KNOW YOUR CUSTOMER – BETTER! NEUE HERAUSFORDERUNGEN FÜR UNTERNEHMEN DES NICHTFINANZSEKTORS NACH DER UMSETZUNG DER FÜNFTEN EUROPÄISCHEN GELDWÄSCHERICHTLINIE IN DEUTSCHES RECHT
Am 1. Januar 2020 ist das Gesetz zur Umsetzung der sog. Fünften Europäischen Geldwäscherichtlinie in Kraft getreten. Einige, der sich daraus ergebenden Änderungen des deutschen Geldwäschegesetzes stellen neue Herausforderungen an Unternehmen des Nichtfinanzsektors, insbesondere an Handels- und Industrieunternehmen. Diesen sollten Unternehmen durch die Anpassung ihres Geldwäsche-Compliance-System begegnen.
I. Umsetzung der Fünften Geldwäscherichtlinie in deutsches Recht
Mit dem am 01. Januar 2020 in Kraft getretenen Umsetzungsgesetz ist die Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (sog. Fünfte Geldwäscherichtlinie) in deutsches Recht umgesetzt worden. Neben zahlreichen Neuregelungen für den Finanzsektor (insbesondere auch für Dienstleister im Bereich der Kryptowerte), wurden auch Regelungen im Geldwäschegesetz (GwG) geändert, die für die Praxis von Nichtfinanzunternehmen Bedeutung haben. Im Rahmen dieses Newsletters sollen die wesentlichen Änderungen für diese Unternehmen vorgestellt werden. Wichtigen praxisrelevanten Neuregelungen im Hinblick auf das erst im Jahr 2017 eingeführte Transparenzregister, für das nunmehr insbesondere ein Zugangsrecht für die Öffentlichkeit vorgesehen ist, ist ein eigener Newsletterbeitrag gewidmet.
II. Praxisrelevante Änderungen für Nichtfinanzunternehmen
1. Erweiterung und Konkretisierung der Verpflichteten nach GwG
Das Umsetzungsgesetz erweitert den Kreis derjenigen, die geldwäscherechtlichen Pflichten erfüllen müssen („Verpflichtete“): Immobilienmakler sind seit 1. Januar 2020 nicht nur in Bezug auf ihre Tätigkeit bei einem Erwerb bzw. einer Veräußerung einer Immobilie, sondern auch bei der Vermittlung von Immobilien zur Vermietung und Verpachtung („Mietmakler“) Verpflichtete. Des Weiteren sind neben Kunsthändlern auch Vermittler sowie Kunstgalerien, Auktionshäuser und Lagerer von Kunstwerken Verpflichtete.
Das Umsetzungsgesetz schafft ferner Klarheit im Hinblick auf die Verpflichteten-Stellung von Industrieholdinggesellschaften. Die nach alter Rechtslage umstrittene Frage, ob Industrieholdings, obgleich sie nur zum Zwecke der Konzernleitung Beteiligungen an den einzelnen Konzerngesellschaften halten, als Finanzunternehmens i.S.d. GwG gelten müssten, hat der Gesetzgeber nun geregelt. Die neue, eigenständige geldwäscherechtliche Definition von Finanzunternehmen nimmt Holdinggesellschaften, die ausschließlich Beteiligungen an Unternehmen außerhalb des Kreditinstituts-, Finanzinstituts- und Versicherungssektors halten und die nicht über die mit der Verwaltung des Beteiligungsbesitzes verbundenen Aufgaben hinaus unternehmerisch tätig sind, aus der Definition von Finanzunternehmen i.S.d. GwG und damit aus dem Kreis der geldwäscherechtlich Verpflichteten aus.
2. Privilegierte Verpflichtete
a) Schwellenbetrag als Voraussetzung für Risikomanagement und Erfüllung von Kundensorgfaltspflichten
Dem risikoorientieren Ansatz des Gesetzgebers entsprechend müssen Verpflichtete zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung angemessene Maßnahmen (nur) im Hinblick auf Art und Umfang ihrer Geschäftstätigkeit ergreifen. Das GwG sieht daher für bestimmte Gruppen nur dann eine Verpflichtung zum gesetzlich vorgeschriebenen Risikomanagement und der Erfüllung von allgemeinen Kundensorgfaltspflichten bei Geschäften vor, bei welchen (Bar-)Transaktionen getätigt werden, die (mindestens) einen bestimmten Schwellenbetrag erreichen. Für diese Schwellenbetragsregelungen gilt zukünftig:
- Für alle Transaktionen von Kunsthändlern, Kunstvermittlern und Kunstlagerhaltern gilt ein Schwellenbetrag EUR 10.000,00;
- Mietmakler sind zum Risikomanagement und zur Erfüllung von Kundensorgfaltspflichten verpflichtet, wenn sie Miet- oder Pachtverträge mit einer monatlichen Miete oder Pacht von wenigstens EUR 10.000,00 vermitteln.
