DAS JAHRESSTEUERGESETZ 2024
Das Jahressteuergesetz 2024 enthält interessante und relevante Neuerungen sowohl für Private als auch für Unternehmer. Wichtige Änderungen betreffen vor allem Startups im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungen, Immobilieneigentümer im Hinblick auf die Grundsteuerreform und geerbte Immobilien, Investmentfonds und Anleger. Diese Änderungen und Neuerungen sollen in diesem Beitrag für Sie kurz aufbereitet werden.
I. Einführung
Am 18.10.2024 hat der Bundestag das Jahressteuergesetz für das Jahr 2024 verabschiedet, in welchem er insbesondere europarechtliche Vorgaben und Rechtsprechung von EuGH, BFH und BVerfG umgesetzt hat. Hierbei wurden hauptsächlich thematisch nicht miteinander zusammenhängende Maßnahmen umgesetzt. Der Bundesrat hat am 22.11.2024 zugestimmt. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt wird noch vor dem Jahresende erfolgen.
II. Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften
Mit der Neuregelung in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG soll die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert ermöglicht werden, gemäß den Vorgaben des BVerfG (Beschluss v. 28.11.2023, BvL 8/13).
Die Beteiligungsidentität liegt laut Gesetzesbegründung nicht vor, wenn unmittelbar oder mittelbar und zivilrechtlich oder nur wirtschaftlich eine natürliche Person oder eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nur an einer der beiden Mitunternehmerschaften beteiligt ist, auch wenn dies nur treuhänderisch ist. Klassische 0%- Beteiligungen einer Komplementär-GmbH sind hingegen nicht von Bedeutung.
Da sich der zwingende Buchwertansatz im Einzelfall auch zuungunsten der Mitunternehmer auswirken kann, kann aus Vertrauensschutzgründen bei Übertragungen vor dem 12.1.2024 von einer Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG abgesehen werden, wenn die an beiden Mitunternehmerschaften beteiligten Mitunternehmer dies gemeinsam beantragen.
III. Kinderbetreuungskosten
Bisher können zwei Drittel der Aufwendungen für Kinderbetreuung, höchstens 4.000 EUR je Kind p.a., als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Die Begrenzung von zwei Drittel der Aufwendungen wird auf 80 Prozent der Aufwendungen und der Höchstbetrag auf 4.800 EUR erhöht.
IV. Steuerbegünstigte Mitarbeiterbeteiligung (Konzernklausel)
Rückwirkend auf den Veranlagungszeitraum 2024 ergeben sich aus der Änderung von § 19a EStG in Form einer Einfügung der sogenannten „Konzernklausel“ in § 19a I S. 3 EStG Steuerbegünstigungen auch für die Übertragung von Anteilen an verbundenen Konzernunternehmen im Sinne von § 18 AktG an Arbeitnehmer. Nach bisheriger Rechtslage galten diese Steuerbegünstigungen in Gestalt einer aufschiebend bedingten Besteuerung nur für übertragene Anteile nur für das Unternehmen, bei welchem der zu beteiligende Mitarbeiter angestellt ist.
Auswirkungen hat diese Änderung insbesondere für Mitarbeiterbeteiligungen bei Startups, welche Konzernstrukturen für sich nutzen. Damit gerade auch nur diese und nicht große Aktienkonzerne von der Neuregelung profitieren, sind Übertragungen an Mitarbeiter nur dann steuerbegünstigt, wenn in Bezug auf die Gesamtheit aller Konzernunternehmen die Schwellenwerte des § 19a III EStG nicht überschritten werden. Im Detail bedeutet dies, dass die Unternehmen maximal 1000 Mitarbeiter beschäftigen dürfen und einen Jahresumsatz von 100 Mio. Euro beziehungsweise eine Jahresbilanzsumme von 86 Mio. Euro nicht übersteigen dürfen. Zusätzlich darf die Gründung keines der Konzernunternehmen länger als 20 Jahre zurückliegen.
