KEINE ERBSCHAFTSSTEUERBEFREIUNG FÜR EIN GRUNDBUCHRECHTLICH SELBSTÄNDIGES, UNBEBAUTES GRUNDSTÜCK NEBEN DEM FAMILIENHEIM
Das Finanzgericht München hat mit Urteil vom 5.4.2018 entschieden, dass die Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheime nicht für ein grundbuchrechtlich selbständiges, an das Familienheim angrenzendes, unbebautes Grundstück gilt, selbst wenn die beiden Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die Revisionsentscheidung des BFH steht aus.
I. Einleitung
Der unentgeltliche Erwerb unterliegt sowohl von Todes wegen (Erbanfall, Vermächtnis oder Pflichtteilsanspruch) als auch zu Lebzeiten (Schenkung) der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Das ErbStG sieht jedoch in § 13 verschiedene Möglichkeiten der Steuerbefreiung vor. Steuerfrei ist danach unter bestimmten Voraussetzungen die unentgeltliche Überlassung sog. Familienheime (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG). Das FG München hat mit Urteil vom 5.4.2018 einige strittige Punkte entschieden. Den Schwerpunkt bildet dabei die Frage, ob die Steuerbefreiung auch für grundbuchrechtlich selbständige, an das Familienheim angrenzende, unbebaute Grundstücke Wirkung entfalten kann.
II. Steuerbefreiung für Familienheime
Steuerbefreit ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG die Überlassung eines sog. Familienheims im Wege der Schenkung oder durch Erwerb von Todes wegen an den Ehegatten bzw. Lebenspartner sowie durch Erwerb von Todes wegen an Kinder und Stiefkinder.
Unter einem Familienheim versteht das Gesetz ein im Inland bzw. im EU-/EWR-Raum belegenes, bebautes Grundstück, soweit
- a) der Schenkende mit seinem Ehegatten / Lebenspartner darin eine Wohnung gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken nutzt, bzw.
- b) der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (oder aus zwingenden Gründen zur Selbstnutzung verhindert ist) und die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Des Weiteren muss der Erwerber die Wohnung für 10 Jahre nach dem Erwerb auch tatsächlich selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen (oder aus zwingenden Gründen zur Selbstnutzung verhindert sein). Bei dem Erwerb von Todes wegen durch (Stief-)Kinder gilt die Steuerbefreiung zudem nur insoweit, als die Wohnfläche 200 m² nicht übersteigt.
Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken erfordert, dass sich der Mittelpunkt des familiären Lebens in dieser Wohnung befindet. Nicht begünstigt sind daher insbesondere Zweit- oder Ferienwohnungen.
III. Entscheidung des FG München zur Erbschaftssteuerbefreiung bei grundbuchrechtlich selbständigem, unbebautem Grundstück neben dem Familienheim
Gegenstand der Entscheidung des FG München war die Frage, wie es sich auf die Steuerbefreiung auswirkt, wenn an das bebaute und zu eigenen Wohnzwecken genutzte Grundstück ein zweites, grundbuchrechtlich selbständiges Grundstück angrenzt, welches einheitlich mit dem bebauten Grundstück genutzt und überlassen wird.
1. Sachverhalt
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde.
Die Erblasserin wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge von ihrer Tochter (Klägerin) beerbt. Zum Nachlass zählte unter anderem ein Grundstück mit einer Eigentumswohnung, in der die Erblasserin bis zu ihrem Tod gewohnt hatte. Neben diesem Grundstück befand sich angrenzend ein weiteres, unbebautes Grundstück im Vermögen der Erblasserin, welches von ihr als Garten genutzt wurde. Die beiden Grundstücke waren grundbuchrechtlich selbständig. Die Klägerin nutzte die Eigentumswohnung nach dem Tod der Erblasserin zu eigenen Wohnzwecken und das angrenzende Grundstück als Garten fort.
Das Finanzamt der Steuerfestsetzung wendete die Steuervergünstigung für Familienheime nur für das mit der Eigentumswohnung bebaute Grundstück an, nicht jedoch für das als Garten genutzte angrenzende Grundstück. Hiergegen richtete sich nach zurückgewiesenem Einspruch die Klage der Erbin.
Die Klägerin trug vor, dass die beiden Grundstücke gemeinsam genutzt würden und nach der Verkehrsanschauung in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stünden. Bei den beiden Grundstücken handle es sich daher wirtschaftlich um eine Einheit im Sinne des § 2 BewG, auf die insgesamt die Steuervergünstigung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG anzuwenden sei.
