KEINE ENTLASTUNG DES GESCHÄFTSFÜHRERS EINER GMBH DURCH BLOßE FESTSTELLUNG DES JAHRESABSCHLUSSES
Aus der Feststellung des Jahresabschlusses einer GmbH durch ihre Gesellschafter folgt nicht, dass die Höhe des gezahlten Gehalts an den Geschäftsführer angemessen war. Ein diesbezüglicher Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft ist mithin nicht ausgeschlossen. Allerdings gilt die Gehaltszahlung für die Jahre als angemessen, für die der Geschäftsführer durch die Gesellschafter entlastet wurde.
I. Einführung und Hintergründe
Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haftet nach § 43 Abs. 2 GmbHG für Schäden, die ihr aufgrund einer Verletzung seiner Obliegenheiten entstehen.
Ein solcher Schadensersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG entlastet. Die Entlastung stellt eine vergangenheitsbezogene Billigung der Geschäftsführung dar. Sie entfaltet neben der Billigungswirkung für die Vergangenheit eine Präklusionswirkung dergestalt, dass es der Gesellschaft im Umfang der Entlastung verwehrt ist, Ansprüche gegen ihren Geschäftsführer geltend zu machen. Damit die Entlastung wirksam ist, muss den erklärenden Gesellschaftern erkennbar gewesen sein, wofür sie den Geschäftsführer entlasten. Es müssen aus der Berichterstattung des Geschäftsführers mithin alle Umstände erkennbar gewesen sein, aus denen ein möglicher Schadensersatzanspruch resultieren könnte. Entscheidend für die Wirksamkeit ist, dass es allen Gesellschaftern möglich war, durch Nachrechnen, Nachfragen oder Ausüben ihres Informationsrechts die Umstände aufzuklären, aus denen sich der Anspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG ergibt. Dabei steht die Entlastung grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Gesellschafter. In Ausnahmefällen kann der Entlastungsbeschluss aufgrund einer Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht angefochten werden, wenn der zu entlastende Geschäftsführer eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß begangen hat.
Wie die Entlastung ist der durch die Gesellschafter festgestellte Jahresabschluss bindend in Bezug auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, entfaltet mithin eine Bindungswirkung im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis, also in Bezug auf Rechtsgeschäfte, die sich nicht aus dem Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern ergeben (sog. Drittgeschäfte), fehlt es dem Jahresabschluss hingegen grundsätzlich an einer Entlastungswirkung für den Geschäftsführer (BGH, Urteil vom 22.3.2009 – II ZR 264/07).
II. Aktueller Fall
In einem jüngst vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall (Urteil vom 29.6.2022 – 7 U 133/21) geht es um die Reichweite der Beschlussfassung über den Jahresabschluss sowie der Entlastung bei einer GmbH. Der ehemalige Geschäftsführer einer GmbH zahlte sich eigenmächtig seit dem Jahr 2015 ein gegenüber seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag mehr als doppelt so hohes Monatsgehalt aus. Bis zur Kenntnis der Gesellschafter von diesem Umstand im Januar 2020 betrug der daraus resultierende Gesamtschaden der Gesellschaft EUR 142.177,00. Daraufhin forderte die Gesellschaft den Geschäftsführer erfolglos dazu auf, die überbezahlten Beträge zurückzuzahlen. Die Gesellschafterversammlung hatte den Geschäftsführer für die Jahre 2016 und 2017 entlastet und für sämtliche Geschäftsjahre seit 2015 den Jahresabschluss festgestellt. Das LG Potsdam hat den Geschäftsführer zur vollständigen Rückzahlung verurteilt, woraufhin dieser Berufung eingelegt hat.
III. Entlastungswirkung der Feststellung des Jahresabschlusses
Das zuständige OLG Brandenburg hat dem Geschäftsführer teilweise rechtgegeben. Das OLG hat festgestellt, dass für die Jahre 2016 und 2017, für welche neben dem Jahresabschluss auch eine Entlastung des Geschäftsführers beschlossen worden war, die Höhe des ausgezahlten Geschäftsführer-Gehalts als angemessen gilt, da die Entlastung alle Schadensersatzansprüche ausschließt, die für die Gesellschafter ersichtlich waren. Da den Gesellschaftern die Bilanzen vorlagen, wäre ihnen im Rahmen einer gründlichen Prüfung erkennbar gewesen, dass der Geschäftsführer sich ein deutlich erhöhtes Gehalt auszahlte. Dieser Vertrags- beziehungsweise Rechtsverstoß allein – so das OLG – führt auch nicht zur Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses.