- Für Händler von Edelmetallen (wie Gold, Silber und Platin) gilt bei Bartransaktionen ein Schwellenbetrag von EUR 2.000,00.
- Für Händler von sonstigen Gütern verbleibt des bei einem Schwellenbetrag nur für Bartransaktion von EUR 10.000,00.
Nicht Gesetz geworden ist hingegen die noch im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung, wonach Güterhändler, Kunstmittler und -lagerer die Pflicht zur Umsetzung gruppenweiter Maßnahmen als Mutterunternehmen einer Gruppe (§ 9 GwG) auch dann einhalten sollten, wenn sie selbst die anwendbaren Privilegierungsvoraussetzungen erfüllen.
b) Mindestmaß an Risikomanagement trotz Privilegierung
Besonders für privilegierte Verpflichtete gilt (wie bereits nach alter Rechtslage zu beachten), dass die Erfüllung der Privilegierungsvoraussetzungen nur den Umfang der zu erfüllenden Pflichten reduziert. Bestimmte Pflichten gelten für alle Verpflichteten. Insbesondere haben alle Verpflichteten – unabhängig von Art und Höhe des jeweiligen Geschäfts – beim Vorliegen von Tatsachen, die einen Verdacht auf Geldwäsche begründen, die allgemeinen Sorgfaltspflichten oder ggfs. verstärkte Sorgfaltspflichten zu erfüllen sowie Verdachtsmeldungen (§ 43 GwG) vorzunehmen. Auch privilegierte Verpflichtete werden daher nicht umhinkommen, ein gewisses Maß an Risikomanagement in ihrem Unternehmen vorzuhalten, um Verdachtsfälle zu erkennen um angemessen und gesetzeskonform darauf reagieren zu können.
3. Risikomanagementsystem
Im Bereich des geldwäscherechtlichen Risikomanagements (§§ 4 bis 9 GwG) ergeben sich zwei praxisrelevante Änderungen im GwG:
Erstens hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Verantwortung der Leitungsebene eines Unternehmens für die Einhaltung geldwäscherechtlicher Pflichten auch dann bestehen bleibt, wenn ein Geldwäschebeauftragter bestellt wurde.
Die zweite wesentliche Änderung betrifft die sog. gruppenweiten Maßnahmen in § 9 GwG. Das Gesetz unterscheidet nunmehr deutlich zwischen den gruppenweiten Pflichten eines verpflichteten Mutterunternehmens und den Pflichten der gruppenangehörigen Verpflichteten. Insbesondere müssen Mutterunternehmen – sofern § 9 GwG auf sie anzuwenden ist
- gruppenweite Risikoanalysen, Sicherungsmaßnahmen und Prozesse etablieren,
- eine gruppenweite Strategie zur Verhinderung von Geldwäsche entwickeln und umsetzen,
- sicherstellen, dass gruppenangehörige Unternehmen und Zweigniederlassungen im EU-Ausland die im jeweiligen Mitgliedsstaat geltenden nationalen Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhalten, und
- dafür Sorge tragen, dass gruppenangehörige Unternehmen im Nicht-EU-Ausland die Anforderungen des deutschen GwG erfüllen oder zumindest durch geeignete Maßnahmen dem Risiko von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung begegnen.
Gruppenangehörige Unternehmen müssen die von ihrem Mutterunternehmen ergriffenen Maßnahmen zusätzlich zu den Maßnahmen, die aus ihrer Stellung als geldwäscherechtlich Verpflichtetem folgt, umsetzen.
Gruppenangehörige Unternehmen, die selbst nachgeordnet sind, deren Mutterunternehmen jedoch keine gruppenweiten Maßnahmen zu ergreifen haben, müssen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in die Rolle eines Mutterunternehmens schlüpfen und gruppenweite Maßnahmen durchführen. Dadurch wird insbesondere bei Konzernstrukturen mit Industrieholding als Mutterunternehmen ohne eigenen operativen Geschäftsbetrieb die Verantwortlichkeit für gruppenweite Maßnahmen auf eine untere Hierarchieebene im Konzern verlagert.
