24. Oktober 2017 entschieden, dass Steuerpflichtige aufgrund der Einführung der Abgeltungssteuer und dem damit einhergehenden Systemwechsel bei der Steuerverhaftung von Kapitalanlagen Verluste aus (Gesellschafter-)Darlehen im Privatvermögen steuerlich geltend machen können. Die Finanzverwaltung hatte hierzu eine andere Auffassung vertreten und wollte über § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG lediglich Wertzuwächse der Besteuerung unterwerfen.
Es überrascht daher nicht, dass im Referentenentwurf des Bundesministerium der Finanzen im „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (JStG 2019) eine Ergänzung des § 20 Abs. 2 EStG mit Wirkung zum 1. Januar 2020 vorgesehen ist, mit der die bisherige Verwaltungsauffassung nunmehr gesetzlich festgeschrieben werden soll. Beabsichtigt ist eine „Klarstellung“, wonach u.a. die ganz oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, die Ausbuchung einer wertlosen Forderung durch den Gläubiger sowie die Übertragung einer wertlosen Forderung auf einen Dritten entgegen der Rechtsprechung des BFH nicht als Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zu werten ist (§ 20 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG-E). Ferner sollen über § 20 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 EStG-E „vergleichbare“ Sachverhalte von der Besteuerung ausgenommen werden.
Dass die gesetzliche Änderung, die im Übrigen nicht nur Kapitalforderungen erfassen wird, mit Wirkung zum 1. Januar 2020 kommt, scheint sicher. Bezweifelt werden muss allerdings, ob die Regelung verfassungsgemäß ist. Zwar wird dem Gesetzgeber ein erheblicher Ermessensspielraum bei der Frage, welche Sachverhalte der Besteuerung unterworfen werden sollen, eingeräumt. Legt man allerdings den Maßstab des Bundesverfassungsgerichts zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm zugrunde, dürfte ein gesetzlicher Verlustausschluss jedenfalls dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn die spiegelbildlichen Gewinne voll der Besteuerung unterworfen werden.
Die geplante Neuregelung wird das Besteuerungsverfahren nicht vereinfachen, sondern wegen der verfassungsrechtlichen Problematik absehbar zu einer Vielzahl von Einsprüchen und Klagen führen.
III. Gestaltungen mit Gesellschafterdarlehen (BFH-Urteil vom 20. Juli 2018, Az. IX R 5/15)
Im Entscheidungsfall leisteten die Gesellschafter einer GmbH im Jahr 2010 Einlagen in die Kapitalrücklage der Gesellschaft, mit der ein Bankdarlehen der Gesellschaft getilgt wurde, für welches die Gesellschafter gebürgt hatten. Die Gesellschaft hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Geschäftsbetrieb bereits vollständig eingestellt und ihr gesamtes Anlage- und Umlaufvermögen veräußert. Sie wäre mithin aus eigener Kraft nicht in der Lage gewesen, die noch bestehende Bankverbindlichkeit zu bedienen, so dass den Gesellschaftern eine Bürgschaftsinanspruchnahme drohte. Nach Einzahlung der Einlagen in die Kapitalrücklage und daran anschließender Rückführung des Darlehens an die Bank, was zum Erlöschen der Bürgschaften führte, veräußerten die Gesellschafter im Dezember 2010 ihre Geschäftsanteile zu einem Kaufpreis von EUR 0,00 und machten die Einzahlungen in die Kapitalrücklage in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG geltend.
Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Beträge mit Verweis auf § 42 AO ab. Die Einzahlungen in die Kapitalrücklage seien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise allein zur Ablösung der Bürgschaften erfolgt, wobei auf diese noch das Eigenkapitalersatzrecht der §§ 32a, 32b GmbHG a.F. anzuwenden gewesen sei. Hiernach hätten die Gesellschafter bei einer Bürgschaftsinanspruchnahme mangels Werthaltigkeit der Rückgriffsansprüche gegenüber der Gesellschaft bei Eintritt der Krise jedoch keine nachträglichen Anschaffungskosten geltend machen können. Die gewählte Gestaltung einer vorherigen Einzahlung der potentiellen Haftungsansprüche in die Gesellschaft zur Abwendung der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften sei daher rechtmissbräuchlich, da sie allein dem Zwecke gedient habe, die steuerlichen Folgen des Eigenkapitalersatzrechts zu umgehen und nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu generieren.
Dem folgte der BFH nicht. Das Gericht führt aus, dass freiwillige Zuzahlungen in die Kapitalrücklage handelsbilanziell als Zuzahlungen i.S.d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu qualifizieren sind. Auch steuerlich handelt es sich um Einlagen in das Gesellschaftsvermögen, so dass sich die Anschaffungskosten der Beteiligung erhöhen. Ohne Bedeutung ist, ob auch dann nachträgliche Anschaffungskosten entstanden wären, wenn eine andere rechtliche Gestaltung gewählt worden wäre. Denn der Geschäftsanteil, auf den eingezahlt wird, und die Darlehensschuld sind unterschiedliche Wirtschaftsgüter, die unterschiedlichen Veranlassungsbereichen zu zuordnen sind. Mit den Einzahlungen wurde die Gesellschaft in die Lage versetzt, ihre betrieblichen Verbindlichkeiten abzulösen. Dieses vom Gesellschaftsrecht auch so vorgesehene Vorgehen widerspricht nicht den Wertungen des Rechts. Wird also gesellschaftsrechtskonform vorgegangen, kann hierin nicht zugleich ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 42 AO liegen.
Die Entscheidung ist folgerichtig und es ist sehr zu begrüßen, dass sich mittlerweile auch die Finanzverwaltung zur Anwendung durchgerungen hat. So erfolgte die Veröffentlichung des Urteils im Bundesteuerblatt Anfang 2019, begleitet von einer Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 10. April 2019 (S 2244 A-61-St 215).
IV. Auswirkungen für die Beratungspraxis
Die steuerliche Geltendmachung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen ist und bleibt ein sehr komplexes Beratungsfeld. Steht ein Forderungsausfall im Raum, muss zunächst geprüft werden, ob das Darlehen noch unter das mittlerweile aufgehobene Eigenkapitalersatzrecht (§§ 32a, 32b GmbHG a.F.) fällt und sich hierdurch nachträgliche Anschaffungskosten ergeben. Wird dies verneint, ist eine Geltendmachung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu prüfen, wobei der Gesetzgeber dieser Möglichkeit mit Wirkung zum 1. Januar 2020 einen Riegel vorschieben möchte.
Kommt eine Berücksichtigung nach derzeitiger und künftiger Rechtslage nicht in Betracht, muss überlegt werden, ob durch eine eigenkapitalfinanzierte Ablösung des Gesellschafterdarlehens eine steuerliche Berücksichtigung erreicht werden kann. Ein Wechsel zwischen Fremd- und Eigenkapital durch Einzahlung von Beträgen in die Kapitalrücklage und anschließender Schuldentilgung kann auch dann steuerlich vorteilhaft sein, wenn auf Ebene der Gesellschaft, wie z.B. in den Fällen der Liquidation, ohne vorherige Gestaltung durch Ausbuchung der Verbindlichkeit ein steuerpflichtiger Ertrag droht. Die jüngste Rechtsprechung des BFH geht daher in ihrer Bedeutung deutlich über die Geltendmachung nachträglicher Anschaffungskosten bei Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG hinaus.
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