Darüber hinaus, also in Bezug auf die Geschäftsjahre, in denen nur der Jahresabschluss festgestellt, nicht aber Entlastung beschlossen worden war, bejahte das OLG eine Verpflichtung des Geschäftsführers zur Rückzahlung des überbezahlten Geschäftsführer-Gehalts. Der ehemalige Geschäftsführer hatte hierzu die Auffassung vertreten, der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses habe ebenfalls eine entlastende Wirkung, sodass ein Rückzahlungsanspruch auch für die Jahre 2015 und 2018 bis 2020 ausgeschlossen sei. Die Feststellung des Jahresabschlusses – so das OLG – stellt im gesellschaftsinternen Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern zwar einen konstitutiven Akt der Billigung dar. Darunter fallen jedoch keine Rechtsbeziehungen eines Gesellschafters mit der Gesellschaft, welche nicht allein aus seiner Gesellschafterstellung resultieren. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag ist als Drittgeschäft mithin nicht von der Bindungswirkung des Jahresabschlusses betroffen. Aus den Jahresabschlüssen allein folgt somit keine Billigung der Höhe des Geschäftsführergehalts. Da die Parteien keine Vereinbarung bezüglich der Entlastungswirkung getroffen haben, fehle es an einem Haftungsausschluss des ehemaligen Geschäftsführers. Im Ergebnis konnte die Gesellschaft mithin einen Schadensersatzanspruch für die Jahre 2015 sowie 2018 bis 2020 geltend machen.
IV. Ausblick und Folgen für die Praxis
Das Urteil des OLG Brandenburg grenzt die Entlastung hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Geschäftsführer und dessen Haftung gegenüber der Gesellschaft von der Feststellung des Jahresabschlusses ab. Ohne zusätzliche Vereinbarungen ist nicht davon auszugehen, dass aus der Feststellung des Jahresabschlusses ein automatischer Verzicht der Gesellschaft auf nicht erkennbare Ansprüche gegen den Geschäftsführer folgt. Der GmbH-Geschäftsführer kann sich also nicht allein auf die Feststellung einer Bilanzposition berufen, um sämtliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft auszuschließen. Hierzu bedarf es vielmehr einer Vereinbarung dahingehend, dass die Feststellung insbesondere ein Anerkenntnis der Angemessenheit dieser Bilanzposition darstellt, der eben eines Entlastungsbeschlusses.
Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, der Feststellung des Jahresabschlusses ihre haftungsbefreiende Legitimationswirkung zu versagen, da bei dieser ebenfalls (genau wie bei der Entlastung) regelmäßig sämtliche Bilanzen vorliegen dürften und die Gesellschafter daher die Möglichkeit zur Kenntnisnahme etwa eines zu viel gezahlten Gehalts hatten. Die Ausführungen des OLG leuchten dennoch ein: Die Feststellung des Jahresabschlusses ist ein gesellschaftsinterner Akt, der anders als die Entlastung keine Rechtswirkungen der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer intendiert. Hierfür ist die Entlastung das speziellere und hierfür explizit im Gesetz vorgesehene Rechtsinstitut, weshalb eine Berufung des Geschäftsführers auf den Jahresabschluss nicht überzeugt.
Der entschiedene Fall unterstreicht die Tendenz in der Rechtsprechung, die Kontrollmöglichkeiten der Gesellschafter bei der Auslegung von Entlastungsbeschlüssen stärker zu berücksichtigen. Es kommt mithin verstärkt darauf an, welche Umstände der Entscheidung zugrunde lagen beziehungsweise aufgrund ihrer Erkennbarkeit von den Gesellschaftern hätten berücksichtigt werden können. Aus der Sicht von Geschäftsführern unterstreicht die Entscheidung abermals die Bedeutung der Entlastung für eine etwaige Haftung gegenüber der Gesellschaft.
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