Die Steuerbegünstigung ist so ausgestaltet, dass eine Besteuerung der im Rahmen einer solchen Mitarbeiterbeteiligung ausgegebenen Anteile erst dann stattfindet, wenn ein Nachbesteuerungstatbestand im Sinne von § 19a IV EStG (Übertragung der Anteile, Arbeitgeberwechsel oder nach 15 Jahren) einschlägig ist beziehungsweise eintritt. Hierdurch soll die sog. Dry-Income Problematik gelöst werden, also das Problem der Besteuerung eines geldwerten Vorteils ohne tatsächlichen Liquiditätszufluss beim Mitarbeitenden. Ziel ist die Steigerung der Attraktivität der Mitarbeiter-Incentivierung durch Beteiligungserwerb.
Flankiert wird diese Attraktivitätssteigerung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen zusätzlich durch die Erhöhung des Freibetrages für Beteiligungsprogramme nach § 3 Nr. 39 EStG von 360 auf 2000 Euro p.a. durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz aus dem Jahr 2023, in welchem diese Konzernklausel ursprünglich hätte verabschiedet werden sollen.
V. Gesamthandsgemeinschaften bei privaten Veräußerungsgeschäften
Eine Änderung in § 23 I S. 4 EStG regelt (veranlasst durch ein abweichendes BFH-Urteil) und stellt nach Ansicht des Gesetzgeber klar, dass die Anschaffung und Veräußerung von Anteilen an Gesamthandsgemeinschaften (und damit insbesondere von Anteilen an Erbengemeinschaften) der Anschaffung und Veräußerung der zur Gesamthand gehörenden Wirtschaftsgüter gleichgestellt ist.
VI. Grundsteuerbemessung
In Umsetzung zweier Beschlüsse des BFH (II B 78/23/II B 79/23), wonach das Bewertungsgesetz im Hinblick auf das Übermaßverbot verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass Steuerpflichtige unter bestimmten Umständen die Möglichkeit haben müssen, einen niedrigeren Wert ihres Grundstücks als den durch eine Feststellung festgelegten Grundsteuerwert nachzuweisen, wird durch das Jahressteuergesetz 2024 mit § 220 II BewG eine neue, diese Rechtsprechung umsetzende Norm eingefügt. Hiernach können Steuerpflichtige einen niedrigeren Wert als den festgestellten Wert ihres Grundstücks nachweisen, wobei die Nachweispflicht beim Steuerpflichtigen liegt. Überschreitet der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren Wert um mindestens 40 %, so ist dieser niedrigere nachgewiesene Wert anzusetzen.
Der erforderliche Nachweis für einen niedrigeren Grundstückswert kann über ein Gutachten eines Gutachterausschusses nach §§ 192ff. BauGB oder eines Sachverständigen erbracht werden, § 220 II S. 3 BewG. Außerdem kann für den Nachweis auch ein Kaufpreis herangezogen werden, soweit dieser im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Feststellungszeitpunkt zustande gekommen ist und wenn die maßgeblichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses mit denen im Zeitpunkt der Feststellung identisch sind, § 220 II S. 4 BewG. Ein Nachweis nur einzelner niedrigerer Bewertungsgrundlagen ist jedoch nicht ausreichend. Diese Regelung gilt ab dem Tag nach der Verkündung des Jahressteuergesetz 2024 im Bundesgesetzblatt.
VII. Verlängerung des Abwicklungszeitraums für Investmentfonds
Bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetz 2024 war die steuerrechtliche Abwicklungsfrist für Investmentfonds nach § 17 I S. 4 InvStG auf fünf Jahre nach dem Kalenderjahr, in dem die Abwicklung begonnen hat, begrenzt. Diese wird nun durch die Änderung von § 17 I S. 4 InvStG verdoppelt und beträgt dann zehn Jahre nach dem Kalenderjahr des Abwicklungsbeginns.
Grundsätzlich sind Ausschüttungen an Anleger in vollem Umfang steuerpflichtig. Innerhalb dieses Abwicklungszeitraums jedoch können Kapitalrückzahlungen von Anschaffungskosten steuerneutral ausgeführt werden. Finden Auszahlungen nach Ablauf dieser Abwicklungsfrist statt, so werden sie wieder vollständig als steuerpflichtiger Ertrag behandelt.
