GRUNDERWERBSTEUERBEFREIUNG BEI KONZERNINTERNEN UMSTRUKTURIERUNGEN
Während die angekündigte Reform des Grunderwerbsteuergesetzes weiterhin auf sich warten lässt, ist im Hinblick auf konzerninterne Umstrukturierungen eine grundlegende Neuausrichtung festzustellen. Mehrere BFH-Urteile sowie ein aktueller Anwendungserlass der Finanzverwaltung beenden weitgehend die Diskussionen um die Auslegung des § 6a GrEStG. Durch die nunmehr bestehende Rechts- und Planungssicherheit wird die Befreiungsvorschrift in der Praxis erheblich an Bedeutung gewinnen.
I. Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer
Bereits im honert Newsletterbeitrag vom 21. Juni 2019 haben wir über die geplante Reform des Grunderwerbsteuergesetzes berichtet. Das Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch im Herbst 2019 unterbrochen und es ist unklar, wann die viel diskutierten Verschärfungen umgesetzt werden.
Praxisrelevante Neuerungen gibt es hingegen für konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen. Die Befreiungsvorschrift des § 6a GrEStG kann dank eines neuen Anwendungserlasses der Finanzverwaltung nunmehr rechtssicher angewendet werden. Dabei kommt die Norm keineswegs nur für Großkonzerne in Betracht und kann, ungeachtet der oftmals verwendeten Bezeichnung „Konzernklausel“, auch bei weniger komplexen Gesellschaftsstrukturen zur vollständigen Befreiung von der Grunderwerbsteuer führen.
II. Steuerbegünstigung für Umstrukturierungen im Konzern
1. Rückblick
Der mit „Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern“ betitelte § 6a GrEStG sieht für Umwandlungsvorgänge nach dem Umwandlungsgesetz sowie für vergleichbare Vorgänge im EU-/EWR-Ausland eine Steuerbefreiung vor. Gesetzgeberisches Ziel ist es, konzerninterne Umstrukturierungen zu erleichtern und einer übermäßigen Besteuerung entgegenwirken.
In der Vergangenheit bestand bei der Planung von konzerninternen Umstrukturierungsmaßnahmen jedoch das Problem, dass § 6a GrEStG mit diversen Unsicherheiten einherging. Unter anderem war lange Zeit unklar, ob die Norm eine staatliche Beihilfe darstellt und somit als europarechtswidrig einzustufen ist. Die Diskussionen über den Beihilfecharakter wurden durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2018 beendet (vgl. hierzu en honert Newsletterbeitrag vom 27. März 2019).
Von Beginn an umstritten war aber die grundsätzliche Auslegung der Norm. Die Finanzverwaltung vertrat in ihrem früheren gleichlautenden Anwendungserlass zu § 6a GrEStG vom 19. Juni 2012 eine sehr restriktive Meinung. Demgegenüber ist man in der Literatur und Rechtsprechung von einem weitaus größeren Anwendungsbereich ausgegangen. Zur Auslegung des § 6a GrEStG sind im August 2019 sieben Urteile des Bundesfinanzhofs („BFH“) ergangen (Urteile vom 21. und 22. August 2019), denen sich die Finanzverwaltung im Anwendungserlass zu § 6a GrEStG vom 22. September 2020 nun angeschlossen hat. Die Befreiungsvorschrift wird in der Praxis erheblich an Bedeutung gewinnen, wie die nachfolgenden Anwendungsbeispiele verdeutlichen.
Zunächst wird festgestellt, dass die Steuervergünstigung des § 6 a GrEStG nicht grundstücksbezogen ist, also nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke abstellt, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse. Änderungen in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke in den Vor- und Nachbehaltensfristen sind somit unbeachtlich.
2. Die Vor- und Nachbehaltensfristen des § 6a GrEStG
Die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG setzt voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen und mindestens eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind, wobei die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft (Beteiligungshöhe mindestens 95 %) innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang bestanden haben bzw. bestehen muss. Man spricht hierbei von den Vor- und Nachbehaltensfristen des § 6a GrEStG.
