GESCHÄFTSVERTEILUNG IN DER GMBH-GESCHÄFTSFÜHRUNG
Die Geschäftsführer einer GmbH dürfen grundsätzlich eine Geschäfts- bzw. Ressortverteilung untereinander vornehmen. Die Anforderungen an die Zulässigkeit einer solche Geschäftsverteilung zwischen mehreren Geschäftsführern einer GmbH und der damit einhergehenden Pflichten eines jeden Geschäftsführers hat der BGH kürzlich in seinem Urteil vom 6. November 2018 (II ZR 11/17) konkretisiert. Der Entscheidung lag die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife der Gesellschaft zu Grunde.
I. Pflicht zur Geschäftsführung
Mit der Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH übernimmt dieser die Organstellung, welcher die Verpflichtung inne wohnt, die Geschäfte der GmbH mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen. Dieser Maßstab ergibt sich aus der zentralen Haftungsnorm für Geschäftsführer, § 43 Abs. 1 GmbHG. Die Pflicht zur Unternehmensleitung trifft sämtliche Geschäftsführungsmitglieder in vollem Umfang. Insoweit gilt bei einer Mehrzahl von Geschäftsführern das sog. Prinzip der Gesamtverantwortung.
II. Zulässigkeit und Grenzen der Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung zwischen mehreren Geschäftsführern einer GmbH
Das Prinzip der Gesamtverantwortung für mehrere Geschäftsführer einer GmbH schließt jedoch die Zulässigkeit einer Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung nicht aus. Der BGH nahm seine Entscheidung vom 6. November 2018 (II ZR 11/17) zum Anlass, die formellen wie inhaltlichen Anforderungen an eine Geschäftsverteilung zu konkretisieren und zugleich den Umfang der Geschäftsführungspflichten eines jeden einzelnen Geschäftsführers zu definieren.
1. Sachverhalt
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall, begehrte der klagende Insolvenzverwalter von einem der beiden Geschäftsführer die Erstattung von Zahlungen, welche die Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife an Gläubiger geleistet hatte. Ausgangspunkt der Entscheidung war damit die Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 1 GmbHG (vormals § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F.). Der in Anspruch genommene Geschäftsführer hatte noch zur Überzeugung der Vorinstanz (Kammergericht, Berlin) den Entlastungsbeweis geführt, es sei ihm die Insolvenzreife der Gesellschaft trotz hinreichender Organisation der Geschäftsführung in nicht vorwerfbarer Weise unbekannt geblieben. Dies deshalb, weil aufgrund der Geschäftsverteilung in der Geschäftsführung der Gesellschaft sich ausschließlich der zweite Geschäftsführer um kaufmännische, organisatorische und finanzielle Angelegenheiten gekümmert habe, während der Beklagte, bei der Gesellschaft (einer Unternehmung zur Produktion einer Fernsehsendereihe) allein für das Künstlerische zuständig gewesen sei. Insbesondere habe der zweite Geschäftsführer dem Beklagten die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft bewusst verschwiegen.
2. Entscheidungsgründe
Der BGH hat die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Nach Ansicht des BGH hat der Beklagte den Entlastungsbeweis nicht in hinreichender Form geführt. Dies vor dem Hintergrund, dass der Geschäftsführer einer GmbH nach ständiger Rechtsprechung des BGH „für eine Organisation sorgen muss, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht“. Im konkreten Fall hätte somit genauer untersucht werden müssen, ob der Beklagte als Geschäftsführer seine Pflicht zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und krisenhafter Anzeichen hinreichend wahrgenommen hat. Diese Beobachtungspflicht sei, so der BGH, unter umfassender Berücksichtigung der für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände zu beurteilen.
Der BGH stellt klar, dass die persönliche Verantwortung des Geschäftsführers für die Erfüllung der Insolvenzantragspflicht nicht durch ein arbeitsteiliges Handeln auf Ebene der Geschäftsführung ausgeschlossen wird. Denn auch eine zulässige Verteilung der Geschäftsführungsaufgaben entbinde denjenigen Geschäftsführer, dem danach nur bestimmte Aufgaben zugewiesen sind, nicht von seiner eigenen Verantwortung zur ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte der Gesellschaft. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die unübertragbaren Aufgaben, wie die Einstandspflicht des Geschäftsführers für die Gesetzmäßigkeit der Unternehmensleitung. Hier sei ein strenger Maßstab an die Erfüllung der in diesen Fällen besonders weitgehenden Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber den Mitgeschäftsführern anzulegen.
