LEISTUNGEN DRITTER ALS GRUNDERWERBSTEUERLICHE GEGENLEISTUNG
Zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gehören bei der Veräußerung eines Grundstücks an eine Gesellschaft nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch Leistungen eines Dritten an den Grundstücksveräußerer für den Erwerb von Anteilen an der künftig grundbesitzenden Gesellschaft, wenn der Hauptzweck dieser Leistungen darin besteht, den Grundstücksveräußerer zur Übertragung des Grundstücks an die Gesellschaft zu veranlassen.
I. Einleitung
Die Grunderwerbsteuer ist eine Verkehrsteuer, die sich auf Rechtsänderungen an Grundstücken, wie z.B. den Erwerb von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten (bspw. Erbbaurechte), bezieht und auf diese erhoben wird. Sie wird als Prozentsatz des Kaufpreises oder des Wertes des Grundstücks berechnet und ist in Deutschland eine der wichtigsten Einnahmequellen der Länder.
Die Höhe der Grunderwerbsteuer variiert je nach Bundesland in Deutschland und liegt zwischen 3,5 % und 6,5 %. Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG grundsätzlich der Wert der Gegenleistung, wobei das Grunderwerbsteuergesetz in bestimmten Fällen Anpassungen über § 9 GrEStG vorsieht.
In einem aktuellen Urteil hatte der Bundesfinanzhof über die Anwendung der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG, die Leistungen Dritter in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezieht, zu entscheiden. Ausgangspunkt war eine in der Literatur zur Reduzierung der Grunderwerbsteuer diskutierte Gestaltung durch eine Kombination aus Grundstückkaufvertrag und Anteilkaufvertrag in Bezug auf eine Grundstücksgesellschaft.
II. Sachverhalt
Am 22. Dezember 2014 erwarb die A-GmbH sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin, ebenfalls einer GmbH, und veräußerte dieser eine Gewerbeimmobilie im Wert von 42,2 Mio. EUR. Vereinbart wurde ein Kaufpreis von (lediglich) 6,33 Mio. EUR. Der darüber hinaus gehende Grundstückswert von 35,87 Mio. EUR sollte als freiwillige Zuzahlung in die Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) der Klägerin geleistet werden.
Dem Anteilserwerb und der Grundstücksübertragung vorgelagert, hatte die A-GmbH am 8. Dezember 2014 einen Kaufvertrag über die noch zu erwerbenden Anteile an der Klägerin mit der C-AG sowie der D-GmbH abgeschlossen. Danach sollte die C-AG 94,9 % der Anteile an der Klägerin zu einem Kaufpreis von rd. 34,07 Mio. EUR sowie die D-GmbH 5,1 % der Anteile zu einem Kaufpreis von rd. 1,83 Mio. EUR von der A-GmbH erwerben, sobald die Klägerin als Eigentümerin der vorgenannten Gewerbeimmobilie im Grundbuch eingetragen war oder der Notar zumindest bestätigt, dass der Eintragung keine Hindernisse entgegenstanden. Darüber hinaus wurde eine Übernahme des noch von der A-GmbH an die Klägerin zu gewährenden Gesellschafterdarlehens über 6,33 Mio. EUR durch die C-AG sowie ein „Umstrukturierungsbeitrag“ der C-AG und der D-GmbH, insbesondere zur Deckung der anfallenden Grunderwerbsteuer, vereinbart. Sollte der Kaufvertrag über die Anteile an der Klägerin nicht zustande kommen, war die A-GmbH zur Rückabwicklung der Grundstücksübertragung sowie zur Beantragung der Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung verpflichtet. Ein nicht verbrauchter Umstrukturierungsbeitrag sollte erstattet werden.
Das zuständige Finanzamt erlies daraufhin einen Grunderwerbsteuerbescheid für den Erwerb der Gewerbeimmobilie durch die Klägerin, in dem neben dem Kaufpreis für das Grundstück aus der Übertragung vom 22. Dezember 2014 auch die Kaufpreise aus der Anteilsveräußerung vom 8. Dezember 2014 berücksichtigt wurden. Die Grunderwerbsteuer wurde somit basierend auf einer Bemessungsgrundlage von 42,2 Mio. EUR, anstatt 6,33 Mio. EUR, ermittelt. In den Erläuterungen zum Bescheid wurde in Bezug auf die Berücksichtigung der Leistungen der C-AG sowie der D-GmbH auf § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG verwiesen.