4. Kundensorgfaltspflichten
Neben dem Aufbau eines Risikomanagementsystems müssen Verpflichtete Sorgfaltspflichten in Bezug auf ihre Kunden einhalten. Diesbezüglich sind mit dem Umsetzungsgesetz einige Verschärfungen in Kraft getreten, die in der unternehmerischen Praxis seit 1. Januar 2020 zu beachten sind.
Verpflichtete sind nunmehr angehalten zu Beginn einer neuen Geschäftsbeziehung mit bestimmten Kunden zur Erfüllung ihrer allgemeinen Sorgfaltspflichten entweder die beim Transparenzregister hinterlegten Informationen abzufragen oder vom Geschäftspartner eine Bestätigung, dass dieser seinen Meldepflichten zum Transparenzregister nachgekommen ist, einzuholen und angemessene Maßnahmen zur Überprüfung des wirtschaftlichen Berechtigten zu ergreifen. Maßnahmen zur Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten sowie die Dokumentation der Eigentums- und Kontrollstruktur oder etwaige Schwierigkeiten bei der Ermittlung sind aufzuzeichnen und zu dokumentieren.
Bedeutsame Auswirkungen für die tägliche Praxis von international tätigen Unternehmen könnte die Neuregelung im Hinblick auf sog. Hochrisikoländer haben. Verpflichtete haben nunmehr immer dann, wenn sie Geschäfte mit Beteiligung eines Drittstaats mit erhöhtem Risiko oder einer natürlichen oder juristischen Person aus einem solchen Drittstaat tätigen wollen, verstärkte Sorgfaltspflichten durchzuführen, d.h. zum Beispiel zusätzliche Informationen über ihren Vertragspartner, den wirtschaftlich Berechtigten, die Art der Geschäftsbeziehung sowie das Vermögen des wirtschaftlich Berechtigten einzuholen, bevor die Geschäftsbeziehung eingegangen wird, und die Geschäftsbeziehung verstärkt zu überwachen. Die EU-Kommission führt eine Liste der von ihr festgestellten Drittstaaten mit erhöhtem Risiko.
5. Sonstige praxisrelevante Änderungen im GwG
Folgende weitere Änderungen sollten Unternehmen im Blick haben:
- Verpflichtete haben sich künftig unabhängig von der Abgabe einer Verdachtsmeldung bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen („FIU“) elektronisch zu registrieren.,
- Verdachtsmeldungen gemäß § 43 GwG, die alle in § 261 Abs. 9 Satz 1 StGB erforderlichen Angaben enthalten, gelten zukünftig zugleich als strafrechtliche Selbstanzeige
- Der Katalog der Bußgeldvorschriften wurde erweitert. Für einige wesentliche Zuwiderhandlungen, z.B. die fehlenden Benennung eines für das Risikomanagement zuständiges Mitglieds der Leitungsebene und die unterbliebene Benennung eines (Gruppen-)Geldwäschebeauftragten wurde der eine Haftung auslösende Verschuldensmaßstab von Leichtfertigkeit auf Fahrlässigkeit herabgesenkt. Im Übrigen können Zuwiderhandlungen aber weiterhin nur bei vorsätzlicher oder leichtfertiger Begehung von der zuständigen Aufsichtsbehörde geahndet werden.
III. Fazit
Das Thema Geldwäsche bleibt (auch) aus Sicht von Nichtfinanzunternehmen im Jahr 2020 aktuell. Anforderungen an die Erfüllung von Kundensorgfaltspflichten und deren Dokumentation durch geldwäscherechtlich Verpflichtete steigen deutlich an. Um bei Prüfungen durch die zuständige Aufsichtsbehörde zu bestehen, ist Verpflichtetem anzuraten, ihr Geldwäsche-Compliance-System auf die neue Gesetzeslage anzupassen.
Für Verpflichtete, für die das Gesetz Privilegierungstatbestände vorsieht, lohnt es sich zudem zu überprüfen, ob sie die Privilegierungsvoraussetzungen erfüllen (können). Privilegierte Verpflichtete sind zwar nicht per se von ihren geldwäscherechtlichen Pflichten befreit, können aber den Umfang ihrer geldwäscherechtlichen Pflichten und die damit verbundenen Anforderungen an des unternehmensinterne Compliance-Management-Systems deutlich reduzieren, wenn die Einhaltung der Privilegierungsvoraussetzungen (dauerhaft) sichergestellt werden kann.
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