Dass diese Fristen in der Vergangenheit zu erheblichen Unsicherheiten geführt haben, zeigt sich deutlich bei all jenen Umstrukturierungsvorgängen, bei denen eine beteiligte Gesellschaft entweder untergeht (z.B. bei einer Verschmelzung) oder im Zuge des Vorgangs erst entsteht (z.B. bei einer Abspaltung zur Neugründung). Denn in derartigen Fällen kann die Vor- bzw. Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG schon technisch nicht eingehalten werden. In der Konsequenz wären, rein nach dem Gesetzeswortlaut, nur die Abspaltung und die Ausgliederung zur Aufnahme begünstigungsfähig.
Dieses Dilemma besteht nun nicht mehr. Im neuen Anwendungserlass zu § 6a GrEStG vom 22. September 2020 wird explizit klargestellt, dass die fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch rechtlich eingehalten werden können. Dies bedeutet, dass beispielsweise bei einer Auf-/Abspaltung zur Neugründung sowie Ausgliederung zur Neugründung die Vorbehaltensfrist nur von der übertragenden Gesellschaft eingehalten werden muss, nicht aber von der neu gegründeten Gesellschaft. Nur für den Fall der Verschmelzung von zwei abhängigen Gesellschaften (Schwestergesellschaften) ist die Vorbehaltensfrist im Hinblick auf beide Gesellschaften zu beachten. Die zuvor genannten Prinzipien gelten gleichermaßen für die Nachbehaltensfrist. So ist bei einer Verschmelzung zur Aufnahme oder Neugründung nur der aufnehmende Rechtsträger zur Einhaltung der Nachbehaltensfrist von fünf Jahren verpflichtet.
Damit ist die Verschmelzung und die Ausgliederung auf eine durch den Verschmelzungs- bzw. Ausgliederungsvorgang neu gegründete GmbH begünstigt ist, die Verschmelzung bzw. Ausgliederung auf eine innerhalb der fünf Jahre vor Eintragung der Verschmelzung/Ausgliederung erworbene (z.B. Vorrats-)Gesellschaft aber nicht. Das überzeugt im Ergebnis nicht, sollte aber bei Umstrukturierungen beachtet werden.
3. Anforderungen an das herrschende Unternehmen
Ein weiteres Problem bei der Anwendung von § 6a GrEStG besteht darin, dass es an einer eindeutigen Begriffsdefinition der im Gesetzestext genannten beteiligten Rechtsträger fehlt. Die Finanzverwaltung hat in der Vergangenheit insoweit bisher auf den Unternehmerbegriff des Umsatzsteuergesetzes zurückgegriffen. Zudem stellte die Finanzverwaltung bei Anwendung des § 6a GrEStG auf ein Verbundkonzept ab.
Diese Prinzipien gelten ausdrücklich nicht mehr. Nach den langjährigen Diskussionen hat sich die Finanzverwaltung auch in diesem Punkt der BFH-Auffassung angeschlossen, wonach die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht an eine bestimmte Rechtsform gebunden ist. Es können damit neben natürlichen und juristischen Personen auch Personengesellschaften „herrschende Unternehmen“ im Sinne des § 6a GrEStG sein. Unerheblich ist auch, ob das herrschende Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen hält.
Einzige Voraussetzung ist, dass der beteiligte Rechtsträger wirtschaftlich tätig ist, wobei an den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt.
Im Ergebnis führen die Klarstellungen seitens der Finanzverwaltung zu den beteiligten Rechtsträgern im Sinne des § 6a GrEStG zu einem breiteren Anwendungsbereich. So kann beispielsweise die Verschmelzung einer Gesellschaft auf eine natürliche Person als deren Alleingesellschafter von der Steuerbefreiung erfasst werden.
III. Auswirkungen auf die Beratungspraxis und Ausblick
Die Urteile des BFH sowie der neue Anwendungserlass der Finanzverwaltung sorgen für Rechtssicherheit bei der Planung von konzerninternen Umstrukturierungsmaßnahmen. Insbesondere die geklärten Auslegungsfragen zu den Vor- und Nachbehaltensfristen erhöhen die Flexibilität bei betriebswirtschaftlich notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen. Positiv hervorzuheben ist zudem die Verabschiedung vom Verbundkonzept der Finanzverwaltung. Der neue Anwendungserlass ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Abschließend ist auf das anfangs bereits erwähnte Reformvorhaben hinzuweisen. Hierbei ergibt sich für den Gesetzgeber die Gelegenheit, § 6a GrEStG aufzugreifen und anzupassen und aktuell bestehende, aber unerwünschte Begünstigungen wieder abzuschaffen. Der honert Newsletter hält Sie diesbezüglich auf dem Laufenden.
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