IM REGELFALL KEINE BERÜCKSICHTIGUNG VON GESELLSCHAFTERDARLEHEN ALS NACHTRÄGLICHE ANSCHAFFUNGSKOSTEN IM RAHMEN DES § 17 ESTG
Mit Urteil vom 11. Juli 2017 – IX R 36/15 hat der BFH seine Rechtsprechung zur Berücksichtigung von eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen von Gesellschaftern an ihre Gesellschaft als Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG grundlegend geändert. Finanzierungshilfen sind z.B. Gesellschafterdarlehen oder Bürgschaften. Sie werden bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns oder -verlusts nach § 17 EStG grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt. Da auch Ausfälle von Gesellschafterdarlehen im Rahmen des § 20 EStG i.d.R. nicht berücksichtigt werden, sind Finanzierungshilfen an die Gesellschaft noch mehr als bisher unter steuerlichen Aspekten zu gestalten, z.B. durch das Einfügen eines Rangrücktritts.
I. Ausgangslage und Hintergründe
Beabsichtigt der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft seine Geschäftsanteile oder Aktien zu veräußern oder die Gesellschaft gegen Rückzahlung des Kapitals aufzulösen, unterfällt der daraus resultierenden Gewinn den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 S. 1 EStG). Gem. § 3 Nr. 40 EStG sind 60 % des hieraus resultierenden Gewinns zu versteuern (sog. Teileinkünfteverfahren). Der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 EStG ermittelt sich aus dem Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Entsprechendes gilt für Verluste.
Den Veräußerungsgewinn mindern somit sämtliche Anschaffungskosten, also z.B. die bei Gründung geleistete Einlage oder der beim Kauf von Anteilen gezahlte Kaufpreis, aber auch die sog. nachträglichen Anschaffungskosten, § 255 Abs.1 S. 2 HGB. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten zählte die Rechtsprechung bisher neben offenen und verdeckten Einlagen solche Finanzierungshilfen des Gesellschafters, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder als Werbungskosten im Rahmen von Einkünften aus Kapitalvermögen noch als Veräußerungs- oder Auflösungskosten einzuordnen sind. Als Anschaffungskosten zählten bisher daher gewährte Gesellschafterdarlehen und Bürgschaften seitens des Gesellschafters zu Gunsten der Gesellschaft, sofern diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren.
Für die Beurteilung, ob die Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, war bisher maßgeblich, ob die Finanzierungshilfe als Eigenkapitalersatz dient. Hierfür bedurfte es eines Vergleichs zu einem ordentlichen Kaufmann. Insoweit war zu fragen, ob dieser der Gesellschaft zum entsprechenden Zeitpunkt Eigenkapital zugeführt hätte. War dies der Fall, so war die Finanzierungshilfe als eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe anzusehen und damit als (nachträgliche) Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG in Abzug zu bringen. Hinsichtlich der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten war insoweit auf den Zeitpunkt der Gewährung der Finanzierungshilfe in Abhängigkeit zur Krisensituation der Gesellschaft abzustellen. Konkret bedeutete dies, dass ein in der Krise neu gewährtes Darlehen in voller Höhe zu nachträglichen Anschaffungskosten führte. Wenn ein Darlehen hingegen außerhalb der Krise gewährt wurde, auf welches in der Krise z.B. ein sog. Rangrücktritt erklärt wurde, führte es nur in Höhe des Werts zu nachträglichen Anschaffungskosten, den es zu diesem Zeitpunkt noch hatte.
Dieses allein im Rahmen des § 17 EStG angewendete (weite) Verständnis des Begriffs der Anschaffungskosten folgte aus dem sog. Kapitalersatzrecht und entsprach damit der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 1. Januar 2008.
II. Wegfall der rechtlichen Grundlagen für die Berücksichtigung von kapitalersetzenden Maßnahmen
Mit Inkrafttreten des MoMiG wurde die im GmbHG vorherrschende Gleichbehandlung von eigenkapitalersetzendem und gebundenem (Eigen-)Kapital aufgehoben. Zwar sind Gesellschafterdarlehen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Insolvenzfall nach heutiger Rechtslage nachrangig. Im Unterschied zur Rechtslage vor dem MoMiG werden sie aber ansonsten nicht mehr wie haftendes Eigenkapital behandelt.
Nach nunmehriger Ansicht des BFH (11. Juli 2017 – IX R 36/15) ist das bisherige weite Verständnis des Begriffs der Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG nicht mehr zu rechtfertigen. Vielmehr ist das handelsrechtliche Verständnis von Anschaffungskosten bei der Anwendung des § 17 EStG zu Grunde zu legen. Danach sind (nachträgliche) Anschaffungskosten der Beteiligung i.S.d. § 17 EStG nur solche Aufwendungen, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Neben Nachschüssen, Zuzahlungen in die Kapitalrücklage und Barzuschüssen kann hierunter auch der Verzicht auf Forderungen fallen, soweit diese im Moment des Verzichts (noch) werthaltig sind.
III. Vertrauensschutz und mögliche Gestaltungen
Mit Blick auf die langjährige Rechtsprechung sowie das BMF-Schreiben vom 21. Oktober 2010, wonach trotz geänderter Rechtslage die Rechtsprechung zu der Berücksichtigung von eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen auch nach Einführung des MoMiG Anwendung finden sollte, hat der BFH einen (rückwirkenden) Vertrauensschutz bejaht. Danach führt die Bereitstellung von Fremdkapital als eigenkapitalersetzende Maßnahme noch zu nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG, soweit diese bis zum Tag der Veröffentlichung des Urteils (27. September 2017) erfolgt ist. Maßgeblich ist dabei die „endgültige wirtschaftliche Disposition“. Insoweit ist auf die Hingabe oder das Stehenlassen der Finanzierungshilfe abzustellen. Sollten sich nach wirtschaftlicher Betrachtung künftige Finanzierungshilfen der Gesellschafter als Gewährung von Fremdkapital darstellen, ist allein § 20 EStG maßgeblich. Insofern ist wegen anhängiger Revisionsverfahren fraglich, ob die Finanzierungshilfen des Gesellschafters im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG überschussmindernd zu berücksichtigen sind.
Der BFH selbst hat in seinem Urteil allerdings eine mögliche Gestaltung aufgezeigt: Danach können vom Gesellschafter bereitgestellte Fremdkapitalmittel, sofern diese wirtschaftlich wie eine Eigenkapitalmaßnahme ausgestaltet sind, nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG sein. Der BFH nennt hierfür im Fall eines Gesellschafterdarlehens ausdrücklich die Vereinbarung eines Rangrücktritts i.S.d. § 5 Abs. 2a EStG. Hierbei sind dann aber die strengen Anforderungen des BGH an die Wirksamkeit eines Rangrücktritts zur Vermeidung der Insolvenz und die damit einhergehende ˗ auch bereits vor Eintritt der Insolvenz ˗ eingreifende Beschränkung der Rückzahlungsmöglichkeit zu beachten. Im Rahmen von Gesellschafterbürgschaften käme insoweit der Rangrücktritt auf den Regressanspruch in Betracht.
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