WAS LANGE WÄHRT, WIRD ENDLICH GUT? – BVERFG GIBT (TEILWEISE) GRÜNES LICHT FÜR DIE ERTRAGSTEUERNEUTRALE ÜBERTRAGUNG VON WIRTSCHAFTSGÜTERN ZWISCHEN BETEILIGUNGSIDENTISCHEN SCHWESTER-PERSONENGESELLSCHAFTEN
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 12. Januar 2024 seinen bereits seit langer Zeit erwarteten Beschluss vom 28. November 2023 (Az. 2 BvL 8/13) veröffentlicht, mit dem es die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG als in Teilen mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar erklärt, nämlich soweit eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften zum Buchwert ausgeschlossen ist. Der Beschluss sorgt für eine gewisse Rechtssicherheit in der Praxis, beantwortet allerdings nicht alle offenen Fragen zur Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften.
I. Grundlagen
§ 6 Abs. 5 EStG regelt seit der Abschaffung des sog. Mitunternehmererlasses ab dem 1. Januar 2001 die Überführung (Satz 1 f.) bzw. Übertragung (Satz 3) von Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen zu Buchwerten. Dabei ermöglicht § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die ertragsteuerneutrale Überführung eines Einzelwirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen, d.h. ohne Rechtsträgerwechsel. Im Gegensatz dazu eröffnet die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die ertragsteuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert mit Rechtsträgerwechsel, soweit diese
Nr. 1:
unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt;
Nr. 2:
unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, und umgekehrt oder
Nr. 3:
unentgeltlich zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft erfolgt.
II. Ausgangsproblem
Buchwertübertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften fallen somit dem Wortlaut nach nicht unter § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Während die Finanzverwaltung bisher § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG daher nicht für derartige Übertragungen eröffnet sieht (BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2011, Rz. 18), waren sich der IV. Senat (bejahend; BFH-Beschluss vom 15. April 2010, Az. IV B 105/09) und der I. Senat (verneinend; BFH-Urteil vom 25. November 2009, Az. I R 72/08) des Bundesfinanzhofs (BFH) diesbezüglich bislang uneinig.
Die ablehnende Haltung der Finanzverwaltung und die uneinheitliche Rechtsprechung zu dem Thema haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass in der Praxis häufig Alternativgestaltungen verwendet wurden, wie beispielsweise
- Mittels einer „zweistufigen“ Abwicklung bei der (1) das Wirtschaftsgut zunächst nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Alt. 1 EStG vom Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft I in das Sonderbetriebsvermögen eines (oder mehrerer) der dortigen Mitunternehmer übertragen wird, (2) bevor es nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 EStG vom Sonderbetriebsvermögen bei der Mitunternehmerschaft I in das Gesamthandsvermögen bei der Mitunternehmerschaft II übertragen wird, oder
- unter Nutzung der Realteilungsgrundsätze.
Im Streben nach Rechtssicherheit wurde außerdem nicht selten die Erteilung einer verbindlichen Auskunft bei den Finanzbehörden beantragt, um die gewählte Gestaltung abzusichern. Dabei fielen dann neben den Beratungskosten auch noch Gebühren für die Auskunftserteilung an. Zusätzlich bestand das Risiko, dass eine Auskunft unter Verweis auf § 42 AO und den dort geregelten Gestaltungsmissbrauch gar nicht erst erteilt wurde.
Mit seinem Beschluss vom 28. November 2023 legt das BVerfG nunmehr den Grundstein für eine rechtssichere und kostengünstige Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften.
III. Sachverhalt des BVerfG-Beschlusses
Im zugrundeliegenden Sachverhalt veräußerte eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG zwei bebaute Grundstücke aus ihrem Gesamthandsvermögen an eine beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaft zum Buchwert und behandelte diese Übertragungsvorgänge als ertragsteuerneutral.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Veräußerungen zur vollumfänglichen Aufdeckung der in den übertragenen Grundstücken enthaltenen stillen Reserven geführt hat.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht Baden-Württemberg wiederum statt (Urteil vom 19. Juli 2012, Az. 13 K 1988/09) und entschied, dass die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft auf eine beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaft in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert möglich sei.
Aufgrund der oben beschriebenen divergierenden Rechtsprechung des I. und IV. Senats des BFH legte der I. Senat die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vor (Vorlagebeschluss vom 10. April 2013, Az. I R 80/12).
IV. Entscheidung des BVerfG
Zunächst stellte das BVerfG fest, dass
- keine Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG möglich ist, da mit dem Transfer eines Einzelwirtschaftsguts zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwester-Personengesellschaften zivilrechtlich stets ein Rechtsträgerwechsel einhergeht und damit keine Überführung im Sinne der Vorschrift vorliegt (siehe hierzu unter Ziffer I);
- keine Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG möglich ist, da der Wortlaut der Norm mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass sich der Transfer von Einzelwirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften darunter subsumieren lässt.
Im Ergebnis sieht das BVerfG in der Norm des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs. 1 GG, der gebietet wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Wie das BVerfG oben feststellt, kann § 6 Abs. 5 EStG nicht analog auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwerster-Personengesellschaften angewendet werden. Insoweit besteht eine gleichheitswidrige Benachteiligung derartiger Übertagungen gegenüber den nach § 6 Abs. 5 EStG begünstigten Wirtschaftsgutübertragungen. So können etwa Einzelunternehmer Wirtschaftsgüter unentgeltlich zu Buchwerten zwischen verschiedenen Betriebsvermögen übertragen, was aber zwischen personenidentischen Schwester-Personengesellschaften nicht möglich ist.
Als Folge dieser Entscheidung wurde der Gesetzgeber dazu verpflichtet unverzüglich eine Neuregelung für alle nach dem 31. Dezember 2000 erfolgten Übertragungen zu schaffen.
V. Folgen für die Praxis
§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bleibt bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift mit Wirkung für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 auch gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaft übertragen wird. Damit schafft der BVerfG-Beschluss die lang ersehnte Rechtssicherheit für die Buchwert-Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften.
Eine rückwirkende Neuregelung ab 1. Januar 2001 hilft grundsätzlich nur in den Fällen, in denen die Veranlagung vorläufig erfolgte oder per Einspruch bzw. Klage offengehalten wurde und somit noch nicht bestandskräftig geworden ist. Ob eine Billigkeitsregelung für bereits bestandskräftige Fälle eingeräumt wird, bleibt abzuwarten.
Bei zukünftigen Gestaltungen ist zu beachten, dass es sich bei dem vom BVerfG entschiedenen Fall um den Spezialfall der unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften gehandelt hat. So bleibt offen, ob nur unentgeltliche Übertragungen oder auch Übertragungen gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten begünstigt sind. Weiter ist fraglich, inwieweit die Finanzverwaltung notwendige Vorbereitungshandlungen zur Schaffung der vom BVerfG vergebenen Voraussetzungen für die Steuerneutralität als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO einstufen wird.
Mit Blick auf die weiterhin bestehenden Rechtsunsicherheiten im Kontext der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften sind die gesetzliche Neuregelung und etwaige Billigkeitsmaßnahmen mit Spannung zu erwarten.
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