ENDLICH RECHTSSICHERHEIT BEI DER BEURKUNDUNGSPFLICHT VON WANDELDARLEHENSVERTRÄGEN?!
Wandeldarlehensverträge spielen vor allem im Bereich von Venture Capital-Finanzierungen eine wichtige Rolle – sei es ganz am Anfang als Teil der Frühphasenfinanzierung oder auch später in der Wachstumsphase, beispielsweise zur Zwischenfinanzierung zwischen zwei Finanzierungsrunden. In Praxis und Rechtsprechung umstritten sind die beim Abschluss von Wandeldarlehensverträgen, bei denen eine GmbH Darlehensnehmerin ist, zu berücksichtigenden Formerfordernisse. Eine aktuelle Entscheidung des OLG Zweibrücken könnte ein gewisses Maß an Rechtsicherheit schaffen.
I. Inhalt und Zweck von Wandeldarlehensverträgen
Bei Wandeldarlehensverträgen handelt es sich im Grundsatz um Darlehensverträge mit denen entweder Gesellschafter oder Dritte der GmbH als Darlehensnehmerin einen bestimmten Geldbetrag überlassen. In der Regel weisen solche Darlehen einen relativ hohen Zinssatz auf und sind – insbesondere aus insolvenzrechtlichen und bankaufsichtsrechtlichen Gründen – mit einem qualifizierten Rangrücktritt versehen.
Wandeldarlehen sehen, wie der Name schon erkennen lässt, das Recht vor, Rückzahlungsansprüche in bestimmten Situationen in (neu auszugebende) Geschäftsanteile der Darlehensnehmerin zu wandeln. Zur Sicherstellung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben einer ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung erfolgt die Leistung der Nennbeträge der neuen Geschäftsanteile in bar und das Agio wird dadurch bewirkt, dass der Darlehensgeber seinen Darlehensrückzahlungsanspruch in die freie Kapitalrücklage der GmbH durch Abtretung einbringt.
Oftmals sehen Wandeldarlehensverträge nicht bloß ein Recht des Darlehensgebers zur Wandlung vor, sondern es besteht – in bestimmten Konstellationen – komplementär auch eine Wandlungspflicht des Darlehensgebers, also faktisch ein Wandlungsrecht des Darlehensnehmers anstelle einer Rückzahlung.
Für den Darlehensgeber stellt sich ein solches Darlehen – insbesondere in der Frühphase einer Gesellschaft – regelmäßig als riskantes Investment dar, welches aber die Chance bietet, zu einem vergleichsweise günstigen Kurs später als Gesellschafter miteinzusteigen und von den Erträgen bzw. der Wertsteigerung des Unternehmens zu profitieren.
Aufgrund der – vermeintlichen – Formfreiheit scheint das Wandeldarlehen schneller als eine auf Eigenkapital beruhende Finanzierungsrunde zu sein und wird daher in der Praxis besonders zur Zwischenfinanzierung verwendet.
II. Mögliche Konstellationen bei einem Wandeldarlehen
Bei Wandeldarlehen gibt es unterschiedliche Konstellationen, die auch Auswirkungen auf die Formfrage haben:
Zunächst kann nach den am Vertragsschluss Beteiligten unterschieden werden. Die auf den ersten Blick einfachste Konstellation ist diejenige, dass die einzigen Beteiligten des Darlehensvertrages der Darlehensgeber und der Darlehensnehmer (d.h. die GmbH) sind. Alternativ können an dem Wandeldarlehen neben Darlehensgeber und Darlehensnehmer auch (sämtliche) Gesellschafter der GmbH beteiligt sein.
Bei beiden Varianten, kann dann ferner danach differenziert werden, ob der Darlehensgeber bereits selbst Gesellschafter der GmbH ist oder ob es sich um einen Dritten handelt, der erst nach Wandlung des Darlehens Gesellschafter werden würde, der dann auch noch einer Gesellschaftervereinbarung beitreten muss.
