BFH ÄUSSERT SICH ERNEUT ZUR BESTEUERUNG VON MANAGEMENTBETEILIGUNGSPROGRAMMEN
So attraktiv Managementbeteiligungsprogramme als finanzielles Anreizelement zur Erhöhung der Leistungsbereitschaft von Führungskräften auch sein mögen, stellt sich bei den Beteiligten wegen zu erwartender steuerlicher Konsequenzen sehr schnell eine gewisse Unzufriedenheit ein. Denn oftmals ist aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Einkünftequalifikation eine rechtssichere Antwort nur schwer zu geben. Die Frage ist, ob ein späterer Erlös aus der Veräußerung der Anteile voll steuerpflichtigen Arbeitslohn oder aber tarifbegünstigen Beteiligungsertrag darstellt. Mit zwei weiteren Urteilen bestätigt der BFH seine Rechtsauffassung und äußert sich erstmals auch zu sog. Sweet Equity-Strukturen.
I. Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Einkünftequalifikation
Seitens der Beteiligten, also des Managers und des Arbeitgebers, an dem (unmittelbar oder mittelbar) eine Beteiligung eingeräumt wird stellt sich ebenso die Frage, welcher Einkunftsart der später erzielte Erlös zuzuordnen ist. Der Arbeitgeber sieht sich bei Einräumung und bei Verkauf der Beteiligung Risiken im Hinblick auf die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer ausgesetzt, hat jedoch die Möglichkeit, sich durch eine sog. Lohnsteueranrufungsauskunft abzusichern. Demgegenüber bleiben die beteiligten Manager oftmals bis zur endgültigen Anteilsveräußerung bzw. bis zum Eintreten des „Exit“-Falls im Hinblick auf die tatsächliche Steuerbelastung im Unklaren. Leider kann es sogar je nach Region des zuständigen Wohnsitzfinanzamts zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich in den letzten Jahren der Bundesfinanzhof mehrfach mit der Besteuerung von Managementbeteiligungsprogrammen auseinandergesetzt und für die Praxis wichtige Grundsätze aufgestellt hat. Auch die zwei jüngsten BFH-Urteile (VIII R 40/18 und VIII R 21/17, jeweils vom 1.12.2020) liefern neue Erkenntnisse und sorgen für mehr Rechtssicherheit. In einem Urteilsfall hat sich der BFH erstmals zu sog. Sweet Equity-Strukturen geäußert, auf die nachfolgend näher eingegangen werden soll.
II. Rechtsprechungsgrundsätze des BFH
Wie bereits im honert+partner Newsletterbeitrag vom 28.3.2018 erläutert, hat der BFH in der Vergangenheit eine andere Ansicht als die Finanzverwaltung vertreten und eigene Grundsätze bzw. Abgrenzungskriterien für die Besteuerung von Managementbeteiligungsprogrammen entwickelt. Laut dem BFH ist zur Abgrenzung der in Frage kommenden Einkunftsarten (Einkünfte aus (nicht-)selbständiger Arbeit versus Kapitaleinkünfte) insbesondere auf den Veranlassungszusammenhang sowie das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung abzustellen.
1. Veranlassungszusammenhang und Verlustrisiko
Nach Auffassung des BFH (die bisherige Rechtsprechung fortführend: Urteil vom 4.10.2016 – IX R 43/15, BStBl. II 2017, 790) liegt kein Arbeitslohn vor, wenn der zu beurteilende Erlös aus dem Beteiligungsprogramm wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt worden ist. Sofern derartige Sonderrechtsbeziehungen vorliegen, fehlt es an einem Veranlassungszusammenhang zwischen der Kapitalbeteiligung und dem Anstellungsverhältnis.
Dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Kapitalbeteiligungen mit Rücksicht auf das jeweilige Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist und etwaige Vorteile im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft gewährt wurden. Kann dies bejaht werden, sind die dem Arbeitnehmer zufließenden Einnahmen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu qualifizieren. Demgegenüber liegt kein Arbeitslohn vor, wenn der Arbeitnehmer sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung nutzt.
