SCHIEDSFÄHIGKEIT IV: EIN WEITERES KAPITEL ZUR SCHIEDSFÄHIGKEIT VON BESCHLUSSMÄNGELSTREITIGKEITEN IN DER PERSONENGESELLSCHAFT
Kommt es zwischen Gesellschaftern zum Streit über Gesellschafterbeschlüsse, besteht oft ein Interesse an einer geräuschlosen Klärung außerhalb des ordentlichen Gerichtsweges. Für Schiedsvereinbarungen zwischen den Gesellschaftern ist es jedoch wichtig, die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Diese hat der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen Schiedsfähigkeit II und III entwickelt. Mit der jüngsten Entscheidung aus dem Jahr 2021 (Schiedsfähigkeit IV) hat er diese noch einmal konkretisiert. Der vorliegende Beitrag soll die wichtigsten Neuerungen durch diese Entscheidung darstellen und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen geben.
I. Ausgangspunkt
Die Anziehungskraft der Personengesellschaft als Rechtsform für eine Vielzahl wirtschaftlicher Aktivitäten ist ungebrochen. Viele Familiengesellschaften sind als Kommanditgesellschaften (KG, GmbH & Co. KG) organisiert und auch für Berufsausübungsgemeinschaften von Freiberuflern sind nach wie vor Personengesellschaften die ganz überwiegend gewählte Rechtsform. Kommt es zum Streit zwischen den Gesellschaftern, können die Öffentlichkeitswirkungen des ordentlichen Gerichtsverfahrens und dessen voraussichtliche Dauer – eine zweite Instanz steht bis zur rechtskräftigen Entscheidung immer offen, unter Umständen sogar eine dritte – dem opponierenden Gesellschafter ein verfahrensrechtliches Drohpotential liefern, welches die Überzeugungskraft seiner materiell-rechtlichen Argumente mitunter deutlich übersteigt. Die Entscheidung von Beschlussmängelstreitigkeiten durch ein privates Schiedsgericht kann genau diese Nebeneffekte des ordentlichen Gerichtsverfahrens vermeiden. Schiedsverfahren sind in aller Regel nicht öffentlich. Das Schiedsgericht entscheidet grundsätzlich final und endgültig. Eine Berufungsmöglichkeit gegen den Schiedsspruch ist nicht vorgesehen. Dass Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften gleichwohl relativ selten Schiedsvereinbarungen für Beschlussmängelstreitigkeiten vorsehen, dürfte auch an nach wie vor nicht unerheblichen verfahrensrechtlichen Unsicherheiten liegen.
II. Bisherige Rechtsprechung des BGH
Mit der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) bislang drei Mal befasst. In der Entscheidung aus dem Jahr 1996 („Schiedsfähigkeit I“) hat er die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelklagen bei einer GmbH zunächst noch abgelehnt. Begründet wurde dies insbesondere mit dem Fehlen vergleichbarer Regelungen zu § 248 Abs. 1 Satz 1 und § 249 Abs. 1 AktG bei Schiedsverfahren. Jene Vorschriften, die auf die GmbH analog angewandt werden, sehen die Wirkung von Urteilen staatlicher Gerichte in Beschlussmängelstreitigkeiten für und gegen alle Gesellschafter vor (sogenannte inter omnes Wirkung).
Im Jahr 2009 („Schiedsfähigkeit II“) änderte der BGH seine Meinung und bejahte eine grundsätzliche Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelklagen für die GmbH. Im Zuge dessen stellte er Mindestanforderungen auf, die gewährleisten sollten, dass das schiedsrichterliche Verfahren einen ähnlichen Rechtsschutz aufweist, wie es ein Verfahren vor den staatlichen Gerichten würde. Diese Anforderungen lauten wie folgt:
- Die Schiedsvereinbarung muss mit Zustimmung aller Gesellschafter getroffen worden sein;
- die nicht als Kläger an der Schiedsklage beteiligten Gesellschafter sowie die Gesellschaftsorgane müssen über Einleitung und Verlauf des Schiedsverfahrens informiert werden und somit die Möglichkeit erhalten, dem Schiedsverfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten;
- sämtliche Gesellschafter können an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken, sofern nicht die Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter durch eine neutrale Stelle erfolgt; und
- alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelklagen müssen bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.
