DIE STEUERBEFREITE ZUWENDUNG EINES FAMILIENHEIMS IM ERBSCHAFT- UND SCHENKUNGSTEUERRECHT
Im Zuge des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 hat der Gesetzgeber die Steuerbefreiung der Zuwendung eines Familienheims neu geregelt und auf Fälle des Erwerbs von Todes wegen erweitert. Ein Urteil des BFH v. 01.12.2021 (II R 18/20) zur Frage, unter welchen Umständen die Selbstnutzung des Familienheims durch den Erben aufgegeben werden darf, ohne den Vorteil der Steuerbefreiung zu verlieren, gibt Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit der grundlegenden Funktionsweise und den Hintergründen der Steuerbefreiungstatbestände.
I. Regelungssystematik
Die in der Praxis mittlerweile sehr bedeutsame Steuerbefreiung für die Übertragung von Familienheimen ist in § 13 Abs. 1 Nr. 4 a), b) und c) ErbStG geregelt. Während lit. a) den Erwerb eines Familienheims aufgrund einer Schenkung betrifft, regeln lit. b) und c) bestimmte Fälle des Erwerbs von Todes wegen: lit. b) begünstigt den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner und lit. c) bezieht sich auf einen Erbanfall bei Kindern oder Enkeln des Erblassers.
II. Hintergrund der Steuerbefreiung
Nach Aussage des Gesetzgebers erfüllt § 13 Abs. 1 Nr. 4 a) ErbStG den Zweck, die schenkungsteuerliche Freistellung von Familienzuwendungen zu gewährleisten. Die Regelung wurde nötig, da der BFH mit einer Rechtsprechungsänderung (Urteil vom 02.03.1994 – II R 59/92) entschied, dass eine „unbenannte (ehebedingte) Zuwendung“ grundsätzlich eine Schenkungsteuerpflicht auslöse.
Lit. b) und c) wurden in das Gesetz aufgenommen, um den Schutz des familiären Lebensraumes zu gewährleisten. Da zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern grundsätzlich von einer geringeren Bindung ausgegangen wird, ist die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c) ErbStG an enge Voraussetzungen geknüpft.
Die Gesetzesänderung erfolgte in zeitlicher Verknüpfung mit der Finanzkrise 2008. Mit der Steuerbefreiung wird der Erhalt des Vermögens in der Familie, soweit es aus selbstgenutztem Immobilieneigentum besteht, erreicht. Es wird das Risiko reduziert, dass aufgrund einer hohen erbschaftsteuerlichen Belastung ein Verkauf des geerbten Objekts nötig wird.
III. Der zentrale Begriff des „Familienheims”
Für alle Fallgruppen der steuerlich begünstigten Übertragung zentral ist der Begriff des „Familienheims”. Die Erbschaftsteuer-Richtlinien zu § 13 Abs. 1 Nr. 4 a) ErbStG konkretisieren diese Tatbestandsvoraussetzung.
Maßgebend ist die tatsächliche Nutzung des Gebäudes als Wohnung; auf eine entsprechende Widmung als Familienheim kommt es nicht an. Um den Vorteil der jeweiligen Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können, ist der Mittelpunkt des familiären Lebens an diesem Ort entscheidend. Mehrere Familienheime kann ein steuerpflichtiger nicht gleichzeitig innehaben. Neben klassischen Einfamilienhäusern ist auch Wohnungs- und Teileigentum begünstigt.
Bei einer gemischten Nutzung beschränkt sich die Steuerbefreiung anteilig auf den Bereich, der als Wohnung im genannten Sinn genutzt wird. Dies lässt sich aus der Formulierung des Gesetzes („soweit“) schließen.
Die Steuerbefreiung erstreckt sich auch auf Familienheime, die innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums belegen sind.
IV. Lebzeitige Zuwendung an Ehegatten
Die lebzeitige Zuwendung an den Ehegatten ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Entscheidend für die Anwendung der Steuerbefreiung ist, dass das zugewendete Objekt vor und nach der Schenkung als Familienheim genutzt wird.
Nicht klar geregelt ist die Frage, ob die Ehegatten für die Anwendung der Steuerbefreiung zusammenleben müssen oder auch bei Getrenntleben gelten. Insbesondere vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks ist Voraussetzung wohl ein Zusammenleben, da nur dort der Schutz des familiären Zusammenlebens zu gewährleisten ist.
V. Erwerbe von Todes wegen
Für die Begünstigung beim Erwerb von Todes bestehen weitere Voraussetzungen.