Schließlich ist bei der Ausgestaltung des Darlehensvertrages zu unterscheiden, ob der Wandeldarlehensvertrag lediglich ein Wandlungsrecht des Darlehensgebers enthält, oder ob auch oder nur Wandlungspflichten vorgesehen sind, also auch bzw. ausschließlich von Seiten der Gesellschaft entschieden werden kann, ob die Darlehensrückzahlungsansprüche in Geschäftsanteile der GmbH gewandelt werden.
III. Gesetzliche Formerfordernisse
Gesetzlich sind Formerfordernissen bei (Wandel-)Darlehensverträgen nicht explizit geregelt. Zunächst sind Darlehensverträge nach § 488 BGB im Grundsatz nicht formgebunden, sieht man einmal von Verbraucherdarlehensverträgen ab. Auch bei den gesetzlichen Vorschriften, die GmbH betreffend finden sich keine Vorschriften, die ausdrücklich die Konstellation bei Wandeldarlehensverträgen erfassen.
Herangezogen werden zur Begründung (vermeintlicher) Formerfordernisse entweder § 53 Abs. 2 GmbHG und/oder § 55 Abs. 1 und 2 GmbHG.
§ 53 Abs. 2 GmbH stellt ein notarielles Beurkundungserfordernis für Gesellschafterbeschlüsse, mit denen eine Satzungsänderung bei der GmbH beschlossen wird, etwa eine Kapitalerhöhung. § 55 Abs. 1 und 2 GmbHG unterstellen hingegen die sog. Übernahmeerklärung für die im Rahmen einer Kapitalerhöhung neu geschaffenen Geschäftsanteile dem Erfordernis der notariellen Beglaubigung.
Das notarielle Beurkundungserfordernis – gem. § 53 Abs. 2 GmbHG – ist strenger als das bloße Beglaubigungserfordernis nach § 55 Abs. 1 GmbHG (eine Beglaubigung ist aber stets in einer Beurkundung enthalten). Eine Beurkundung enthält die „typischen“ Elemente notarieller Beteiligung, also unter anderem den Übereilungsschutz, eine Warnfunktion, aber auch eine Beratungskomponente. Die Beglaubigung hingegen trägt in sich vor allem die (bloße) Beweisfunktion: Es soll sichergestellt werden, dass derjenige, der handelt (bei § 55 Abs. 1 GmbHG: die Übernahmeerklärung unterschreibt), auch tatsächlich die Person ist, für die sie sich ausgibt, d.h. die Unterschrift des Handelnden wird beglaubigt, ohne dass der gesamte Vertrag vorgelesen wird.
IV. Anwendung auf die möglichen Konstellationen
Wird der Wandeldarlehensvertrag lediglich zwischen dem Darlehensgeber und der Gesellschaft als Darlehensnehmerin geschlossen wird und sieht der Vertrag lediglich Wandlungsrechte für den Darlehensnehmer vor, ist weitgehend unstreitig, dass Formerfordernisse für den Darlehensvertrag nicht bestehen, denn eine der Übernahme von neuen Geschäftsanteilen vorgelagerte (latente) Verpflichtung des Darlehensgebers, bei der die analoge Anwendung des § 55 Abs. 1 GmbHG erwogen werden könnte, besteht nicht. Die Regelung des § 53 Abs. 2 GmbHG zum Beurkundungserfordernis und dem qualifizierten Mehrheitsbeschuss der Gesellschafter richtet sich (lediglich) an die Gesellschafterversammlung, die aber nicht Partei des Darlehensvertrages sind.
