AUSSCHLUSS EINES KOMMANDITISTEN AUS WICHTIGEM GRUND
Liegt in der Person eines Kommanditisten ein wichtiger Grund vor, der die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses für die anderen Gesellschafter unzumutbar macht, kann dieser von den anderen Gesellschaftern aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Die hierfür gesellschaftsvertraglich vorgesehene Beschlussfassung über den Ausschluss muss nicht unverzüglich erfolgen. Das Urteil des OLG Hamm (Urt. v. 1.3.2023 – 8 U 48/22) befasst sich exemplarisch mit der Fragegestellung, unter welchen Voraussetzungen ein Zuwarten der zum Ausschluss berechtigten Gesellschafter gerechtfertigt ist und die Annahme des Vorliegens eines wichtigen Grundes bzw. der Unzumutbarkeit nicht widerlegt.
I. Einführung und Hintergründe
Neben verschiedenen Formen des freiwilligen Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft, besteht auch die Möglichkeit, dass ein Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen durch die anderen Gesellschafter (unfreiwillig) aus einer Personengesellschaft ausgeschlossen wird. Da der Ausschluss eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft einen erheblichen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte und deren Kernbereich darstellt, sieht das Gesetz hierfür die Beachtung spezieller Regelungen vor.
Voraussetzung für den Ausschluss ist nach § 134 Satz 1 HGB (bzw. § 140 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. vor dem MoPeG), dass in der Person des auszuschließenden Gesellschafters ein wichtiger Grund eingetreten ist. In diesem Fall kann auf Antrag der anderen Gesellschafter seine Ausschließung aus der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist.
Bereits vor der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG war allgemein anerkannt, dass der Gesellschaftsvertrag hiervon abweichende Vereinbarungen vorsehen kann. Dies ergibt sich nun unmittelbar aus § 134 Satz 1 HGB am Ende. Insbesondere ist es zulässig – wie in der Praxis regelmäßig anzutreffen, die Gestaltungsklage (gerichtliche Entscheidung) vollständig abzubedingen und zu regeln, dass der Ausschluss durch einen Gesellschafterbeschluss unter Stimmrechtsausschluss des betroffenen Gesellschafters erfolgt. Schließlich ist der auszuschließende Gesellschafter vor der Beschlussfassung über seinen Ausschluss anzuhören.
II. Vorliegen eines wichtigen Grundes
Ein wichtiger Grund liegt nach § 134 Satz 2 HGB insbesondere vor, wenn der Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat oder wenn ihm die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. Dies entspricht auch dem Wortlaut der §§ 140 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 2 HGB a.F. vor dem MoPeG. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 17.12.1959 – II ZR 32/59) ist ein wichtiger Grund immer dann gegeben, wenn in der Person des auszuschließenden Gesellschafters Umstände vorliegen, die den anderen Gesellschaftern bei verständiger Abwägung aller in Betracht kommender Tatsachen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses unzumutbar machen.
Der wichtige Grund muss demnach in der Person des auszuschließenden Gesellschafters liegen und von Bedeutung für das Gesellschaftsverhältnis sein. Der Ausschluss hat keinen Sanktionscharakter, sondern soll vielmehr sicherstellen, dass die anderen Gesellschafter die Gesellschaft (ungefährdet) fortsetzen können. Hierfür ist eine umfassende Interessenabwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere etwaiges Fehlverhalten, etwaige Schäden und deren Ausmaß, der Grad eines etwaigen Verschuldens, die gesellschaftsrechtliche Stellung, etc. zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten ist, dass der Ausschluss als ultima ratio nur in Betracht kommt, wenn die Unzumutbarkeit nicht durch mildere Mittel beseitigt werden kann.
III. Entscheidung des OLG Hamm
Der Entscheidung des OLG Hamm (Urt. v. 1.3.2023 – 8 U 48/22) lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde. Die Parteien stritten u.a. über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses über den Ausschluss des Klägers aus einer GmbH & Co. KG („A KG“). Der Kläger war Kommanditist der A KG sowie geschäftsführender Gesellschafter der B GmbH, welche mit der A KG eng wirtschaftlich verflochten war. Die Klage wandte sich gegen die weiteren Kommanditisten und die Komplementärin der A KG als Beklagte. Der Gesellschaftsvertrag der A KG enthielt eine Klausel, wonach „ein Gesellschafter von den übrigen Gesellschaftern mit der Mehrheit aller ihrer Stimmen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund i.S.d. §§ 140, 133 HGB (a.F.) vorliegt“. In einer Gesellschafterversammlung der A KG am 15.6.2020 wurde der Kläger durch Gesellschafterbeschluss mit den Stimmen der Beklagten ausgeschlossen. Als wichtiger Grund wurden Pflichtverstöße des Klägers genannt, welche ab dem Zeitraum vom 11.2.2020 begangen wurden. Der Kläger ergriff aufgrund eines Streits im Gesellschafterkreis in diesem Zeitraum diverse Maßnahmen, aufgrund derer die Geschäftstätigkeit der A KG erheblich beeinträchtigt bzw. behindert wurde. Zum Beispiel erteilte er infolge eines unbegründeten Verdachts Mitarbeitern der A KG Hausverbot in gemeinsam genutzten Räumlichkeiten der B GmbH, sperrte den Zugang zu gemeinsam genutzten Servern der B GmbH, forderte einen beklagten Kommanditisten zur Kündigung seines mit der B GmbH bestehenden Arbeitsverhältnisses auf, kündigte dieses grundlos und setzt die A KG aufgrund deren angespannten Liquiditätslage durch Aufforderung zur Auszahlung seiner Guthaben auf den Darlehenskonten wirtschaftlich unter Druck.
