COMPLIANCE-KLAUSELN IN DER LIEFERKETTE
Compliance-Klauseln sind heute fester Bestandteil vieler (Rahmen-)Lieferverträge zwischen Unternehmen. Bei Einführung in die Vertragsverhandlungen sind die Klauseln häufig extrem einseitig ausgestaltet und bergen hohe Risiken für den Klauseladressaten. Der nachfolgende Beitrag zeigt Ansatzpunkte und Argumente auf, mit denen eine sachgerechte Einschränkung einer Compliance-Klausel erreicht werden kann.
I. Herausforderung für den Klauseladressaten
Wem heute der Entwurf eines (Rahmen-)Liefervertrags zwischen Unternehmen vorgelegt wird, der wird darin mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Compliance-Klausel finden. Ihr zentraler Inhalt ist die Verpflichtung bzw. Zusicherung, dass der Klauseladressat seine Geschäfte in Übereinstimmung mit allen anwendbaren Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Rechtsvorschriften führt, vielfach erweitert auf die Einhaltung von Verhaltenskodizes und Richtlinien des Klauselverwenders und flankiert durch Kontrollrechte, die eine Nachprüfung der Regelbefolgung erlauben sollen. Typische Rechtsfolge bei Verstößen ist ein außerordentliches Recht zur fristlosen Kündigung des (Rahmen-)Liefervertrags, hinzukommen häufig Schadensersatz- bzw. Freistellungsansprüche.
Gerade im internationalen Kontext sind Compliance-Klauseln heute fester Bestandteil der meisten Vertragsmuster. Nicht selten sind sie sogar explizit mit dem Hinweis „non-negotiable“ verbunden. In jedem Fall haben sie seit einiger Zeit eine Bedeutung erlangt, dass man ihnen nicht mehr mit einem schlichten „Hatten wir nie, brauchen wir nicht“ begegnen kann. Von einer solchen Haltung wäre auch deshalb dringend abzuraten, weil Compliance-Klauseln vor dem Hintergrund der heute herrschenden Compliance-Anforderungen einen nicht bestreitbaren legitimen Kern haben. Gleichzeitig bergen sie für Klauseladressaten aber auch große Risiken, weil je nach Ausgestaltung der Klausel jeder objektive Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder vom Klauselverwender darüber hinaus aufgestellte Verhaltensgebote, unabhängig von Kenntnis und Verschulden, ausreichen kann, dass Kündigungsrechte oder Vertragsstrafen ausgelöst werden. Aus der Perspektive eines Klauseladressaten kommt es deshalb darauf an, eine sachlich angemessene, zumutbare und für beide Seiten faire Ausgestaltung der vertraglichen Verpflichtungen sicherzustellen. Einige Ansatzpunkte dafür sollen im Folgenden vorgestellt werden.
II. Ausgewählte Ansatzpunkte zur Begrenzung einer Compliance-Klausel
1. Gleiche Verpflichtungen für beide Seiten
Aus Perspektive des Klauseladressaten bietet es sich zunächst an, gleiche Verpflichtungen für beide Seiten einzufordern. Die Begründung fällt nicht schwer: Genauso wie der Klauselverwender hat auch der Klauseladressat ein berechtigtes Interesse daran, sicherzustellen, dass seine Vertragspartner sich regelkonform verhalten. Die Pflicht, sich an Recht und Gesetz zu halten, gilt ohnehin für beide Seiten gleichermaßen. Die Verständigung auf eine reziproke Ausgestaltung der Compliance-Klausel erhöht in aller Regel zugleich die Bereitschaft zu sachlichen Einschränkungen der Compliance-Klausel auf Seiten des Klauselverwenders, weil er von allen Regelungen nun auch selbst betroffen ist.
2. Einschränkung der einzuhaltenden Regelwerke
Ein wichtiger weiterer Ansatzpunkt besteht in der Begrenzung der Reichweite der Compliance-Klausel, d.h. derjenigen Rechtsvorschriften und sonstigen Bestimmungen, deren Einhaltung in der Compliance-Klausel garantiert wird. Der Klauseladressat sollte vor allem zum Ziel haben zu vermeiden, dass er sich zur Einhaltung von Regelwerken verpflichtet, die auf ihn ansonsten keine Anwendung finden würden. Das gilt insbesondere für ausländische Gesetze, Leitlinien internationaler Organisationen („soft law“) sowie für Verhaltenskodizes und sonstige Regelwerke des Klauselverwenders. Auch diese Position lässt sich gut begründen:
- Der Klauseladressat ist mit den fremden Regelwerken nicht vertraut, die Risiken eines Verstoßes sind für ihn daher unüberschaubar.
- Die Durchsetzung fremder Rechtsregeln oder sonstiger fremder Regelwerke im Unternehmen kann mitbestimmungsrechtlich problematisch sein und ggf. vom Betriebsrat blockiert werden. Außerdem ergeben sich Folgefragen, zum Beispiel, wer die Schulungen übernimmt, die für eine wirksame Implementierung neuer Regelwerke erforderlich sind. Der Gedanke liegt nahe, dass der Klauselverwender dies tun muss, wenn die Regelwerke von ihm kommen und der Klauseladressat sie nur auf seinen Wunsch hin übernimmt.