Allerdings wird überwiegend angenommen, dass Voraussetzung für eine wirksame Verpflichtung der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Abschluss des Wandeldarlehensvertrags, die Geschäftsführung durch einen mit Dreiviertelmehrheit beschlossenen Gesellschafterbeschluss ermächtigt werden muss. In diesem Zusammenhang wird dann zum Teil unter Verweis auf § 53 Abs. 2 gefordert, dass dieser Beschluss (weil er die Verpflichtung zur Satzungsänderung, die unstreitig notariell beurkundet werden müsste, in sich trägt) ebenfalls notariell beurkundet werden müsse – noch weitergehende Stimmen verlangen, dass dies im Handelsregister vermerkt werden müsste. Andere lehnen ein solches Formerfordernis ab.
Enthält der Darlehensvertrag eine Wandlungspflicht, wird zum Teil vertreten, dass die Regelungen des § 55 Abs. 1 und 2 GmbHG analog anzuwenden seien und deswegen zumindest die Unterschrift des Darlehensgebers notariell beglaubigt werden müsse, weil der Abschluss eines solchen Darlehensvertrages die Verpflichtung in sich trägt, unter bestimmten Voraussetzungen die (dingliche) Übernahmeerklärung betreffend neue Geschäftsanteile abzugeben, die jedenfalls der Beglaubigungspflicht unterliegt. Andere lehnen ein solches Erfordernis u.a. deshalb ab, weil der Gesetzgeber bewusst auf eine Form für die Verpflichtung verzichtet habe und nur die Übernahme an sich formbedürftig sei. Zum Teil wird in dieser Konstellation auch danach unterschieden, ob es sich bei dem Darlehensgeber bereits um einen Gesellschafter handelt oder nicht, denn auch § 55 Abs. 2 S. 2 unterscheide zwischen einem Alt-Gesellschafter und einem Neu-Gesellschafter, der neue Geschäftsanteile übernimmt. In letzterem Fall sind in der Übernahmeerklärung neben dem Nennbetrag auch sonstige Leistungspflichten (z. B. ein Agio) des Übernehmers anzugeben. Insofern solle der Pflicht zur Beglaubigung, neben der zuvor thematisierten Beweisfunktion, auch eine Warn- und Übereilungsschutzfunktion zu Gunsten des Übernehmers zukommen, da der Neu-Gesellschafter keinen (tiefen) Einblick in die Gesellschaftsinterna hat.
Wird der Darlehensvertrag nicht bloß von Gesellschaft und Darlehensgeber, sondern auch von den Gesellschaftern abgeschlossen und übernehmen letztere die Verpflichtung zur Umsetzung der Kapitalerhöhung, so ist nach überwiegender Ansicht ein Gesellschafterbeschluss hingegen nicht erforderlich, da nicht die Gesellschaft die Verpflichtung zur Umsetzung der Kapitalerhöhung treffe, sondern (alle) einzelnen Gesellschafter. Aufgrund dieses Umstandes folge auch kein gesondertes Formerfordernis für den Darlehnsvertrag, da es sich hierbei der Sache nach um eine Stimmbindungsvereinbarung der Gesellschafter handele, die grundsätzlich formfrei möglich ist. Dabei könnte man noch unterscheiden, ob es sich bei dem Darlehensgeber um einen Alt-Gesellschafter handelt, dann eher nicht beurkundungsbedürftig, oder um einen (noch) gesellschaftsfremden Dritten.
V. Konsequenzen in der Praxis
Diese Ausführungen zeigen, dass bei der Frage nach den Formerfordernissen bei Wandeldarlehen mit GmbHs noch viele Fragen offen sind, zumal es dazu bisher relativ wenig Gerichtsentscheidungen gibt. In der Praxis sollte zur Rechtssicherheit in Zweifelsfällen beurkundet werden, die zusätzliche Kosten (Notargebühren) auslösen und damit Liquidität verbrauchen, welche in der Frühphase eines Unternehmens regelmäßig knapp ist. Wird später dem Wandlungsverlangen unter Berufung auf mögliche Formverstöße nicht nachgekommen, kann dies erhebliche Konsequenzen haben. Denn in der Rechtsprechung besteht die Tendenz dazu einen Wandeldarlehensvertrag als insgesamt unwirksam anzusehen, wenn die Wandlungsverpflichtung im konkreten Fall einem Formerfordernis unterliegt und dieses nicht eingehalten wurde. Der Formmangel führt nicht bloß dazu, dass die erlangten Geldmittel jederzeit zurück zu zahlen sind, sondern auch dazu, dass (qualifizierte) Rangrücktrittsvereinbarungen unwirksam sein können. Das wiederum dürfte in vielen Fällen, zumindest bei der Frühphasenfinanzierung, die zur Rückzahlung verpflichtete Gesellschaft in die (Nähe der) Insolvenz bringen und damit die Geschäftsführung in eine Haftungssituation.