Nach Auffassung des OLG Hamm ist der Beschluss über den Ausschluss des Klägers wirksam. Der Kläger verstieß durch sein Verhalten in erheblichem Maße gegen ihm obliegende gesellschaftsrechtliche Treuepflichten und erschütterte hierdurch das Vertrauensverhältnis der Gesellschafter der A KG. Damit wurde für die Beklagten eine weitere Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem Kläger unzumutbar, sodass ein wichtiger Grund vorlag. Grundsätzlich dürften die Umstände, aus denen sich der wichtige Grund ergibt, bei der Beschlussfassung über den Ausschluss des Klägers nicht lange zurückliegen, da ein längeres Zuwarten der anderen Gesellschafter die Annahme der Unzumutbarkeit widerlegen könnten.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 14.6.1999 – II ZR 193/98) kann auf Seiten der zum Ausschluss berechtigten Gesellschafter jedoch ein berechtigtes Interesse daran bestehen, dass Recht zum Ausschluss des betroffenen Gesellschafters nicht unverzüglich auszuüben. Zwar widerspreche es grundsätzlich der allgemeinen Lebenserfahrung, ein auf vertrauensvolle Zusammenarbeit basierendes Gesellschaftsverhältnis trotz dessen erheblichen Störung für längere Zeit („einige Monate“) aufrecht zu erhalten, sodass eine lang dauernde Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnis dafürspricht, dass der zum Ausschluss berechtigende Umstand im Laufe der Zeit an Gewicht verloren hat und die einen wichtigen Grund begründende Unzumutbarkeit nicht mehr besteht. Im konkreten Einzelfall kann jedoch ein anerkennenswertes gesellschaftliches Interesse bestehen, dass (zunächst) ein Zuwarten mit dem Ausschluss des betreffenden Gesellschafters rechtfertigt, ohne dass der wichtige Grund bzw. die Unzumutbarkeit hierdurch entfällt. Gegenständlich erstreckten sich die Pflichtverstöße des Klägers über einen längeren Zeitraum und deren Unzumutbarkeit ergebe sich u.a. in deren Gesamtschau, sodass für die Dauer des Zuwartens der Zeitraum zwischen dem Ende der Pflichtverletzungen des Klägers und der Beschlussfassung über dessen Ausschluss ist. Zudem legten die Beklagten überzeugend dar, dass sie auf Anraten des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten zunächst die Geschäftsbeziehungen zwischen der A KG und der B GmbH beenden und das arbeitsgerichtliche Verfahren zwischen der B GmbH und dem betreffenden Beklagten abwarten wollten, um die wirtschaftliche Neuausrichtung der A KG nicht zusätzlich zu erschweren bzw. zu gefährden. Im Anschluss daran erfolgte der Ausschluss des Klägers unverzüglich.
IV. Ausblick und Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Hamm hebt hervor, dass es keine starre Frist für den Ausschluss eines Gesellschafters gibt. Während z.B. im Arbeitsrecht eine zwei-Wochenfrist (ab Kenntniserlangung von den Umständen) für den Aussprich der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund besteht (§ 626 Abs. 2 BGB) steht im Personengesellschaftsrecht den Gesellschaftern, die zum Ausschluss berechtigt sind, auch ohne besondere Gesichtspunkte nach deren Kenntniserlangung von einem Ausschlussgrund eine „angemessene Frist“ zu, um eine Interessenabwägung durchzuführen und die Entscheidung über die Ausübung des Ausschließungsrechts zu treffen.
Darüber hinaus gilt der Grundsatz, dass Umstände, die zum Ausschluss eines Gesellschafters berechtigen, bei der Beschlussfassung über den Ausschluss eines Gesellschafters nicht lange zurückliegen dürfen, da ein längeres Zuwarten die Vermutung begründen kann, dass der zum Ausschluss berechtigende Umstand im Laufe der Zeit an Gewicht verloren hat und eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses daher nicht mehr besteht. Im jeweiligen Einzelfall können allerdings berechtigte Interessen der Gesellschaft bestehen, die ein Zuwarten mit dem Ausschluss des betreffenden Gesellschafters rechtfertigen, ohne dass hierdurch die Vermutung des Entfallens der Unzumutbarkeit begründet wird.
In der Praxis sollte daher darauf geachtet werden, dass der Ausschluss eines Gesellschafters kurzfristig nach Kenntniserlangung des Ausschlussgrundes, d.h. innerhalb eines bzw. weniger Monate erfolgen sollte, wenn keine berechtigten gesellschaftlichen Interessen an einem Zuwarten bestehen. Andernfalls besteht das Risiko, dass der Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält. Bestehen dagegen berechtigte gesellschaftliche Interessen, kann über den Ausschluss des betreffenden Gesellschafters auch erst dann Beschluss gefasst werden, wenn diese dem Ausschluss nicht mehr entgegenstehen.
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