Wenn diese Anforderungen im Gesellschaftsvertrag bzw. der Schiedsvereinbarung nicht erfüllt werden, sind die Schiedsklauseln nach § 138 BGB nichtig, da es aufgrund der inter omnes Wirkung der analog anzuwendenden §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG einer ausreichenden Beteiligung aller Gesellschafter bedarf. Außerdem ist sicherzustellen, dass nicht verschieden zusammengesetzte Schiedsgerichte über dieselbe Angelegenheit entscheiden können.
Sodann entschied der BGH im Jahr 2017 („Schiedsfähigkeit III“), dass die genannten Mindestanforderungen grds. auch auf Personengesellschaften, also auch auf die KG (und die GmbH & Co. KG), Anwendung fänden. Daher müssten zumindest Kommanditisten und Komplementäre einer KG, ebenso wie GmbH-Gesellschafter, vor einer Benachteiligung und Entziehung des notwendigen Rechtsschutzes bewahrt werden. Jenes Urteil hat in der rechtswissenschaftlichen Literatur wie auch in der Praxis viel Kritik hervorgerufen. Dies insbesondere, weil bei Personengesellschaften Klagen gegen die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen grundsätzlich im Rahmen einer Feststellungsklage gegen alle bestreitenden Gesellschafter zu richten sind. Sämtliche betroffenen Gesellschafter nehmen demnach am gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren teil und das Urteil bzw. der Schiedsspruch wirkt für und gegen alle, sodass ein gesondertes Schutzbedürfnis entfällt. Eine abweichende Regelung müsste – was in der Praxis häufig geschieht – ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag oder in einer Schiedsvereinbarung getroffen werden.
III. Beschluss des BGH vom 23. September 2021
Im Jahr 2021 entschied der BGH ein weiteres Mal über die Schiedsfähigkeit von Gesellschafterstreitigkeiten bei Personengesellschaften und äußerte sich dabei auch zu Beschlussmängelklagen („Schiedsfähigkeit IV“).
1. Sachverhalt
Der BGH hatte in einem Fall zu entscheiden, in dem Gesellschafterstamm A den Ausschluss eines Kommanditisten aus einer GmbH & Co. KG betrieb und Mitglieder des Gesellschafterstamm B dazu verurteilen lassen wollte, dem Ausschluss eines anderen Mitglieds von Gesellschafterstamm B aus der Gesellschaft zuzustimmen. Der abgeschlossene Schiedsvertrag wie auch der Gesellschaftsvertrag enthielten eine Regelung, wonach alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollten. Nachdem sich das Schiedsgericht für zuständig erklärt hatte, stellte das Oberlandesgericht Köln auf Antrag der Beklagten die Unzuständigkeit des Schiedsgerichtes fest, wogegen sich die Kläger aus dem Schiedsverfahren mit der Rechtsbeschwerde zum BGH richteten.
2. Entscheidung des BGH
Im Wesentlichen war die Frage zu klären, ob die Schiedsvereinbarung aufgrund der Einbeziehung von Beschlussmängelstreitigkeiten nach § 138 Abs. 1 BGB ganzheitlich nichtig war, da die Anforderungen der Schiedsfähigkeit II Entscheidung nicht erfüllt waren. In seiner Entscheidung hat der BGH nun seine Lehren aus Schiedsfähigkeit III teilweise angepasst, indem er die Kritik aus der Literatur miteinbezogen hat.
Die Anforderungen, die der BGH in Schiedsfähigkeit II aufgestellt hat, gelten bei Personengesellschaften nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass derartige Streitigkeiten gerade nicht, wie gesetzlich vorgesehen, unter den Gesellschaftern, sondern mit der Gesellschaft auszutragen sind. Die in Schiedsfähigkeit II entwickelten Anforderungen dienten dem Schutz der nicht beteiligten Gesellschafter aufgrund der fehlenden Beteiligungsmöglichkeiten im Schiedsverfahren. Eines derart gesonderten Schutzes der Gesellschafter braucht es aber bei Personengesellschaften, die bei Beschlussmängelklagen den gesetzlichen Regeln folgen, gerade nicht, weil alle Gesellschafter am Schiedsverfahren zu beteiligen sind und keine Gefahr einer Wirkungserstreckung auf am Verfahren Unbeteiligte entsteht. Daher dürften in diesem Fall Beschlussmängelklagen ohne weitere Regelungen in der Schiedsklausel regelmäßig schiedsfähig sein.
