ALLES UNKLAR – BGH-ENTSCHEIDUNG ZUR SCHIEDSFÄHIGKEIT VON BESCHLUSSMÄNGELSTREITIGKEITEN IN PERSONENGESELLSCHAFTEN
Streiten Gesellschafter über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, besteht oft ein Interesse an einer schnellen und vor allem geräuschlosen Klärung außerhalb des ordentlichen Rechtswegs. Die Besonderheiten des deutschen Gesellschaftsrechts machten gesellschaftsvertragliche Schiedsvereinbarungen für Beschlussmängelstreitigkeiten bisher schwierig, vor allem bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH, aber auch bei Personengesellschaften wie der KG und der GmbH & Co. KG. Der BGH hat nun in einer aktuellen Entscheidung seine bisher zur GmbH entwickelten Grundsätze auch auf Personengesellschaften übertragen.
I. Ausgangspunkt
Die Anziehungskraft der Personengesellschaft als Rechtsform für eine Vielzahl wirtschaftlicher Aktivitäten ist ungebrochen. Viele Familiengesellschaften sind als Kommanditgesellschaften (KG) organisiert, und auch für Berufsausübungsgemeinschaften von Freiberuflern sind nach wie vor Personengesellschaften die ganz überwiegend gewählte Rechtsform. Kommt es zum Streit zwischen den Gesellschaftern, können die Öffentlichkeitswirkungen des ordentlichen Gerichtsverfahrens und dessen voraussichtliche Dauer – eine zweite Instanz steht bis zur rechtskräftigen Entscheidung immer offen, unter Umständen sogar eine dritte – dem opponierenden Gesellschafter ein verfahrensrechtliches Drohpotential liefern, welches die Überzeugungskraft seiner materiell-rechtlichen Argumente mitunter deutlich übersteigt. Die Entscheidung von Beschlussmängelstreitigkeiten durch ein privates Schiedsgericht kann genau diese Nebeneffekte des ordentlichen Gerichtsverfahrens vermeiden. Schiedsverfahren sind grundsätzlich nicht öffentlich. Das Schiedsgericht entscheidet grundsätzlich final und endgültig. Eine Berufungsmöglichkeit gegen den Schiedsspruch ist nicht vorgesehen. Dass Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften gleichwohl relativ selten Schiedsvereinbarungen für Beschlussmängelstreitigkeiten vorsehen, dürfte auch an nach wie vor nicht unerheblichen verfahrensrechtlichen Unsicherheiten liegen.
II. Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten – Schiedsfähigkeit I und II
Die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten im Gesellschaftsrecht wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Der BGH hatte bisher in zwei Grundsatzentscheidungen aus den Jahren 1996 (“Schiedsfähigkeit I”) und 2009 (“Schiedsfähigkeit II”) zu dieser Frage Stellung genommen, allerdings jeweils zu Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH. In der Entscheidung Schiedsfähigkeit I überwogen noch die Bedenken des Gerichts, insbesondere weil es im Schiedsverfahrensrecht an einer §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG vergleichbaren Regelung fehle. Nach diesen aktienrechtlichen Vorschriften, die im GmbH-Recht entsprechend gelten, wirkt das gerichtliche Urteil für und gegen alle (erga omnes), d.h. auch für und gegen die Gesellschafter, die am Verfahren nicht beteiligt waren. Zudem sah der BGH die Gefahr sich widersprechender Schiedssprüche bezüglich desselben Gesellschafterbeschlusses, solange nicht entsprechend §§ 246 Abs. 3 Satz 6, 249 Abs. 2 AktG sichergestellt sei, dass mehrere Verfahren gemeinsam und einheitlich entschieden würden.
In der Entscheidung Schiedsfähigkeit II entwickelte der BGH seine Rechtsprechung fort und erkannte erstmals grundsätzlich die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH an. Er schlosss sich dabei der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung an, wonach die erforderliche erga-omnes-Wirkung des Schiedsspruchs auch durch eine entsprechende Ausgestaltung der gesellschaftsvertraglichen Schiedsvereinbarung erreicht werden kann. Die konkrete Schiedsvereinbarung müsse für sämtliche ihr unterworfenen Gesellschafter eine dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte vergleichbare Ausgestaltung des schiedsrichterlichen Verfahrens gewährleisten. Dafür stellte der BGH vier Voraussetzungen auf:
- Alle Gesellschafter müssten der Schiedsvereinbarung zugestimmt haben;
- Alle Gesellschafter müssten die Möglichkeit haben, sich am Schiedsverfahren zu beteiligen;
- Allen Gesellschaftern müsse die Mitwirkung am Verfahren der Schiedsrichterbestellung ermöglicht werden;
- Parallele Verfahren über die Wirksamkeit desselben Gesellschafterbeschlusses müssten ausgeschlossen und ggf. bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.