Der BGH moniert an der Entscheidung der Vorinstanz, dass diese das Vorliegen einer wirksamen Ressortverteilung zwischen dem Beklagten und seinem Mitgeschäftsführer nicht hinreichend geprüft habe. Vor diesem Hintergrund stellt der BGH klar, dass eine Geschäfts- bzw. Ressortverteilung auf Ebene der Geschäftsführung einer GmbH eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben auf Grund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung voraussetze. Diese Geschäftsverteilung erfordere darüber hinaus die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen, die – ungeachtet der Ressortzuständigkeit eines einzelnen Geschäftsführers – die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung wahre.
Nur, wenn eine solche klare und eindeutige Aufteilung aller Geschäftsführungsaufgaben vorliege, wandle sich die auf eigene Aufgabenwahrnehmung gerichtete Pflicht des Geschäftsführers in eine Pflicht zur Überwachung des Mitgeschäftsführers um. Anknüpfend an die Pflicht desjenigen Geschäftsführers, dem eine bestimmte Aufgabe zur Erledigung zugewiesen wurde, führt der BGH weiter aus, dass eine solche Ressortverteilung die Pflicht des zuständigen Geschäftsführers zur laufenden Unterrichtung der übrigen Geschäftsführer über die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft begründe. Daneben müsse sich jeder Geschäftsführer einer GmbH regelmäßig vergewissern, dass jeder der übrigen Geschäftsführer zur Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Aufgaben geeignet sei. Lägen diese Voraussetzungen vor, so der BGH, können die übrigen Geschäftsführer ohne ausdrückliche Regelung davon ausgehen, von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführer zuverlässig und rechtzeitig diejenigen Informationen zu erhalten, die für die Wahrnehmung der jedem Geschäftsführer persönlich obliegenden Aufgaben erforderlich seien.
Eine solche zulässige Geschäfts- oder Ressortverteilung bedürfe nicht zwingend der Schriftform oder einer ausdrücklichen Absprache, auch wenn der BGH anmerkt, die schriftliche Dokumentation sei regelmäßig das naheliegende und geeignete Mittel zur eindeutigen Aufgabenabgrenzung. Der BGH stellte klar, dass – entgegen einer im juristischen Schrifttum vertretenen Auffassung – die wirksame Begrenzung des Verantwortungsbereichs eines Geschäftsführers keine schriftlich fixierte Verteilung der Aufgaben voraussetze. Diese Auffassung im Schrifttum stütze sich auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Wahrnehmung steuerrechtlicher Pflichten durch die Geschäftsführer einer GmbH, von der der BGH mit seiner Entscheidung nicht abweiche, da die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ausdrücklich die Erfüllung von Aufgaben nach der Abgabenordnung durch die Geschäftsführer betreffe und damit den öffentlich rechtlich geprägten Pflichtenkreis. Für die zivilrechtliche Bewertung des Formerfordernisses einer Ressortverteilung fehle es an einer klaren gesetzlichen Formvorschrift. Darüber hinaus könne nicht allgemein angenommen werden, eine schriftliche Fixierung der Geschäftsverteilung sei stets zwingende Voraussetzung um eine sorgfältige Unternehmensleitung zu gewährleisten. Der BGH geht vielmehr davon aus, dass auch die auf einer faktischen Arbeitsteilung oder einer stillschweigenden Übereinkunft beruhende Geschäftsverteilung durch ihre tatsächliche Handhabung zu einer den beschriebenen Anforderungen genügenden Aufgabenzuweisung erstarken könne.