Nach Auffassung des BFH sind auch die für Managementbeteiligungsprogramme typischen Vereinbarungen wie die sog. Call-/Put-Optionen und Good-/Bad-Leaver-Regelungen allein noch kein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme eines Veranlassungszusammenhangs zwischen der Kapitalbeteiligung und dem Anstellungsverhältnis. Der BFH begründet dies damit, dass jede Form der Mitarbeiterbeteiligung naturgemäß auf die Arbeitnehmer bezogen ist (vgl. hierzu schon BFH vom 17.6.2009 – VI R 69/06, BStBl. II 2010, 69).
Laut BFH-Rechtsprechung gilt zudem ein mit der Kapitalbeteiligung einhergehendes Verlustrisiko als weiteres Abgrenzungskriterium zur Qualifikation der Einkünfte, wobei die genaue Höhe und Wahrscheinlichkeit des Verlustrisikos nicht ausschlaggebend ist. Es kommt allein darauf an, dass eigene Mittel eingesetzt werden und infolge der bestehenden Rechtsbeziehung auch verloren gehen können.
2. Wirtschaftliches Eigentum
Neben dem zuvor erläuterten Veranlassungszusammenhang wird für die Qualifikation der Einkünfte auch auf die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen abgestellt. Für die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. inter alia BFH v. 11. Juli 2006 – VIII R 32/04, DStR 2006, 2163; v. 4. Juli 2007 – VIII R 68/05, DStRE 2008, 69; v. 9. Oktober 2008 – IX R 73/06, DStRE 2009, 313) insbesondere auf die durch die Beteiligung vermittelten Gesellschaftsrechte sowie auf die mit der Beteiligung einhergehenden Chancen auf Wertsteigerungen sowie Verlustrisiken abzustellen. Sind die durch die Beteiligung vermittelten Rechte, Chancen und Risiken mit einer „normalen“ Kapitalbeteiligung vergleichbar und gilt diese Vergleichbarkeit, d.h. Fremdüblichkeit, auch in Bezug auf den Erwerb, kommt nach Ansicht der Rechtsprechung eine Verknüpfung der Rechtsbeziehung „Kapitalbeteiligung“ und Arbeitsverhältnis nicht in Betracht.
3. Einstandspreis
Ferner ist in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung, ob die Beteiligung, aus welcher die betreffenden Einkünfte resultieren, zum Verkehrswert oder verbilligt erworben wurden. Der verbilligte Erwerb einer Kapitalbeteiligung ist ein starkes Indiz für die Qualifikation als Arbeitslohn. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass bei Marktüblichkeit des Einstandspreises kein wirtschaftlicher oder finanziell messbarer Vorteil vorliegt, der allein auf das Arbeitsverhältnis zurückgeführt werden könnte.
III. Neue Erkenntnisse aus der aktuellen BFH-Rechtsprechung
In den beiden zuletzt ergangenen Urteilen vom 1.12.2020 ging es jeweils um Manager mit Eigenkapitalbeteiligungen an einer Gesellschaft, mit welcher sie ein Arbeits- bzw. Beratungsverhältnis eingegangen sind. Die vereinbarten Managementbeteiligungsprogramme enthielten die typischen Regelungen betreffend Ankaufsrechte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie Mitverkaufsrechte und -pflichten bei Verkauf der Beteiligung durch den Hauptinvestor. Die Finanzverwaltung ging in den Fällen davon aus, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung als Arbeitslohn bzw. als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erfassen ist. Der BFH hat hingegen zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden und in den erzielten Erlösen Einkünfte aus Kapitalvermögen gesehen. Im Rahmen der Urteilsbegründung hat der BFH auf die zuvor dargestellten Grundsätze zurückgriffen, die bisherige Rechtsauffassung bestätigt und ergänzt:
Der BFH hat erstmals zu sog. Sweet-Equity-Strukturen Stellung genommen. Hierunter versteht man die disproportionale Zeichnung der Kapitalbeteiligung seitens der teilnehmenden Manager. Auf Ebene der Finanzinvestoren findet man üblicherweise eine Kombination aus festverzinslichen Kapitalinstrumenten in Form von Gesellschafterdarlehen und/oder Vorzugsanteilen („Preference Shares“) sowie Stammanteilen („Ordinary Shares“). Die Beteiligung des Managements besteht hingegen überwiegend aus Stammgeschäftsanteilen. Dadurch ist der beteiligte Manager einem höheren (Total-)Verlustrisiko ausgesetzt. Zugleich hat er aber auch die Chance, im Vergleich zu den Finanzinvestoren einen höheren Anteil am Erlös zu erzielen (sog. Leverage Effekt), vorausgesetzt, eine vorab festgelegte Mindestrendite (Preference Shares) ist überschritten.
