DEUTSCHER CORPORATE GOVERNANCE KODEX 2019 – DIE WICHTIGSTEN ÄNDERUNGEN IM ÜBERBLICK
Bereits im Mai 2019 hatte die Regierungskommission eine neue Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex („Kodex 2019“) beschlossen. In Kraft getreten ist der Kodex 2019 bisher jedoch nicht, weil die Regierungskommission zunächst das Inkrafttreten des ARUG II (Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie) abwarten wollte. Bundestag und Bundesrat haben nun am 14./19. November 2019 das ARUG II verabschiedet. Das Gesetz soll im Januar 2020 in Kraft treten, so dass in Kürze auch mit dem Inkrafttreten des Kodex 2019 zu rechnen ist. Das Regelwerk mit Empfehlungen für die Führung börsennotierter deutscher Unternehmen wurde grundlegend überarbeitet und erhält eine vollständig neue Struktur und Systematik. Ein Überblick der wichtigsten Neuerungen und Änderungen.
I. Überblick
Die im Mai von der Regierungskommission beschlossene Neufassung löst die seit 2017 gültige Fassung des Kodex („Kodex 2017“) ab. Sie enthält nicht bloß überarbeitete Einzelregelungen, sondern eine komplett neue Systematik, die der besseren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit dienen soll. So wird die schon bisher an zahlreichen Stellen des Kodex enthaltene rein deskriptive Wiedergabe der Rechtslage nun als neue Kategorie „Grundsätze“ den daraus abgeleiteten Empfehlungen und Anregungen vorangestellt. Die bisherige Gliederung, die im Kern an den Organen Vorstand und Aufsichtsrat ausgerichtet war, wird zugunsten einer aufgabenorientierten Gliederung nach Leitung und Überwachung aufgegeben. Neben diesen systematischen Änderungen gibt es auch wesentliche inhaltliche Neuerungen.
II. Wesentliche Neuerungen
1. Vergütung des Vorstands
Der Kodex 2019 trifft umfassende Empfehlungen zur Vorstandsvergütung. Zum einen wird das auch im ARUG II vorgesehene Konzept der Ziel- und der Maximal-Gesamtvergütung aufgegriffen, wobei ein „Top-Down-Ansatz“ verfolgt wird. Der Aufsichtsrat soll die angestrebte Zielvergütung an eine hundertprozentige Erreichung der aufgestellten Ziele koppeln. Hinzu tritt die Angabe einer Maximalvergütung („Cap“) für den Fall der Übererfüllung der vereinbarten Ziele. Die langfristigen Komponenten der variablen Vergütung sollen größer sein als die kurzfristigen. Die Leistungskriterien sollen vor allem durch strategische Ziele, nicht nur durch operative Ziele definiert werden. Langfristige variable Vergütungselemente sollen hauptsächlich aktienbasiert gewährt werden und für den Vorstand erst nach vier Jahren verfügbar sein. Neu geregelt ist außerdem die Empfehlung zu sogenannten „Claw-back-Klauseln“. Dem Aufsichtsrat soll es möglich sein, variable Anteile der Vergütung vorzuenthalten oder zurückzufordern, jedoch nur in besonderen begründeten Ausnahmefällen. Die bisherigen Mustertabellen zur Vergütung aus dem DCGK von 2017 entfallen aufgrund der gesetzlichen Neuerungen zum Vergütungsbericht in § 162 AktG in der durch das ARUG II geänderten Fassung, die eine wesentlich detailliertere Berichterstattung als bisher vorsehen.
2. Overboarding
Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt des Kodex 2019 ist das sog. Overboarding. Der Kodex 2019 empfiehlt, dass Aufsichtsratsmitglieder künftig maximal fünf Aufsichtsratsmandate bei konzernexternen börsennotierten Gesellschaften wahrnehmen sollen. Hierbei zählt ein Aufsichtsratsvorsitz doppelt. Hierin liegt eine erhebliche Verschärfung im Vergleich zum DCGK 2017, der lediglich allgemein ausführte, dass jedes Aufsichtsratsmitglied darauf achte, dass ihm für die Wahrnehmung seiner Mandate genügend Zeit zur Verfügung steht. Amtierende Vorstandsmitglieder börsennotierter Unternehmen sollen maximal zwei (Kodex 2017: drei) Aufsichtsratsmandate in konzernexternen börsennotierten Gesellschaften wahrnehmen und keinen Aufsichtsratsvorsitz.
3. Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder
Die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Aufsichtsräte wurden konkretisiert. Die Empfehlungen betreffen (klarstellend) nur die Vertreter der Seite der Anteilseigner, da nur diese vom Aufsichtsrat vorgeschlagen werden. Die Definition der Unabhängigkeit ist nun positiv formuliert: Ein Aufsichtsratsmitglied ist dann von der Gesellschaft und ihrem Vorstand unabhängig, wenn es zu ihnen in keiner persönlichen oder geschäftlichen Beziehung steht, die einen Interessenkonflikt begründen kann. Es ist alleinige Sache der von den Anteilseignern gewählten AR-Mitglieder, ihre Unabhängigkeit einzuschätzen. Neu ist zudem auch die sog. Indikatorlösung: Der Kodex 2019 benennt Umstände, die für die fehlende Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern sprechen und welche die Aufsichtsratsmitglieder bei der Einschätzung ihrer Unabhängigkeit berücksichtigen sollen. Als Indikatoren für die fehlende Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds gelten:
- Die Tätigkeit als Vorstand der Gesellschaft in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Ernennung zum Aufsichtsrat,
- wesentliche geschäftliche Beziehungen des Aufsichtsratsmitglied (direkt oder als Gesellschafter oder in verantwortlicher Funktion eines konzernfremden Unternehmens) mit der Gesellschaft oder einem von dieser abhängigen Unternehmen in dem Jahr bis zu seiner Ernennung zum Aufsichtsratsmitglied,
- die Qualifikation als naher Familienangehöriger eines Vorstandsmitglieds
- die Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat seit mehr als zwölf Jahren.
Sofern einer oder mehrere der genannten Indikatoren erfüllt sind, gilt das betreffende Aufsichtsratsmitglied allerdings nicht zwingend und automatisch als nicht unabhängig. Der Aufsichtsrat kann das betreffende Mitglied gleichwohl als unabhängig einschätzen, muss diese Einschätzung aber dann in der Erklärung zur Unternehmensführung begründen.
III. Ausblick
Die strukturellen und inhaltlichen Änderungen des Kodex 2019 werden zu weitreichendem Anpassungsbedarf bei den jährlichen Entsprechenserklärungen der Gesellschaften führen. Ob der Kodex 2019 und die aktienrechtlichen Änderungen durch das ARUG II in jeder Hinsicht harmonieren, wird der Praxistest zeigen. Das ARUG II wird im Januar 2020 in Kraft treten, enthält insbesondere bezüglich der Änderungen zur Vorstandsvergütung aber Übergangsfristen, die im Kodex 2019 nach bisherigem Stand nicht in gleicher Weise umgesetzt sind. Wann genau im Jahr 2020 der Kodex 2019 durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft treten wird, steht noch nicht fest. Unternehmen, die Unsicherheiten vermeiden und lieber die weitere Entwicklung abwarten möchten, könnten ggf. die zeitliche Lücke nutzen und zunächst noch eine aktualisierte Entsprechenserklärung zum Kodex 2017 abgeben, um sich dadurch bis zur nächsten turnusmäßigen Entsprechenserklärung ein Jahr Luft zu verschaffen. Das unterjährige Inkrafttreten des Kodex 2019 begründet keine Verpflichtung, die Entsprechenserklärung zu aktualisieren.
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