Vor diesem Hintergrund beurteilte der BGH den Prüfungsumfang und die Bewertung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht als unzureichend. Insbesondere habe der Beklagte als ein Geschäftsführer der Gesellschaft es an einer ordnungsgemäßen Überwachung seines Mitgeschäftsführers fehlen lassen. Zwar habe es regelmäßige Besprechungen zwischen den Geschäftsführern gegeben und der Umstand, dass der für Finanzangelegenheiten zuständige Mitgeschäftsführer seiner Informationspflicht nicht nachgekommen sei, habe die Erkennbarkeit der Insolvenznähe bzw. Insolvenzreife der Gesellschaft für den Beklagten erschwert. Der BGH stellt klar, dass Besprechungen selbst nur den Rahmen zur Information der übrigen Geschäftsführer durch den zuständigen Geschäftsführer ermöglichen können, jedoch kein Instrument der Kontrolle einer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung im Ressort des zuständigen Geschäftsführers darstellten. Vielmehr hätte der Beklagte auf Basis der konkreten Besprechungsinhalte und mit gezielten Nachfragen sich ein eigenes Bild über den Geschäftsbereich machen müssen. Dies erfordere, so der BGH, regelmäßig zumindest die Plausibilitätsprüfung der wesentlichen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens, beispielsweise in Form betriebswirtschaftlicher Auswertungen. Als nicht genügend erachtete der BGH in dieser Entscheidung die lediglich jährliche Kontrolle der Geschäftszahlen durch den für den künstlerischen Bereich der Gesellschaft zuständigen Geschäftsführer.
Zudem war es zu Unregelmäßigkeiten bei der Erledigung von Geschäftsführungsaufgaben des im kaufmännischen Bereich der Gesellschaft zuständigen Geschäftsführers gekommen, die dem Beklagten hätten auffallen müssen. Anhaltspunkte oder Indizien für Unregelmäßigkeiten oder gar eine krisenhafte Entwicklung im Unternehmen hätten Anlass für eine verschärfte Kontrolle und Überwachung des zuständigen Geschäftsführers durch den Beklagten sein müssen.
III. Folgen für die Praxis
1. Schriftform zu empfehlen
Trotz der Entscheidung des BGH zur Formfreiheit der Geschäfts- und Ressortverteilung empfiehlt es sich in Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, denen unterschiedliche Ressorts zugewiesen werden, die Geschäftsverteilung schriftlich zu fassen.. Nur die schriftliche Fixierung der exakten Zuständigkeiten der einzelnen Geschäftsführer einer GmbH sichert die Erkennbarkeit der Aufgabenzuweisung und die Kontrolle der fachlichen wie persönlichen Eignung des jeweiligen Geschäftsführers zur Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben im laufenden Geschäftsgang. Darüber hinaus dient eine schriftliche Fixierung der Beweiserleichterung in Haftungsprozessen wie in dem hier vom BGH entscheidenden Fall.
2. Voraussetzung einer zulässigen Geschäftsverteilung
Eine zulässige Geschäftsverteilung setzt auf Ebene der Geschäftsführung eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben voraus, die von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen werden muss. Die Geschäftsverteilung muss die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellen. Darüber hinaus muss zugleich die – ungeachtet der Ressortzuständigkeit einzelner Geschäftsführer – bestehende Zuständigkeit des Gesamtorgans für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung gewahrt werden. Unter den nicht delegierbaren Pflichtenkreis fällt beispielsweise die Gesetzmäßigkeit der Unternehmensleitung.
3. Pflichten der Geschäftsführer bei erfolgter Geschäftsverteilung
Jeder Geschäftsführer muss die Geschäftsverteilung mittragen und sich regelmäßig von der Eignung seiner Mitgeschäftsführer zur Erfüllung der diesen zugewiesenen Aufgaben vergewissern. Können die Geschäftsführer vor diesem Hintergrund von einer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung ausgehen, folgt aus der Zuweisung der Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben, die Pflicht des zuständigen Geschäftsführers, seine Mitgeschäftsführer laufend über die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft aus diesem Bereich zu unterrichten. Unterbleibt die Unterrichtung seitens des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführers gegenüber seinen Mitgeschäftsführern, sind diese auf Grund des Prinzips der Gesamtverantwortung verpflichtet, den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführers intensiv zu kontrollieren und zu überwachen. Welche Maßnahmen der Kontrolle und Überwachung hier geboten sind, wird vom jeweiligen Ressort abhängen und muss einer Einzelfallprüfung vorbehalten bleiben.
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