VI. Die Entscheidung des OLG Zweibrücken, Urt. v. 17.05.2022, 8 U 30/19
Die eingangs aufgeworfene Frage, ob durch die Entscheidung des OLG Zweibrücken nun (endlich) Rechtssicherheit im Hinblick auf die Formerfordernisse eingetreten ist, lässt sich mit einem klaren „Jein“ beantworten. Konkret ging es im Fall des OLG Zweibrücken um die Konstellation, dass ein (gesellschaftsfremder) Dritter einen Wandeldarlehensvertrag mit der GmbH abgeschlossen hatte, der unter anderem eine Wandlungspflicht für den Darlehensgeber vorsah. Dieser Darlehensvertrag wurde privatschriftlich geschlossen. Das OLG entschied, dass die Wandlungspflicht der Gesellschaft aber jedenfalls dann der notariellen Beglaubigung bedarf, wenn es sich bei dem Darlehensgeber – wie hier – um einen Dritten handelt. Aus einer Entscheidung des OLG München, v. 04.05.2005, 23 U 5121/04 ergibt sich, dass das OLG München ein solches Erfordernis zumindest dann nicht annimmt, wenn es sich nicht um einen Dritten, sondern um einen Alt-Gesellschafter handelt.
Legt man diese beiden OLG-Entscheidungen zu Grunde, ergibt sich hieraus zumindest für die Fälle, in denen (auch) eine Wandlungspflicht vorgesehen ist, eine gewisse Richtschnur. Abschließende Rechtssicherheit ergibt sich daraus jedoch nicht. „Glücklicherweise“ ist das Verfahren des OLG Zweibrücken, beim BGH (Az. II ZR 96/22) anhängig, sodass eine gewisse Chance besteht, dass der BGH in einigen Fragen zur Formbedürftigkeit von Wandlungsdarlehen Stellung beziehen kann, zumal das OLG Zweibrücken in einem obiter dictum auch angedeutet hat, dass der Gesellschafterbeschluss, der zum Abschluss eines solchen Wandeldarlehensvertrages ermächtigt, der notariellen Beurkundung bedürfe.
VII. Fazit
Auch bei Wandeldarlehen verhält es sich, wie so oft, in der Rechtswirklichkeit: Es kommt auf den Einzelfall an und Probleme treten primär dann auf, wenn es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten kommt. Vor Abschluss von Wandeldarlehen sollte daher durch rechtskundige Beratung geklärt werden, ob Formerfordernisse bestehen und diese sollten im Zweifel beachtet werden. Die die bloße Unterschriftsbeglaubigung löst, anders als eine Beurkundung, überschaubare Notarkosten aus.
Für Sie da
Ansprechpartner zu diesem Thema
Dr. Malte Drews
honert hamburg
Rechtsanwalt
Allgemeines Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A)
Telefon | +49 (40) 380 37 57 0 |
[email protected] |
Florian Leßniak
honert hamburg
Partner, Rechtsanwalt
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Insolvenzrecht, Venture Capital, Allgemeines Wirtschaftsrecht
Telefon | +49 (40) 380 37 57 0 |
[email protected] |
Patrick Spalek
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt
Allgemeines Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A)
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |
Dr. Kai-Klemens Wehlage
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Venture Capital
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |