MEHR TRANSPARENZ – MEHR RECHTSSICHERHEIT? DER SOG. MAURACHER ENTWURF ZUR MODERNISIERUNG DES PERSONENGESELLSCHAFTSRECHTS
Am 20. April 2020 hat die vom BMJV eingesetzte Expertenkommission den sog. Mauracher Entwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgelegt. Der Entwurf sieht insbesondere die Einführung eines öffentlichen Registers für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Kodifizierung eines Beschlussmängelrechts im Personengesellschaftsrecht und die Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für die gemeinsame Berufsausübung von Freiberuflern vor. Gesellschafter von Personengesellschaften sollten die weiteren Bemühungen im Gesetzgebungsprozess im Auge behalten, um den sich daraus ergebenden Anpassungsbedarf zu ermitteln und rechtzeitig umzusetzen.
I. Der Mauracher Entwurf
Einer Empfehlung des 71. Deutschen Juristentages aus dem Jahr 2016 folgend, hat die Große Koalition im Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 die Anpassung des teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammenden Personengesellschaftsrechts auf die Bedürfnisse eines modernen und vielfältigen Wirtschaftslebens vereinbart. Ausgehend davon hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) eine Kommission, besetzt mit Gesellschaftsrechtsexperten aus Wissenschaft und Praxis, zur Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs eingesetzt. Dieser soll die Grundlage für ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren sein. Am 20. April 2020 hat die Expertenkommission die Ergebnisse ihrer Beratungen – den sog. Mauracher Entwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts – vorgelegt. Ziel der vorgeschlagenen Neuregelungen und Änderungen von insgesamt 39 Gesetzen ist es, den Systemwechsel gesetzlich nachzuvollziehen und die Diskrepanzen zwischen dem geschriebenen Recht und der praktischen Rechtsanwendung und -gestaltung im Interesse der Rechtssicherheit zu beseitigen. Im Rahmen dieses Newsletter-Beitrages möchten wir Ihnen die wesentlichen Inhalte des Mauracher Entwurfs vorstellen und einen kurzen Ausblick im Hinblick auf das geplante Gesetzgebungsverfahren geben.
II. Wesentliche Regelungen des Mauracher Entwurfs
1. Gesellschaftsregister und eGbR
Das bisherige gesetzliche Leitbild geht von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als „nicht-rechtsfähige Innengesellschaft“ aus. Dass eine GbR, die am Rechtsverkehr teilnimmt (sog. Außen-GbR), selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann, erkennt die Rechtsprechung bereits seit einigen Jahren an. Eine gesetzliche Regelung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR fehlte jedoch bisher. In der Praxis kommt die Außen-GbR aus verschiedensten Gründen, teilweise auch steuerlicher Art, sehr häufig vor. Der Mauracher Entwurf greift diese Diskrepanz zwischen dem geschriebenen Recht einerseits und der Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung durch die Praxis und Rechtsprechung andererseits auf. Der Entwurf unterscheidet wie bisher zwischen (nicht rechtsfähiger) Innen- und (rechtsfähiger) Außen-GbR, kehrt das gesetzliche Leitbild jedoch um und erkennt die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR ausdrücklich gesetzlich an (§ 705 Abs. 2 BGB-E).
Der Entwurf unterscheidet auch weiterhin zwischen nicht gewerblichen Personengesellschaften und Personenhandelsgesellschaften mit der Konsequenz, dass die GbR nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann. Jedoch sieht der Entwurf vor, dass die Außen-GbR in ein eigenständiges, an dem Handelsregister orientiertes öffentliches Gesellschaftsregister mit Publizitätswirkung eingetragen werden kann (§§ 707ff. BGB-E). Mit Eintragung ist die Gesellschaft berechtigt, als „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu firmieren (§ 707a Abs. 3 BGB-E). Die Eintragung soll für die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR nicht erforderlich sein und es besteht grundsätzlich auch keine Eintragungspflicht. Der Mauracher Entwurf setzt jedoch Anreize für eine Eintragung. So kann nur die eGbR Rechte in andere Register, wie beispielsweise das Grundbuch oder das Markenregister, eintragen lassen.
Den Angaben im Gesellschaftsregister kommt nach dem Mauracher Entwurf öffentlicher Glaube zu. Geschäftspartner der eGbR sollen sich grundsätzlich auf die Angaben im Gesellschaftsregister berufen können. Dies soll selbst dann gelten, wenn die Angaben tatsächlich nicht mehr richtig sind, aber nicht aus dem Gesellschaftsregister gelöscht werden. Die fehlende Kaufmannseigenschaft der GbR umfasst der öffentliche Glaube des Gesellschaftsregisters jedoch nicht (§ 707a Abs. 2 BGB-E). Sobald der Zweck einer GbR auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist, wandelt sich die GbR zu einer OHG um. Wie bisher ist dann die Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden. Für diesen Fall sieht der Mauracher Entwurf das Institut des sog. Statuswechsels vor, das die Umtragung von einem Register in das andere ermöglicht.
Ist eine GbR einmal in das Gesellschaftsregister eingetragen worden, kann die Eintragung nicht beliebig rückgängig gemacht werden. Relevante Veränderungen müssen zum Register angemeldet werden, wodurch Kontinuität der durch die Eintragung geschaffenen Transparenz gewährleistet werden soll.
2. Beschlussmängelstreitigkeiten
Ein weiterer Kernbereich des Mauracher Entwurfs ist die Einführung eines Beschlussmängelrechts für Personengesellschaften (§§ 714a-714e BGB-E). Nach bisher geltendem Recht sind fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse in Personengesellschaften grundsätzlich nichtig. Im Wege von Feststellungsklagen können Beschlussmängel ggf. noch lange nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden. Häufig finden sich daher in Gesellschaftsverträgen Klauseln über die rechtzeitige Geltendmachung von Beschlussmängeln. Der Entwurf kodifiziert nun ein einheitliches Beschlussmängelrecht, das sich an dem Recht der Aktiengesellschaften orientiert und für alle Personengesellschaften zwischen anfechtbaren und nichtigen Gesellschafterbeschlüssen unterscheidet. Zur Nichtigkeit sollen nur noch Verstöße gegen unverzichtbare Rechtsvorschriften führen, die durch eine gegen die Gesellschaft zu richtende Nichtigkeitsklage oder in sonstige Weise geltend gemacht werden können. Einen konkreten Katalog von Nichtigkeitsgründen, wie etwa im AktG enthalten, sieht der bisherige Entwurf nicht vor, sondern beschränkt sich auf eine sehr allgemeine Regelung. Sonstige Verletzungen des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages führen anstatt zu einer Unwirksamkeit, (nur) zu einer Anfechtbarkeit des fehlerhaften Beschlusses. Gegen anfechtbare Beschlüsse muss eine gegen die Gesellschaft zu richtenden Anfechtungsklage erhoben werden. Vorgesehen ist hierfür eine Klagefrist von drei Monaten. Unterbleibt eine Anfechtungsklage innerhalb der vorgesehenen Frist, wird der anfechtbare Beschluss bestandskräftig. Der Mauracher Entwurf will auf diese Weise zur Rechtssicherheit für länger zurückliegende Beschlüsse beitragen.
Im Rahmen der Gestaltungsfreiheit steht es den Gesellschaftern offen, das neue Regelungsmodell abzubedingen und andere Regelungen zu treffen (§ 708 BGB-E).
3. Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für die gemeinsame Berufsausübung von Freiberuflern
Nach der geltenden Gesetzessystematik sind die Rechtsformen der Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich Kaufleuten vorbehalten. Das hat zur Folge, dass Freiberuflern diese Rechtsformen bislang grundsätzlich verwehrt geblieben sind. Die Rechtsprechung hat zahlreiche Uneinheitlichkeiten gezeitigt und verschiedene freiberufliche Disziplinen zumindest im Ergebnis uneinheitlich behandelt. Der Kommissionsentwurf schlägt daher vor, für Freiberufler die Organisation in der Rechtsform einer OHG oder KG zu ermöglichen – vorausgesetzt, das jeweilige Berufsrecht lässt die Wahl einer solchen Rechtsform zu (§§ 107 Abs. 1 S. 2, 162 Abs. 2 BGB-E). Über den Vorbehalt der Zulässigkeit nach dem Berufsrecht soll dabei sichergestellt werden, dass die jeweiligen Berufsgruppen passende Schutzvorkehrungen treffen können, etwa in Form von Versicherungspflichten oder Vorgaben zum Anteilserwerb durch Berufsfremde.
Der Mauracher Entwurf eröffnet somit Freiberuflern weitere Wahlmöglichkeiten für die Berufsausübung. Insbesondere könnten sich Freiberufler auch in einer GmbH & Co. KG organisieren, bei der die Möglichkeit der generellen Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der Gesellschaft besteht. Das PartGG soll nach dem Entwurf nicht aufgehoben werden, sodass auch die Partnerschaftsgesellschaft mbB weiterhin eine mögliche Gesellschaftsform bliebe.
III. Ausblick und Fazit
Der Mauracher Entwurf versucht, eine Reihe von Ungereimtheiten des geltenden Rechts der Personengesellschaften zu beseitigen, indem von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze gesetzlich geregelt werden. Mit der gesetzlichen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR setzt der Mauracher Entwurf schon lang anerkanntes Richterrecht in Gesetzesrecht um, bietet mit der Einführung eines Gesellschaftsregisters Transparenz im Außenverhältnis und erhöht die Rechtssicherheit. Das Ziel des Mauracher Entwurfs, eine „grundlegende Reform“ des Personengesellschaftsrechts zu schaffen, um den Anforderungen eines modernen, vielfältigen Wirtschaftslebens gerecht zu werden, könnte nicht zuletzt durch die neu gewonnene Transparenz, Rechtssicherheit und der neu eröffneten Möglichkeit der Organisation als Personenhandelsgesellschaft für Freiberufler, erreicht sein.
Ein genauer Zeitplan für das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes, ist derzeit nicht bekannt. Die Expertenkommission hat die Frage nach dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen gesetzlichen Neuregelungen explizit offen gelassen, insbesondere weil noch nicht absehbar sei, wie lange die Errichtung des Gesellschaftsregisters dauern wird. Nach dem Koalitionsvertrag müsste das geplante Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Das BMJV erwartet die Stellungnahmen der Verbände bis Ende Juli 2020.
Der Entwurf bestätigt und erweitert bestehende und eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten, erfordert aber auch neue Überlegungen und Entscheidungen. Gesellschafter von Personengesellschaften, insbesondere GbRs, sollten daher die Entwicklungen im Auge behalten, um rechtzeitig auf die zu erwartenden Neuerungen reagieren zu können und um Gesellschaftsverträge an die Gesetzesänderung anzupassen.
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