III. Aller guten Dinge sind… – Schiedsfähigkeit III?
Mit seiner Entscheidung vom 6. April 2017 (“Schiedsfähigkeit III”) erklärte der BGH die für die GmbH entwickelten Anforderungen grundsätzlich auch auf Schiedsvereinbarungen in Personengesellschaften für anwendbar. Dies ist zunächst zu begrüßen, da nun auch bei Personengesellschaften zumindest im Grundsatz die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten höchstgerichtlich anerkannt ist. Im Übrigen aber gibt der BGH der Praxis Rätsel auf, denn er schränkt die zunächst postulierte Anwendbarkeit der in der Entscheidung Schiedsfähigkeit II herausgearbeiteten Grundsätze auf Personengesellschaften im gleichen Atemzug wieder ein. Diese Grundsätze sollen für Personengesellschaften nämlich nur gelten, “sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten seien.”
Im Schrifttum ging man bisher ganz überwiegend davon aus, dass die grundlegenden Unterschiede des Beschlussmängelrechts im Personengesellschaftsrecht der Anwendbarkeit der Grundsätze der Entscheidung Schiedsfähigkeit II entgegenstehen. Im Personengesellschaftsrecht gibt es die von §§ 248, 249 AktG angeordnete erga-omnes-Wirkung des gerichtlichen Urteils nicht. Die Beschlussmängelklage bei Personengesellschaften ist als allgemeine Feststellungsklage grundsätzlich gegen die der Auffassung des Klägers entgegentretenden Gesellschafter zu richten, nicht – wie bei der GmbH – gegen die Gesellschaft. Das Feststellungsurteil des Gerichts wirkt nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits, also zwischen den streitenden Gesellschaftern. Eine gesetzliche Erstreckung der Urteilswirkungen auf Gesellschafter, die am Verfahren nicht beteiligt waren, ist im Personengesellschaftsrecht nicht vorgesehen. Anders als bei der GmbH bestanden im Schrifttum daher bisher keine grundlegenden Bedenken gegen die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften. Die Schwierigkeiten lagen insoweit eher in der Komplexität und Fehleranfälligkeit von Mehrparteienschiedsverfahren und entsprechender Schiedsvereinbarungen, insbesondere bei der Konstituierung des Schiedsgerichts. Wie die Ausführungen des BGH in der Entscheidung Schiedsfähigkeit III vor diesem Hintergrund einzuordnen sind, bleibt unklar, zumal das Gericht seinen Ansatz nicht weiter erläutert.
IV. Was ändert sich für die Praxis durch die Entscheidung Schiedsfähigkeit III?
Die Entscheidung des BGH bietet Anlass, bereits bestehende Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften kritisch zu überprüfen, insbesondere bezüglich der Bestimmungen zur Bildung des Schiedsgerichts. Ob darüber hinaus nach der Entscheidung Schiedsfähigkeit III nun immer die Mitwirkungsmöglichkeit auch der Gesellschafter sicherzustellen ist, die nicht Beteiligte des Verfahrens sind, oder ob die fehlende erga-omnes-Wirkung des Urteils insoweit eine Besonderheit der Personengesellschaft ist, welche der Anwendbarkeit der Grundsätze der Entscheidung Schiedsfähigkeit II entgegensteht, bleibt abzuwarten. Für neu abzuschließende Schiedsvereinbarungen dürfte es sich anbieten, das gesetzliche Klagesystem gegen Gesellschafterbeschlüsse von vorneherein vertraglich zu modifizieren und entsprechend den GmbH-gesetzlichen Vorschriften auszugestalten. Insbesondere wäre also vorzusehen, dass Klagen gegen die Gesellschaft zu richten sind und nicht gegen die Gesellschafter. Für die weitere Ausgestaltung des Schiedsverfahrens kann dann im Gesellschaftsvertrag Bezug genommen werden auf die von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) im Jahr 2009 als Reaktion auf die Entscheidung Schiedsfähigkeit II entwickelten “Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten”, die sich zwischenzeitlich in der Praxis etablieren konnten. Solange der BGH nichts Klärendes zur Entscheidung Schiedsfähigkeit III folgen lässt, scheint dies im Moment der sicherste Weg zu wirksamen Schiedsvereinbarungen für Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften zu sein.
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