NEUFASSUNG DES BMF-SCHREIBENS ZUR DISQUOTALEN GEWINNAUSSCHÜTTUNG
Das BMF hat seine Auffassung in Bezug auf die ertragsteuerliche Behandlung disquotaler Gewinnausschüttungen an die bisherige Rechtsprechung des BFH angepasst. Demnach soll in bestimmten Fällen sogar ein satzungsdurchbrechender Beschluss für die steuerliche Anerkennung disquotaler Gewinnausschüttungen ausreichend sein. Nachfolgend wird die Thematik disquotaler Gewinnausschüttungen aus ertragsteuerlicher und schenkungsteuerlicher Sicht dargestellt. Hierbei wird insbesondere das neue BMF-Schreiben vom 4. September 2024 erörtert.
I. Allgemeines
Disquotale (alternativ: inkongruente) Gewinnausschüttungen liegen vor, wenn eine Kapitalgesellschaft den Gewinn abweichend von den Beteiligungsquoten an die Gesellschafter auskehrt. Sind beispielweise zwei Gesellschafter jeweils zu 50 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, und erhält einer der Gesellschafter bei einer Gewinnausschüttung weniger oder mehr als 50 %, so liegt eine disquotale Gewinnausschüttung vor. Das Instrument der disquotalen Gewinnausschüttung wird regelmäßig dazu verwendet, um einzelne Gesellschafter, welche sich verstärkt in die Kapitalgesellschaft einbringen, zu entlohnen (besonderes Engagement zugunsten der Gesellschaft).
Die disquotale Gewinnausschüttung ist gesellschaftsrechtlich grundsätzlich ohne Einschränkungen zulässig. Die steuerliche Anerkennung ist hingegen an einige Voraussetzungen geknüpft. Zudem sind hierbei schenkungsteuerliche Aspekte im Blick zu behalten.
II. Voraussetzungen für die ertragsteuerliche Anerkennung
Nach Auffassung des BMF (Schreiben vom 4. September 2024) sind inkongruente Gewinnausschüttungen grundsätzlich anzuerkennen, sofern diese zivilrechtlich wirksam vereinbart worden sind. Dies ist insbesondere in den nachfolgend aufgeführten Ausgestaltungen der Fall. Hierbei ist zwischen der Rechtsform der GmbH und der Aktiengesellschaft (AG) zu differenzieren.
1. GmbH
a) Gesellschaftsvertragliche Regelung
Liegt eine Regelung im Gesellschaftsvertrag vor, wonach eine inkongruente Gewinnausschüttung möglich ist, ist dies auch steuerrechtlich anzuerkennen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Ausschüttung auch dem im Gesellschaftsvertrag festgelegten, vom Beteiligungsverhältnis abweichenden, Verteilungsschlüssel entspricht.
Eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrags unter Aufnahme einer solchen Klausel ist ebenfalls möglich, erfordert allerdings die Zustimmung der hierdurch beeinträchtigten Gesellschafter.
Alternativ zu einer Klausel, die bereits eine konkrete Disquotalität der Ausschüttungen festlegt, ist auch eine Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag möglich. Diese Öffnungsklausel muss vorsehen, dass eine inkongruente Gewinnausschüttung per Gesellschafterbeschluss angeordnet wird. Wird der Gesellschafterbeschluss infolgedessen mit der ggf. in der Öffnungsklausel bestimmten notwendigen Mehrheit sowie der Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter gefasst, ist die inkongruente Gewinnausschüttung auch ertragsteuerlich zu berücksichtigen.
b) Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss
In den Fällen sog. punktuell satzungsdurchbrechender Beschlüsse ist nach Auffassung des BFH eine inkongruente Gewinnausschüttung steuerlich zulässig. Dem stand die bisherige Verwaltungsauffassung entgegen. Diese wurde allerdings im o.g. aktualisierten BMF-Schreiben an die BFH-Rechtsprechung angepasst. Somit wird die inkongruente Gewinnausschüttung auf Grundlage eines punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlusses nun auch seitens der Finanzverwaltung anerkannt.
Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss liegt vor, wenn sich dessen Wirkung in der Einzelmaßnahme erschöpft, d.h. die Satzung wird hierdurch zwar verletzt, indes nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert. Wird der punktuell satzungsdurchbrechende Beschluss einstimmig gefasst und ist nicht anfechtbar, ist dieser auch für Besteuerungszwecke maßgebend. Dies gilt dann nicht, wenn der Beschluss Dauerwirkung entfaltet (unabhängig vom Zeitraum der Dauer) und insoweit nicht mehr nur „punktuell“ wirkt.
c) Gespaltene Gewinnverwendung
Ein Beschluss, wonach der auf den Mehrheitsgesellschafter entfallende Gewinn in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, während der auf die übrigen Gesellschafter entfallende Gewinnanteil ausgeschüttet wird, ist steuerlich ebenfalls anzuerkennen. Eine Inkongruenz kann sich mithin auch dann ergeben, wenn nicht der gesamte Gewinn, sondern nur ein Teil hiervon ausgekehrt wird. Ein (fiktiver) Zufluss von Kapitalerträgen beim Mehrheitsgesellschafter ist hierbei nicht anzunehmen.
2. Aktiengesellschaft
Bei der AG werden inkongruente Gewinnausschüttungen steuerlich nur sehr eingeschränkt anerkannt. Die Disquotalität ist der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn in der Satzung ein konkreter, vom Beteiligungsverhältnis abweichender Verteilungsschlüssel fixiert wurde und die Gewinnausschüttung diesem Verteilungsschlüssel entspricht. Die anderweitigen, bei der GmbH zulässigen Möglichkeiten wie die Öffnungsklausel oder der punktuell satzungsdurchbrechende Beschluss bleiben steuerlich unbeachtlich.
III. Schenkungsteuerliche Aspekte
Die inkongruente Gewinnausschüttung kann auch schenkungsteuerliche Konsequenzen haben. Beispielsweise kann bei Familienunternehmen eine gesellschaftsvertragliche Klausel in Bezug auf inkongruente Gewinnausschüttungen vorliegen, wonach die an der Kapitalgesellschaft beteiligten Kinder einen überproportional hohen Gewinnanteil erhalten. Ertragsteuerlich wäre dies unter den o.g. Voraussetzungen anzuerkennen. Sofern der im Verhältnis zur Beteiligungsquote zu hohe Gewinnanteil nicht deshalb erfolgt, um bestimmte Leistungen der Kinder im Zusammenhang mit der Gesellschaft abzugelten, ist eine Schenkung anzunehmen. Erfolgt die inkongruente Gewinnausschüttung mithin nicht leistungsbezogen, erfüllt dies einen schenkungsteuerlichen Tatbestand. Als Schenker fungieren in diesem Fall diejenigen Gesellschafter, zulasten derer die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Gewinnverteilungsabrede besteht.
Bei disquotalen Gewinnausschüttungen sind somit stets auch die schenkungsteuerlichen Folgen zu berücksichtigen. Um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang zu vermeiden sollte daher dem im Verhältnis zur Beteiligungsquote höheren Gewinnanteil ein entsprechendes Engagement bzw. ein „Mehr“ an Leistung des begünstigten Gesellschafters gegenübersteht.
IV. Fazit
Disquotale Gewinnausschüttungen sind unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich anzuerkennen. Insbesondere bei der GmbH bestehen hierbei diverse Gestaltungsmöglichkeiten, wohingegen bei der AG die Ausgestaltung nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Neben den ertragsteuerlichen Konsequenzen sind die schenkungsteuerlichen Risiken zu berücksichtigen. Denn nicht leistungsbezogene inkongruente Gewinnausschüttungen führen regelmäßig zu einem Schenkungsteuertatbestand. Um dies zu vermeiden, sollte die Höhe der Inkongruenz und die dieser gegenüberstehende Leistung genau abgestimmt werden.
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