Hintergrund der Verdoppelung der Abwicklungsfrist ist, dass diese in der Praxis nur schwer einzuhalten war. Insbesondere für Immobilienfonds stellte diese ein Problem dar, da sich ein Immobilienbestand in schwachen Marktphasen nicht schnell liquidieren lässt. Auch müssen gerade Immobilienfonds längerfristig Barreserven für mögliche Nachforderungen zurückhalten, um etwaige steuerliche oder bürgerlich-rechtliche Nachforderungen begleichen zu können, was die Liquidierung zusätzlich verzögert.
VIII. Erweiterung der Stundungsregelung bezüglich Immobilien im Erbrecht
Oftmals kann der Erbe einer Immobilie die durch die Erbschaft anfallende Erbschaftssteuer nur durch Veräußerung der geerbten Immobilie begleichen. Gerade für diesen Fall wurde die Stundungsregelung des § 28 III ErbStG geschaffen, welcher durch das Jahressteuergesetz 2024 eine Erweiterung zugunsten der Steuerpflichtigen erfahren hat.
Gemäß § 28 III ErbStG kann die durch Erbfall entstehende Steuerlast auf Antrag bis zu zehn Jahre gestundet werden, im Erbfall sogar zinslos. Nach der bisherigen Regelung konnte eine Steuerstundung nur in den Fällen gewährt werden, in denen die Immobilie entweder im Erwerbszeitpunkt zu fremden Wohnzwecken vermietet war oder bei Einfamilienhäusern und Wohnungseigentum vom Erben nach dem Erwerb selbst bewohnt wird. Der Fall, dass ein vom Erblasser selbst genutztes Haus nach dem Erbfall zu fremden Wohnzwecken vermietet wird oder dass der Erbe in eine Wohnung eines nicht nach dem WEG geteilten Mehrfamilienhaus einzieht, war von der bisherigen Stundungsregelung nicht erfasst.
Durch die Neufassung wird der Anwendungsbereich auf alle Fälle erweitert, in denen Grundeigentum zu Wohnzwecken genutzt wird, losgelöst von Grundstücksart und losgelöst davon, ob dieses zu eigenen oder fremden Wohnzwecken genutzt wird. Umfasst sind also auch die bisher nicht umfassten vorgenannten Vorgehensweisen, was eine erhebliche Entlastung vieler Steuerpflichtiger darstellt. Diese Regelung betrifft selbstverständlich auch Schenkungen, entfaltet ihre hauptsächliche Auswirkung jedoch bei Erbschaften.
IX. Aufhebung der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften
Auch im Jahressteuergesetz ist die Aufhebung einer erst vor kurzem eingefügten Norm vorgesehen, nachdem einige Bedenken an ihrer Verfassungsmäßigkeit geäußert wurden. So konnten seit dem Veranlagungszeitraum 2021 aufgrund von § 20 VI S. 5 EStG Verluste aus Termingeschäften (CFD, Optionen, Futures, etc.) oder Forderungsausfällen nur mehr mit Gewinnen aus Termingeschäften oder Einnahmen aus Stillhalteprämien verrechnet werden und auch dies nur in Höhe von bis zu 20.000 Euro. Zwar konnten nicht verrechnete Verluste in folgende Veranlagungszeiträume vorgetragen werden, dort unterlagen sie jedoch auch den Verrechnungsbeschränkungen, insbesondere der Summenbeschränkung.
Diese Verlustverrechnungsbeschränkung soll durch das Jahressteuergesetz 2024 nun wieder aufgehoben werden, womit dann Verluste aus Termingeschäften wieder unbegrenzt mit allen Gewinnen aus Kapitalerträgen zu verrechnen sind. Hierbei folgt der Gesetzgeber der enormen Kritik, unter anderem auch des BFH (Az. VIII R 11/24), an der Verfassungskonformität der Verlustverrechnungsbeschränkung im Hinblick auf den Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG.
Betroffen von dieser Gesetzesänderung sind selbstverständlich die kommenden Veranlagungszeiträume, aber auch alle noch „offenen“ Fälle. Dies sind solche bei denen aktuell ein Klage- oder Einspruchsverfahren anhängig ist oder solche bei denen der Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig ergangen ist. Auch für eine noch nicht erfolgte Veranlagung wird die neue Rechtslage berücksichtigt werden.
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