BEGINN DER VERJÄHRUNGSFRIST VON ANSPRÜCHEN DES ARBEITGEBERS AUFGRUND EINES WETTBEWERBSVERSTOßES NACH § 60 ABS. 1 HGB
Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat mit Urteil vom 24. Februar 2021 – 10 AZR 8/19 – entschieden, dass die Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB bei wettbewerbswidrigem Verhalten des Arbeitnehmers bereits mit Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Arbeitsgebers von einem Internetaufrtitt des Arbeitnehmers beginnt. Die Entscheidung stellt den Arbeitgeber vor neue Herausforderungen.
I. Einleitung
Nach § 60 Abs. 1 HGB darf ein Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Dieses gesetzliche Wettbewerbsverbot gilt auch für alle anderen Arbeitnehmer für die gesamte rechtliche Dauer ihres Arbeitsverhältnisses.
Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot hat zur Folge, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach § 61 Abs. 1 HGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann oder verlangen kann, dass der Arbeitnehmer die aus den Geschäften bezogene Vergütung herausgibt. Daneben kann der Arbeitgeber Auskunft über die von dem Arbeitnehmer abgeschlossenen Geschäfte verlangen oder ihn auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Zudem werden Wettbewerbsverstöße des Arbeitnehmers während des laufenden Arbeitsverhältnisses als so gravierend eingestuft, dass sie regelmäßig ohne vorherige Abmahnung einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung im Sinne des § 626 BGB darstellen.
Zu beachten ist allerdings, dass Ansprüche auf Schadenersatz oder Herausgabe der Vergütung der kurzen Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB unterliegen. Danach verjähren solche Ansprüche des Arbeitgebers in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem er Kenntnis von dem Abschluss eines Wettbewerbsgeschäfts erlangt hat bzw. erlangen musste. Das BAG hat nunmehr in dem genannten Urteil entschieden, dass die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB unabhängig von dem Abschluss eines einzelnen Handelsgeschäfts auch dann beginnt, wenn der Arbeitgeber Kenntnis erlangt hat oder erlangen musste, dass der Arbeitnehmer ein konkurrierendes Handelsgewerbe betreibt, insbesondere weil er eine Internetpräsenz unterhält.
II. Zum Sachverhalt
Der beklagte Arbeitnehmer war langjährig bei der klagenden Arbeitgeberin beschäftigt, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Bandagen und Bremsleder für den Industriebedarf befasste. Im Sommer 2010 gründete er eine GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer er war. Im Handelsregister war als Gegenstand des Unternehmens der “Handel mit technischen Lederartikeln“ eingetragen. Der Arbeitnehmer nahm im Anschluss Wettbewerbshandlungen vor, indem er beispielsweise die Lieferung von Bandagen über die GmbH abrechnete, obwohl es sich um Aufträge der Arbeitgeberin handelte. Im Juni 2013 überprüfte ein von der Arbeitgeberin beauftragter Wirtschaftsprüfer den Sachverhalt und stieß dabei auf die die Internetseite der GmbH. Auf Nachfrage der Arbeitgeberin erklärte der Arbeitnehmer, dass die GmbH gegenwärtig nur Schmuck vertreibe. Die Arbeitgeberin ging demzufolge davon aus, dass der Arbeitnehmer keine konkurrierende Tätigkeit ausübe. Erst im September 2013 erfuhr die Arbeitgeberin im Rahmen eines Telefonats von einem ihrer Kunden, dass der Beklagte Wettbewerb betreibt. Sie machte mit Klage vom November 2013 einen Anspruch auf Auskunft und Schadensersatz wegen eines Wettbewerbsverstoßes gegenüber dem Arbeitnehmer geltend. Im Prozess wandte der Arbeitnehmer Verjährung ein, weil die GmbH bereits seit Juli 2012 auf ihrer Internetseite für konkurrierende Produkte geworben habe.