In einem der beiden vom BFH zu beurteilenden Fällen (VIII R 21/17) wurde eine solche Gestaltung gewählt. Der Manager tätigte, anders als die beteiligten Finanzinvestoren, keine Einzahlungen in die Kapitalrücklage II und stellte auch keine Gesellschafterdarlehen zur Verfügung. Wie zuvor erläutert, hatte er im Gegenzug im Vergleich zu den Finanzinvestoren die Chance, eine deutlich höhere Rendite zu erzielen. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung und einiger Finanzgerichte (vgl. inter alia FG Münster, 15.7.2015 – 11 K 4149/12 E, DStRE 2016, 1489) kann laut BFH eine solche Beteiligungsstruktur allerdings nicht als Beleg für einen Veranlassungszusammenhang des erzielten Veräußerungserlöses mit der Beratertätigkeit angesehen werden. Die Veräußerung der Beteiligung erfolgte nämlich zum Marktwert. Auch darüber hinaus bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Manager im Urteilsfall eine nicht marktübliche, erhöhte Rendite erzielt hat, die als zusätzliche Bonuszahlung für seine Beratertätigkeit hätte qualifiziert werden können. Vielmehr sollte der gesamte Veräußerungserlös zunächst für die Rückzahlung bestehender Verbindlichkeiten und sonstiger Kosten verwendet und erst das verbleibende Nettovermögen unter den Gesellschaftern entsprechend ihren jeweiligen Gewinnberechtigungsquoten verteilt werden. Der Manager hatte daher ausschließlich den auf seinen Anteil entfallenden „Exit“-Erlös erhalten.
IV. Bedeutung für die Praxis
Im Ergebnis lassen sich aus den zwei zuletzt ergangenen BFH-Urteilen zur Besteuerung von Managementbeteiligungsprogrammen zwei wichtige Aussagen und Erkenntnisse entnehmen: Zum einen ist aus Beratersicht zu begrüßen, dass der BFH seine bisherige Rechtsauffassung erneut bestätigt hat. Bei der Einkünftequalifikation ist weiterhin auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen und zu prüfen, ob der Veräußerungsgewinn eine Gegenleistung für die erbrachte individuelle Arbeitskraft darstellt oder aber auf eine eigenständige, vom Beschäftigungsverhältnis unabhängige, Sonderrechtsbeziehung zurückzuführen ist. Zum anderen ist insbesondere das BFH-Urteil VIII R 21/17 von hoher praktischer Relevanz, da nunmehr höchstrichterliche Rechtsprechung zu Managementbeteiligungsprogrammen mit einer Sweet Equity-Struktur vorliegt. Investiert ein Manager ausschließlich in das Eigenkapital und nicht (oder lediglich unterproportional) in festverzinsliche Kapitalinstrumente (z.B. Gesellschafterdarlehen, Vorzugsanteile), spricht dies für sich genommen noch nicht zwangsläufig für Arbeitslohn. Die restriktive Ansicht der Finanzverwaltung sowie von Teilen der Finanzgerichte ist der BFH zugunsten des Steuerpflichten entgegengetreten.
Von uneingeschränkter Rechtssicherheit kann aber dennoch nicht gesprochen werden, da der BFH z.B. keine Ausführungen zur Bewertung von Sweet Equity machen musste. Entscheidend ist nämlich, wie erläutert, dass der Manager die Beteiligung zum Marktwert erwirbt, was bei extrem gehebelten Eigenkapitalstrukturen, wegen des darin liegenden Optionscharakters, zweifelhaft sein kann.
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