Anders ist dies, wenn der Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass Klagen, die sich gegen die Wirksamkeit von Beschlüssen wenden, gegen die Gesellschaft zu richten sind. Zwar finden die Normen des Aktienrechts keine (analoge) Anwendung und eine direkte inter omnes Wirkung des Urteils entsteht daher nicht. Allerdings geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Mitgesellschafter zumindest schuldrechtlich an die Entscheidung im Verfahren gegen die Gesellschaft gebunden sind. Sind Beschlussmängelklagen gegen die Gesellschaft zu erheben, bleibt daher ein Schutzbedürfnis der Gesellschafter, die sich an den Schiedsspruch halten sollen, aber am Schiedsverfahren nicht beteiligt werden. Dieses Schutzbedürfnis ist durch die Einhaltung der Anforderungen aus Schiedsfähigkeit II zu erfüllen. Andernfalls ist die Schiedsvereinbarung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Neben dieser Differenzierung, wann die Schiedsklausel bei einer Personengesellschaft die Anforderungen aus Schiedsfähigkeit II zu beinhalten hat, hat der BGH in Schiedsfähigkeit IV einen weiteren Aspekt herausgearbeitet: Gegenstand des Verfahrens war zwar keine Beschlussmängelstreitigkeit, dennoch führte der BGH in seinem Beschluss umfassend zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten aus. Es ging dabei um die Frage, ob die gesamte Schiedsklausel gemäß § 139 BGB nichtig ist, sobald die Regelung für Beschlussmängelklagen unzureichend und damit nichtig ist. Der BGH verneinte dies im konkreten Fall, weil er durch Auslegung der Vereinbarungen der Gesellschafter in der Schiedsvereinbarung und im Gesellschaftsvertrag zu dem Ergebnis kam, dass die Gesellschafter jedenfalls die Schiedsfähigkeit aller anderen Streitigkeiten mit Ausnahme der Beschlussmängelstreitigkeiten gewollt hätten. Die Schiedsklausel sollte mit Ausnahme des unwirksamen Teils aufrecht erhalten bleiben. Hervorzuheben ist jedoch, dass es sich hier um eine Auslegung im Einzelfall handelte, die nicht generalisiert werden kann.
IV. Modernisierung des Personengesellschaftsrechts
Die dargestellten Grundsätze haben weiterhin Bedeutung, wenn das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts („MoPeG“) am 01. Januar 2024 in Kraft treten wird. Hierdurch kommt es zu einer Anpassung des HGB, insbesondere von § 113 HGB, was zur Folge hat, dass das Beschlussmängelregime von Personenhandelsgesellschaften weitestgehend dem der Kapitalgesellschaften angepasst wird. So bestimmt § 113 Abs. 1 HGB in seiner künftigen Fassung, dass Beschlussanfechtungsklagen gegen die Gesellschaft zu richten sind und das Urteil Wirkung gegen alle Gesellschafter entfaltet. Folgerichtig müssen Schiedsvereinbarungen, die Beschlussmängelstreitigkeiten einbeziehen, bei allen Personenhandelsgesellschaften, die nicht im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die Klageerhebung gegen alle Gesellschafter vorsehen, den Anforderungen von Schiedsfähigkeit II entsprechen.
Doch gelten die Neuerungen auch nicht uneingeschränkt. So sind Gesellschaften bürgerlichen Rechts („GbR“) und Partnerschaftsgesellschaften von dieser Neuregelung grundsätzlich ausgeschlossen, haben aber die Möglichkeit zu den neuen Regelungen zu optieren.
V. Fazit
Die Entscheidung des BGH hat Klarheit geschaffen und Ungenauigkeiten aus den vergangenen Entscheidungen korrigiert, sodass es nun dogmatisch nicht zu beanstandende Vorgaben gibt. Die Entscheidung des BGH wie auch die anstehende Reformierung des Personengesellschaftsrechts geben Anlass, unbedingt einen Blick in den Gesellschaftsvertrag sowie eine etwaige Schiedsvereinbarung zu werfen, um die dortigen Regeln auf den Prüfstand zu stellen. Die Folgen einer unzureichenden Schiedsklausel sind im Streitfall fatal und es drohen jahrelange Streitigkeiten über die Gerichtsbarkeit, bevor überhaupt in der Sache entschieden werden kann.
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