III. Entscheidungsgründe
Das BAG hat die Revision gegen ein die Ansprüche der Arbeitgeberin abweisendes Urteil als unbegründet abgewiesen. Die von der Arbeitgeberin im Wege der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz seien zwar aufgrund wettbewerbswidriger Handlungen des Arbeitnehmers im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB dem Grunde nach entstanden. Ihnen stehe jedoch die von dem Arbeitnehmer erhobene Einrede der Verjährung nach § 61 Abs. 2 HGB entgegen. Für den Beginn der Verjährung sei nicht allein die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Arbeitgebers vom Abschluss eines konkreten Geschäfts des Arbeitnehmers maßgeblich. Vielmehr sei die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass auch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Betrieb eines konkurrierenden Handelsgewerbes genügt. Hierfür spreche insbesondere, dass die dreimonatige Verjährungsfrist sicherstellen soll, Ansprüche des Arbeitgebers aus einem Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot rasch zu bereinigen.
Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Beginn der kurzen Verjährung war nach Auffassung des BAG neben dem Handelsregisterauszug die Internetseite der GmbH. Diese sei jedenfalls seit Juni 2013 öffentlich zugänglich gewesen, sodass spätestens Ende Juni 2013 eine grob fahrlässige Unkenntnis vom Betrieb eines konkurrierenden Handelsgewerbes bei der Arbeitgeberin vorgelegen habe. Dem könne die Arbeitgeberin nicht entgegenhalten, dass der Internetauftritt eine erlaubte Vorbereitungshandlung darstelle. Zwar dürfe der Arbeitnehmer schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten. Im Falle einer Internetpräsenz sei daher der bloße Erwerb und Aufbau einer Webseite als erlaubte Vorbereitungshandlung einzustufen, sofern die Internetdomain noch nicht öffentlich zugänglich sei. Die Schwelle einer erlaubten Vorbereitungshandlung sei aber überschritten, wenn der Arbeitnehmer wie im vorliegenden Fall eine nach außen wirkende, werbende Tätigkeit ausübt. Dies sei gegeben, wenn die Webseite von jedermann besucht werden kann und auf ihr Produkte beworben werden, die zum Portfolio des Konkurrenzunternehmens gehören. Die Internetpräsenz sei dann als Betrieb eines Handelsgewerbes im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB einzustufen. Die Verjährungsfrist habe daher Ende Juni 2013 zu laufen begonnen und die im Dezember 2013 zugestellte Auskunftsklage habe die bereits abgelaufene Verjährungsfrist nicht mehr hemmen können.
IV. Praxishinweise
Die mit drei Monaten überraschend kurze Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB erweist sich schon immer als Gefahr für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Wettbewerbsverstößen von Arbeitnehmern. Das Urteil des 10. Senats hat diese Situation zusätzlich verschärft. Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass der Arbeitgeber gegen den Eintritt der Verjährung seiner Ansprüche durch die Möglichkeit einer Stufenklage auf Auskunft und Schadenersatz hinreichend geschützt sei. In der Praxis wird für einen Arbeitgeber, dem Anhaltspunkte für einen Wettbewerbsverstoß seines Arbeitnehmers vorliegen, regelmäßig die Sanktionierung durch eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Vordergrund stehen. Die notwendigen Kenntnisse über das Vorliegen ausreichender Kündigungsgründe kann sich der Arbeitgeber aber in der Regel nicht oder jedenfalls nicht rechtzeitig über eine Auskunftsklage verschaffen. Durch die Entscheidung, dass bereits eine bloße Internetpräsenz genügen kann, um den Betrieb eines konkurrierenden Handelsgewerbes im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB zu begründen und damit die kurze Verjährungsfrist für Ansprüche des Arbeitgebers in Lauf zu setzen, wird die Möglichkeit des Arbeitgebers, bei einem Wettbewerbsverstoß gegen den Arbeitnehmer vorzugehen, weiter eingeschränkt. Denn der Arbeitgeber wird häufig zögern, Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, solange unklar ist, ob überhaupt eine gewichtige Konkurrenztätigkeit vorliegt bzw. ihm hieraus ein erheblicher Schaden entstanden ist. Wenn er die erforderlichen Erkenntnisse schließlich mit ausreichender Sicherheit ermittelt hat, wird er sich nach der Rechtsprechung des BAG häufig die Verjährungseinrede seines Arbeitnehmers entgegenhalten lassen müssen.
Arbeitgebern ist deshalb zu raten, bei Anhaltspunkten für eine verbotene Wettbewerbstätigkeit eines Arbeitnehmers frühestmöglich tätig zu werden und die kurze Verjährung des § 61 Abs. 2 HGB z.B. durch Erhebung einer Stufenklage auf Auskunft und Schadenersatz zu hemmen.
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