- Anerkanntermaßen hat jedes Unternehmen Gestaltungsspielraum hinsichtlich des „Wie“ seiner Compliance-Organisation, um bei sich diejenigen Compliance-Strukturen zu schaffen, die seinem Risikoprofil entsprechen und nach Maßgabe der intern zuständigen Entscheidungsträger sachgerecht und angemessen sind. Die Unterwerfung unter fremde Regelwerke unterminiert dieses Gestaltungsermessen und bedeutet eine weitreichende Einschränkung der Organisationshoheit des Klauseladressaten.
Soweit der Klauseladressat selbst über einen Verhaltenskodex verfügt, kommt noch eine weitere Strategie in Betracht, mit der unter Umständen zumindest die Verpflichtung auf einen fremden Verhaltenskodex abgewendet werden kann: Der Klauseladressat kann unter Hinweis auf den eigenen Verhaltenskodex vorschlagen, dass beide Seiten ihre jeweiligen Kodizes als im Wesentlichen gleichwertig anerkennen und auf die Durchsetzung des eigenen Kodex verzichten. Diese Anerkennung kann formlos erfolgen durch Austausch der Kodizes, ohne dass dies Gegenstand des Liefervertrags wird. Allerdings besteht dann im Verhältnis der Parteien untereinander auch keine Verpflichtung zur Kodex-Einhaltung, weder bezüglich des eigenen noch bezüglich des fremden Kodex. Ist dies nicht gewünscht oder nicht durchsetzbar, kann als Alternative eine Anerkennungsvereinbarung geschlossen werden, deren Kernbestandteil darin besteht, dass die Parteien sich verpflichten, (nur) den jeweils eigenen Kodex einzuhalten. Verstöße gegen den eigenen Kodex wären dann zugleich eine Verletzung des Liefervertrags mit den entsprechenden gesetzlichen und/oder vertraglich vereinbarten Rechtsfolgen. Der Gedanke der wechselseitigen Anerkennung von Verhaltenskodizes ist namentlich vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) als faire Kompromisslösung entwickelt worden (siehe https://bdi.eu/artikel/news/bdi-modell-zur-anerkennung-fremder-lieferantenkodizes/). Er hat sich in der Unternehmenspraxis bereits bewährt.
3. Reichweite in zeitlicher Hinsicht
Außerdem ist auf die Reichweite in zeitlicher Hinsicht zu achten, die mitunter leicht überlesen werden kann. Für die Risikoexposition des Klauseladressaten macht es einen großen Unterschied, ob sich die Compliance-Klausel nur auf gegenwärtige und zukünftige Geschäftsaktivitäten bezieht oder auch zurückliegende Geschäftsaktivitäten erfasst. Insbesondere bei einer vergangenheitsbezogenen Ausgestaltung ist Vorsicht geboten und jedenfalls eine Begrenzung auf nicht mehr als die vergangenen fünf Jahre anzustreben.
4. Einschränkung von Auditierungs-/Überprüfungsrechten
Des Weiteren sollten Klauseladressaten ihr Augenmerk auf die Kontrollrechte legen, die dem Klauselverwender erlauben, die Einhaltung der vereinbarten Regelwerke nachzuprüfen. Sie sind vielfach sehr umfassend und weitgehend. Sinnvolle Begrenzungen lassen sich u.a. wie folgt erreichen:
- nur anlassbezogenes Kontrollrecht bei konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten für nicht unerhebliche Regelverstöße;
- keine Befugnis des Vertragspartners zur Vornahme von Untersuchungshandlungen im Unternehmen, sondern Kontrollrecht nur in Form eines Rechts auf Auskunft und ggf. Vorlage von Dokumenten;
- Kontrollrecht nur unter dem Vorbehalt der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Klauseladressaten und unter Beachtung der Rechte der Mitarbeiter und der Vorgaben des Datenschutzes, ggf. unter Verweisung an einen unabhängigen, schweigepflichtigen Dritten zur Auswertung der Informationen in Verdachtsfällen, damit sensible Daten nicht in die Hände des Klauselverwenders gelangen.
5. Weitere Stellschrauben
Natürlich gibt es noch eine Reihe weiterer „Stellschrauben“ zur Einschränkung der Compliance-Klausel, zum Beispiel:
- Kenntnisqualifikationen, wie aus Garantiebestimmungen in Unternehmenskaufverträgen bekannt: Die Zusicherung zum Compliance-Status ist dann darauf beschränkt, dass die Geschäfte „nach Kenntnis der Geschäftsleitung“ in Übereinstimmung mit den vereinbarten Regelwerken geführt werden;
- Wesentlichkeitsvorbehalte, so dass im Rahmen der Compliance-Klausel nur nicht unerhebliche/wesentliche Verstöße relevant sind;
- Einschränkungen der Rechtsfolgen eines Regelverstoßes, insbesondere durch den Ausschluss von Vertragsstrafen und Begrenzung von Schadensersatz- und Freistellungsansprüchen.
III. Fazit
Klauseladressaten steht ein breites Spektrum an Instrumenten und Argumenten zur Verfügung, um auf eine Begrenzung von Compliance-Klauseln hinzuwirken. Von den Möglichkeiten sollte Gebrauch gemacht werden, allerdings mit Umsicht und sorgfältiger Begründung der eigenen Position. Denn niemand möchte den Eindruck erwecken, nicht bereit oder imstande zu sein, sich rechtskonform zu verhalten.
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