DAUERBRENNER: HOLDINGGESELLSCHAFTEN UND VORSTEUERABZUG
Kaum ein Thema wird derzeit in steuerlichen Betriebsprüfungen so intensiv betrachtet, wie die Vorsteuerabzugsberechtigung bei Holdinggesellschaften. Was es hierbei zu beachten gilt und welche Gestaltungsmöglichkeiten sich für die betroffenen Unternehmen u.U. ergeben, stellt der nachfolgende Beitrag dar.
I. Problemstellung
Vorsteuerabzugsberechtigt sind dem Grunde nach nur Unternehmer, die Leistungen für ihr Unternehmen beziehen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist als Unternehmer anzusehen, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Als gewerblich oder beruflich definiert § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Zu beachten ist, dass entgegen dem vorstehenden Gesetzeswortlaut jedoch nicht „jede“ Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen für die Begründung der Unternehmereigenschaft ausreicht. Vielmehr müssen die vom Unternehmer erzielten Einnahmen umsatzsteuerliches Entgelt für einen Leistungsaustausch darstellen, was bei Holdinggesellschaften nach Ansicht der Rechtsprechung regelmäßig nicht ohne weiteres der Fall ist.
Sowohl der EuGH als auch der BFH haben sich in den Jahren 2015 und 2016 mit der Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung von Holdinggesellschaften intensiv auseinander gesetzt. Es ist daher in der Praxis vermehrt zu beobachten, dass Betriebsprüfer diesen Bereich intensiv beleuchten. Dies kann für betroffene Unternehmen weitreichende finanzielle Folgen haben, zumindest dann, wenn der schon in Anspruch genommene Vorsteuerabzug nachträglich ganz oder teilweise versagt wird. Ziel dieses Beitrags ist es, einerseits das Problembewusstsein für diese Thematik bei Holdinggesellschaften zu schärfen und andererseits mögliche Wege aufzuzeigen, mit denen Betriebsprüfungsrisiken minimiert werden können.
II. Rechtsprechung des EuGH zur Beteiligungsverwaltung
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft und damit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft ist die Rechtsprechung des EuGH. Danach stellt das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen grundsätzlich keine unternehmerische Tätigkeit dar. Begründet wird dies damit, dass zwar durch die Beteiligung an Kapital- oder Personengesellschaften eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, Dividenden und andere Gewinnbeteiligungen jedoch nicht als umsatzsteuerliches Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches qualifiziert werden können.
Der EuGH spricht Holdinggesellschaften jedoch nicht generell die Unternehmereigenschaft ab. Vielmehr ist er der Ansicht, dass solche Gesellschaften auch im Rahmen ihrer Beteiligungsverwaltung unternehmerisch tätig werden können, wenn sie (i) entweder unbeschadet ihrer Rechte als Aktionär oder Gesellschafter mittelbar oder unmittelbar in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften eingreifen oder (ii) wenn die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften nicht um ihrer selbst willen gehalten werden, sondern der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Betätigung dienen. Eingriffe in die Verwaltung der Tochtergesellschaften setzen unternehmerische Leistungen i.S.d. Umsatzsteuergesetzes voraus und können bspw. in administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen bestehen. Von einer Förderung der unternehmerischen Betätigung ist z.B. auszugehen, wenn durch die Beteiligung u.a. günstige Einkaufs- oder Absatzkonditionen gesichert werden sollen oder hierdurch ein Einfluss auf potentielle Konkurrenten verschafft wird.
Obwohl diese Rechtsprechung des EuGH in der Literatur z.T. auf heftige Kritik gestoßen ist, wurde sie von den nationalen Gerichten und der deutschen Finanzverwaltung vollumfänglich übernommen. Folglich werden im Umsatzsteuerrecht verschiedene Holdingtypen mit unterschiedlicher Vorsteuerabzugsberechtigung unterschieden.
III. Holdingtypen im Umsatzsteuerrecht
Beschränkt sich der Zweck einer Holding ausschließlich auf das Erwerben, Halten und Veräußern von Beteiligungen, ist von einer sog. Finanzholding auszugehen. Diese ist, wie vorstehend erläutert, nicht als Unternehmerin einzustufen mit der Folge, dass die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften dem nichtunternehmerischen Bereich der Holding zugeordnet werden müssen und dieser bezogen auf die Beteiligungsverwaltung kein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen zusteht.
Greift eine Holding hingegen bei sämtlichen Tochtergesellschaften in die Verwaltung ein, d.h. werden umsatzsteuerpflichtige Leistungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ausgetauscht, ist die Holding als sog. Führungs- oder Funktionsholding zu qualifizieren. Die Rechtsprechung erkennt die Führungs- oder Funktionsholding als Unternehmerin an, was dazu führt, dass die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften dem unternehmerischen Bereich der Holding zugeordnet werden müssen. Sofern die Führungs- oder Funktionsholding keine Ausschlussumsätze, d.h. insbesondere keine steuerfreien Umsätze ohne Optionsmöglichkeit, erzielt, ist sie unter den allgemeinen Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Eine besondere Stellung im Umsatzsteuerrecht nimmt die sog. gemischte Holding ein. Wesensmerkmal für diese ist, dass die Gesellschaft nur bei einigen ihrer Tochtergesellschaften aktiv in die Verwaltung eingreift, während sie andere Beteiligungen lediglich hält und verwaltet. Umsatzsteuerliche Unternehmerin ist die gemischte Holding nur in Bezug auf den Teil der Beteiligungsverwaltung, welcher mit der Erbringung von umsatzsteuerlichen Leistungen in Zusammenhang steht. Hieraus folgt, dass eine Zuordnung der Beteiligungen zum unternehmerischen bzw. nicht unternehmerischen Bereich der Holding sowie eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge vorzunehmen ist. Dieser Umstand kann in der Praxis zu Umsetzungsschwierigkeiten führen, weil hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabs für den Vorsteuerabzug, insbesondere aus Kosten der allgemeinen Verwaltung, keine allgemein gültige Methode durch Rechtsprechung und Verwaltung anerkannt ist. Damit ist die Höhe des Vorsteuerabzugs einer gemischten Holding stets vom Einzelfall abhängig, was eine genaue Überprüfung und Dokumentation für Betriebsprüfungszwecke erforderlich macht.
IV. Gestaltungspotential und deren Grenzen
Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist eine Holding, die entgeltliche Leistungen an ihre Tochtergesellschaften erbringt, als umsatzsteuerliche Unternehmerin einzustufen, so dass ihr das „Privileg“ des Vorsteuerabzugs (ggf. in voller Höhe) zusteht. Werden Holdingstrukturen aufgesetzt, empfiehlt es sich daher, bereits von Beginn an geeignete Leistungsbeziehungen zu Tochtergesellschaften aufzubauen. Entsprechendes gilt bei bereits bestehenden Strukturen. Auch hier können, sofern noch nicht vorhanden, zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in künftigen Veranlagungszeiträumen Leistungsbeziehungen geknüpft werden.
Hierbei ist jedoch insbesondere Folgendes zu beachten:
Wird einer Tochtergesellschaft lediglich darlehensweise Kapital zur Verfügung gestellt, reicht dies allein für die Begründung der Unternehmereigenschaft der Holding nach Ansicht des EuGH in der Regel nicht aus. Zwar liegt insoweit eine Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen in Form von Zinsen für die Nutzung des Kapitals vor, nach Ansicht des EuGH verlässt die Zurverfügungstellung finanzieller Mittel jedoch zumeist den Bereich der Vermögensverwaltung nicht. Damit wird die Holding in diesem Fall regelmäßig einem privaten Anleger gleichgestellt, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Erst dann, wenn die Darlehensgewährung im Rahmen eines Unternehmensziels oder zu einem geschäftlichen Zweck erfolgt, der insbesondere durch das Interesse an der Rentabilisierung des investierten Kapitals geprägt ist, soll ein für die Unternehmereigenschaft der Holding relevanter umsatzsteuerlicher Leistungstausch vorliegen. Offen gelassen hat der EuGH, anhand welcher Kriterien die vorgenannte Abgrenzung vorzunehmen ist. Sind also (ausschließlich) finanzielle Leistungen als Eingriffe in die Verwaltung einer Tochtergesellschaft geplant, empfiehlt es sich, eine vorherige Abstimmung mit der Finanzverwaltung anzustoßen, um Risiken in Bezug auf die Anerkennung der Unternehmereigenschaft der Holding zu vermeiden.
Berücksichtigt werden muss ferner, dass die Erbringung von entgeltlichen Leistungen u.U. dazu führt, dass zwischen der Holding und der Tochtergesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft begründet wird. Diese setzt nämlich – anders als im Ertragsteuerrecht, wo der formale Akt des Abschlusses eines Gewinnabführungsvertrages wesentliches Tatbestandsmerkmal ist – voraus, dass die Tochtergesellschaft als Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die Holding als Organträger eingegliedert ist. Sind die von der Holding erbrachten Leistungen von ausreichendem Gewicht, kann dies zur wirtschaftlichen Eingliederung führen. Hält die Holding zudem die Mehrheit der Stimmrechte (finanzielle Eingliederung) und beherrscht sie, bspw. durch personelle Verflechtung der Geschäftsführungsorgane beider Gesellschaften, die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft (organisatorische Eingliederung), sind sämtliche Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft erfüllt. Holdinggesellschaften sollten sich über die Folgen der Begründung eines umsatzsteuerlichen Organschaftsverhältnisses, die im Wesentlichen darin bestehen, dass die Holdinggesellschaft zur Abgabe einer konsolidierten Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. -Jahreserklärung verpflichtet ist und dass Rechtsbeziehungen zwischen den Unternehmen des Organschaftskreises als „Innenumsätze“ anzusehen sind, im Klaren sein.
V. Zusammenfassung
Holdinggesellschaften sind nicht per se zum Vorsteuerabzug berechtigt oder vom Abzug ausgeschlossen. Der Umfang des Vorsteuerabzugs hängt vielmehr davon ab, ob und ggf. in welchem Ausmaß umsatzsteuerliche Leistungen, die in Form von administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Diensten erbracht werden können, zwischen der Holding und ihren Beteiligungen ausgetauscht werden.
Dieser Umstand bietet Gestaltungspotenzial, macht aber auch eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, da nicht jeglicher Leistungsaustausch zwischen den Gesellschaften geeignet ist, den Vorsteuerabzug der Holding zu ermöglichen. Vorsicht ist auch geboten, wenn Holdinggesellschaften nicht gegenüber sämtlichen Tochtergesellschaften Leistungen erbringen. Hier stellt sich mangels einschlägiger Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung vor allem die Frage, in welchem Ausmaß die Holding zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Das Thema ist mittlerweile in den Fokus der Finanzverwaltung gerückt ist. Betroffenen Unternehmen wird daher empfohlen, den Umfang der Vorsteuerabzugsberechtigung laufend einer Überprüfung zu unterziehen, um mögliche Betriebsprüfungsrisiken bereits im Ansatz zu vermeiden.
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