III. Rechtliche Einordnung
Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer, wie einleitend bereits dargestellt, grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung. Dieser ist nach § 9 GrEStG zu bestimmen, wobei bei einem Grundstückskauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen zugrunde zu legen ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dies gilt regelmäßig auch dann, wenn der vereinbarte Kaufpreis, wie im Entscheidungsfall, unter dem Verkehrswert des übertragenen Grundstücks liegt. Nur dann, wenn lediglich ein symbolischer Kaufpreis vereinbart wird, kann dieser nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. In diesem Fall ist die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu bestimmen.
Nach § 9 Abs. 2 GrEStG gehören zur Gegenleistung aber auch andere Leistungen, beispielsweise solche, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG). Erforderlich ist insofern, dass die Leistung des Dritten einen finalen Bezug zur Überlassung des Grundstücks an den Erwerber hat, wobei der finale Bezug weder aus Sicht des Veräußerers noch aus Sicht des Erwerbers zu beurteilen ist. Die Zweckrichtung ist vielmehr allein aus Sicht des Dritten zu bestimmen. Dabei braucht der Erwerber von der Leistung weder etwas zu wissen noch muss der Dritte „im Lager“ des Erwerbers stehen (BFH vom 22. Oktober 2023 – II B 158/02, BFH/NV 2004, 228).
IV. Entscheidung
Im Entscheidungsfall hatte bereits die Vorinstanz die Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG bejaht. Insbesondere die Bestimmungen im Übertragungsvertrag und im Anteilskaufvertrag würdigte das Finanzgericht dahingehend, dass neben dem Kaufpreis von 6,33 Mio. EUR auch die durch die C-AG und die D-GmbH für die Anteile an der Klägerin gezahlten Beträge i.H.v. insgesamt 35,87 Mio. EUR als Gegenleistung für den Grundstückskauf zu berücksichtigen waren.
Der BFH bestätigte die Entscheidung: es sprechen eine Reihe von Indizien dafür, dass die C-AG und die D-GmbH ein eigenes Interesse daran hatten, dass die Klägerin grundbesitzend sei. Insbesondere die Pflicht zur Rückabwicklung der Grundstücksübertragung für den Fall des Scheiterns des Anteilskaufs an der Klägerin einschließlich der Verpflichtung zur Antragstellung auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung sowie die vereinbarte Übernahme der Grunderwerbsteuer durch die C-AG und D-GmbH in Form des Umstrukturierungsbeitrags sprechen aus Sicht des Gerichts für einen finalen Bezug der Leistungen zur Grundstücksübertragung, so dass eine Berücksichtigung über § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gerechtfertigt war.
Der Ansicht der Klägerin, die Gegenleistung sei vorliegend nur nach dem vereinbarten Kaufpreis zu bestimmen, weil dieser nicht lediglich symbolischer Natur sei, erteilte der BFH eine Absage. Ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt war das Vorbringen der Klägerin, im Fall der Berücksichtigung der Zahlungen der C-AG und der D-GmbH läge eine unzulässig Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer vor. Abgesehen davon, dass die Transaktionsstruktur durch Einschalten eines sog. RETT-Blockers in Form der D-GmbH eine Anteilsvereinigung offensichtlich gerade zu vermeiden versuchte, unterlag die Grundstücksübertragung der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, während die Anteilsübertragung in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG gefallen wäre. Diese Besteuerungstatbestände stehen jedoch selbständig nebeneinander (§ 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG), so dass die Bemessungsgrundlage für die Tatbestände jeweils gesondert zu ermitteln ist.
V. Hinweis
Der Entscheidungsfall zeigt, wie hoch die Motivation in der Gestaltungspraxis ist, die Grunderwerbsteuer möglichst niedrig zu halten. Vorliegend war ein Grunderwerbsteuersatz von 6 % (Hessen) auf einen Grundstückswert von 42,2 Mio. EUR anzuwenden. Daher hatten die Beteiligten versucht, die Grunderwerbsteuer durch Vereinbarung eines Kaufpreises, welcher bewusst deutlich unter dem Verkehrswert angesiedelt war, zu reduzieren und die Wertdifferenz zum Verkehrswert der Gewerbeimmobilien über den Anteilskaufpreis, ohne entsprechende Grunderwerbsteuerbelastung, zu realisieren.
Bisher wurde die Frage, ob die Anteilskaufpreise bei einer solchen Gestaltung in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, in der Literatur unterschiedlich beantwortet (dafür: Schanko, UVR 2016, 145; dagegen: Behrens, DStR 2017, 82). Jetzt schafft die Rechtsprechung Klarheit und schiebt dieser Strukturierung einen Riegel vor.
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