Zunächst muss der Erblasser das Familienheim als solches genutzt haben. Sodann muss der Erbe das Familienheim „unverzüglich“ nach dem Erbfall als solches nutzen. Die Rechtsprechung lässt den Steuerpflichtigen eine Zeitspanne von sechs Monaten. Diese Nutzung muss über einen Zeitraum von zehn Jahren ab dem Erwerb beibehalten werden, § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) S. 5, lit. c) S 5 ErbStG. Wird die entsprechende Nutzung jedoch innerhalb dieses Zeitraums aufgegeben, hat der Erbe die gesamte Steuerlast nachzuentrichten. Eine anteilige Freistellung, je nachdem wie viele Jahre das Familienheim noch als ein solches genutzt wurde, gibt es nicht.
Unbeachtlich dürfte nach dem Wortlaut der Steuerbefreiung sein, wenn ein neuer Lebenspartner in das „ehemalige“ Familienheim einzieht, vorausgesetzt, der Erbe bewohnt selbst die Wohnung über mindestens zehn Jahre.
Der Erwerb von Todes wegen durch Kinder und Enkel ist bis zu einer Wohnfläche von 200 qm begünstigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 c) ErbStG). Die Flächenangabe ist als Freibetrag zu verstehen, so dass stets eine ggf. anteilige Berücksichtigung bis (höchstens) 200 qm erfolgt. Wenn somit ein Familienheim mit einer Wohnfläche von 300 qm von Todes wegen erworben wird, fällt lediglich für 100 qm Erbschaftsteuer an.
VI. Ausnahme vom 10-Jahreszeitraum: Unzumutbarkeit der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
Bei einem Erwerb von Todes wegen greift die Steuerbefreiung auch dann, wenn zwingende Gründe vorliegen, die eine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken ausschließen. Diese Unmöglichkeit muss hinsichtlich einer Nutzung durch den Erblasser vor oder den Erben nach dem Erbfall vorliegen. Sollte die Verhinderung der Nutzungsmöglichkeit durch den Erben innerhalb der zehnjährigen „Bindungsfrist“ wieder wegfallen, hat er unverzüglich die Wohnnutzung wieder aufzunehmen. Andernfalls kommt es zu einer Nachversteuerung.
Als Anwendungsfall herauskristallisiert haben sich vor allem Fälle von gesundheitlichen Einschränkungen. Auch der Tod des Erben innerhalb der 10 Jahre löst natürlich keine Nachversteuerung aus, aber eine Weiterübertragung, die selbst wiederum für die Erbschaftsteuer relevant ist. Im Rahmen von § 13 Abs. 1 Nr. 4 c) ErbStG ist zusätzlich der Fall erfasst, wenn Kinder aufgrund ihres Alters noch nicht in der Lage sind, einen eigenen Haushalt zu führen. Berufliche Veränderungen werden grundsätzlich als zumutbar angesehen; d.h., da sie in den meisten Fällen aufgrund einer eigenen Willensentscheidung des Steuerpflichtigen erfolgen, wird die Nachversteuerung ausgelöst. Anders wird dies dann sein, wenn objektive Ursachen den Ortswechsel hervorrufen. Es ist daher regelmäßig zu prüfen, ob die Entscheidung, das Familienheim als solches nicht mehr zu nutzen, auf objektiven, „externen“ Gründen oder „inneren“ Motiven des Steuerpflichtigen beruht.
An dieses Merkmal knüpft das eingangs erwähnte Urteil an. Zugrunde lag ein Fall, in dem die Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren nach dem Tod ihres Vaters aus dem zuvor gemeinsam bewohnten Haus auszog und dieses auch abriss. Der BFH ist insbesondere der Ansicht, dass ein Ausnahmefall nur vorliegt, wenn der Erwerber eines erbschaftsteuerrechtlich begünstigten Familienheims aus „zwingenden Gründen“ an dessen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbstständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen.
VII. Abschließende Überlegungen zur Nachfolgeplanung
Vor dem Hintergrund der dargestellten Regelungen können sich einige Gestaltungsüberlegungen ergeben. § 13 Abs. 1 Nr. 4 a) ErbStG unterliegt keinen weiteren Beschränkungen. Ehegatten können sich Eigentum auch hin- und her übertragen. Im Bereich der Verfügungen von Todes wegen treten die erörterten Rechtsfolgen automatisch mit dem Erbfall ein.
Daher ist es mit Blick auf die Übertragung eines Familienheims sinnvoll, eine Nachfolgeplanung zu konzipieren. Hauptvorteil einer sog. vorweggenommen Erbfolge wird sein, dass bei einer lebzeitigen Übertragung an den Ehegatten keine zehnjährige Bindung vorgesehen ist, d.h. insbesondere auch die Schenkungsteuer begünstigte Immobilie veräußert werden kann.
Im Bereich der Übertragung von Familienheimen an Kinder oder Enkel werden jedoch andere Überlegungen vordergründig sein, da es keine dem § 13 Abs. 1 Nr. 4 a) ErbStG entsprechende Steuerbefreiung für Zuwendungen unter Lebenden gibt.
Für Sie da
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