2. Entscheidung und Begründung des FG München
Das FG München entschied, dass das Finanzamt die Steuerbefreiung zu Recht nur auf dasjenige grundbuchrechtliche Grundstück angewendet hat, auf dem sich das Familienheim befindet. Das angrenzende, unbebaute, grundbuchrechtlich eigenständige Grundstück sei hingegen nicht steuerbefreit. Das Gericht lehnte das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des § 2 BewG ab und führte sogar weiter aus, dass die Steuerbefreiung auch bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit der beiden Grundstücke nicht auf das unbebaute Grundstück anzuwenden wäre.
Steuerbegünstigungsvorschriften sind nach Ansicht des FG München unter sinnvoller Würdigung des mit ihnen verfolgten Zwecks und als Ausnahmeregelung grundsätzlich restriktiv auszulegen. Schon nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG sei daher nur dasjenige grundbuchrechtlich erfasste Grundstück steuerbefreit, auf dem sich das Familienheim befindet. Eine tatbestandliche Ausweitung über den Wortlaut hinaus sei der Rechtsprechung verwehrt. Angrenzende, unbebaute, grundbuchrechtlich eigenständige Grundstücke seien daher selbst dann nicht steuerbefreit, wenn sie mit dem bebauten Grundstück eine wirtschaftliche Einheit bilden. Gegen die Entscheidung des FG München hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Entscheidung des BFH steht aus.
Eine ähnliche Entscheidung hat das FG Düsseldorf mit Urteil vom 16.05.2018 (Az.: 4 K 1063/17 Erb) getroffen. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG knüpfe nicht an die Frage der wirtschaftlichen Einheit an. Die Entscheidung, wie weit die Steuerbefreiung reiche, sei daher gänzlich unabhängig vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit zu beurteilen. Es komme dem Wortlaut der Befreiungsvorschrift folgend alleine darauf an, ob ein mit einem Familienheim bebautes Grundstück vorliegt. Der Begriff des Grundstücks sei dabei zivilrechtlich zu verstehen, und beziehe sich daher auf diejenige Fläche, die im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts auf einer eigenen Nummer eingetragen ist.
3. Bewertung und Empfehlung
Zentrales Problem in dem dargelegten Rechtsstreit ist die Frage, wie das Verhältnis der Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG zu der Bewertungsvorschrift des § 2 BewG steht. § 2 BewG regelt, dass bei öffentlich-rechtliche Abgaben (somit auch bei der Schenkung- und bei der Erbschaftsteuer) für die Bewertung von Wirtschaftsgütern auf deren wirtschaftliche Einheit als Ganzes abzustellen ist.
Das FG München sowie das FG Düsseldorf haben diese Frage dahingehend entschieden, dass die Vorschriften zur Bewertung (BewG) gar nicht zum Zuge kommen, solange die Steuerbefreiung ihrem Wortlaut nach schon nicht anwendbar ist. Sofern somit ein grundbuchrechtlich eigenständiges angrenzendes Grundstück unbebaut ist, kann dieses auch durch ein „Vorgreifen“ auf die Bewertungsvorschriften und die Bejahung einer wirtschaftlichen Einheit nicht in die Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG miteinbezogen werden.
Der BFH hat sich bereits mehrfach dahingehend geäußert, dass die Steuerbefreiung für Familienheime verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie eng ausgelegt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass der BFH der Linie der Finanzgerichte folgen wird.
Aus steuerrechtlicher Sicht wäre es für den Grundstücksinhaber, der mehrere angrenzende Grundstücke, von denen nicht alle mit einem Familienheim bebaut sind, derselben Person zuwenden möchte, daher nach aktueller Rechtslage unter Umständen ratsam, die Grundstücke vor der Zuwendung grundbuchmäßig/katastermäßig zu vereinigen. Für eine Vereinigung ist zu beachten, dass die angrenzenden Grundstücke gemäß § 5 Abs. 1 GBO nicht mit unterschiedlichen Grundpfandrechten oder Reallasten, oder mit denselben Grundpfandrechten bzw. Reallasten, aber in unterschiedlicher Rangfolge belastet sein sollten. Zudem müssen die außerhalb des Steuerrechts liegenden Vor- und Nachteile einer Vereinigung berücksichtigt werden. Ob eine Vereinigung finanziell tatsächlich vorzugswürdig ist, ist im Einzelfall und insbesondere auch mit Blick auf etwaige Steuerfreibeträge zu prüfen.
IV. Fazit
Bei der Nachfolgeplanung sowie bei Schenkungen ist (jedenfalls bis zur Entscheidung des BFH) aufgrund der restriktiven Auslegung der Finanzgerichte sowie der bisherigen BFH-Rechtsprechung zum Thema Steuerbefreiungsvorschriften für Familienheime davon ausgegangen werden, dass unbebaute Grundstücke auch bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit mit dem Familienheim nicht steuerbefreit sind. In Einzelfällen sollte geprüft werden, ob die Zusammenlegung von Grundstücksparzellen möglich ist.
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