NEUE REGELUNGEN ZUM GEHEIMNISSCHUTZ
Am 8. Juni 2016 hat die Europäische Union die Richtlinie zum Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (Geheimnisschutz-Richtlinie) beschlossen. Auch wenn die Umsetzung des deutschen Gesetzgebers noch nicht abgeschlossen ist, deutet sich bereits jetzt an, was Unternehmen in Zukunft zum Schutz von Geschäftsinformationen beachten müssen.
I. Hintergrund
Unternehmen investieren regelmäßig viel Geld und Zeit in den Erwerb und in die Anwendung von Know how. In vielen Fällen sind solche Informationen für den Wettbewerb und den Markterfolg des Unternehmens sogar von entscheidender Bedeutung. Das Schutzbedürfnis für die Geheimhaltung bestimmter geschäftlicher Informationen liegt damit auf der Hand. Und dennoch genießen diese Informationen nur partiell einen gesetzlichen Schutz. Im Rahmen des geistigen Eigentums können beispielsweise Patente, Geschmacksmuster oder Urheberrechte geschützt werden. Der Schutz von zum Beispiel Informationen über Kunden und Lieferanten, von Businessplänen oder Geschäftsstrategien kann damit aber nicht verwirklicht werden. Dem Schutzbedürfnis trägt die Europäische Union mit der Geschäftsgeheimnisschutz-Richtlinie Rechnung. Zur Umsetzung der Geschäftsgeheimnisschutz-Richtlinie in deutsches Recht liegt derzeit der Regierungsentwurf für ein Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor, mit dessen Inkrafttreten im ersten Quartal 2019 gerechnet wird. Da die Frist für die Umsetzung der Richtlinie bereits am 9. Juni 2018 abgelaufen ist, können Regelungen der Geschäftsgeheimnisschutz-Richtlinie auch schon vor Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes unmittelbar zur Anwendung kommen.
II. Welche Information ist als Geschäftsgeheimnis geschützt?
Die Geheimnisschutz-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und der Regierungsentwurf eröffnen einen eigenen Regelungsbereich, der darauf abzielt Produkte zu verhindern, deren Konzeption, Merkmale, Funktionsweise, Herstellungsprozess oder Marketing in erheblichem Umfang auf einem rechtswidrig erworbenen, genutzten oder offengelegten Geschäftsgeheimnis beruht.
Deshalb ist als Geschäftsgeheimnis nach dem Regierungsentwurf und der Geheimnisschutz Richtlinie jede Information geschützt, die „weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich“ ist und deshalb einen kommerziellem Wert hat. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die geschäftliche Information durch den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ihres rechtmäßigen Inhabers geschützt ist. Die sehr vage Formulierung eines Geschäftsgeheimnisses ist notwendig, um der Vielseitigkeit von Informationen in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen auch zukünftig Rechnung tragen zu können. Damit werden zulasten der Rechtsklarheit Rechtslücken vermieden, um einen umfassenden Rechtsschutz zu ermöglichen.
III. Verbotene Handlungsweisen im Umgang mit Geschäftsgeheimnissen
Die weitreichende Formulierung des Geschäftsgeheimnisses spiegelt sich ebenso in der Darstellung der rechtswidrigen Handlungsweisen wider. Dabei trennt die Richtlinie zwischen dem rechtswidrigen Erwerb, der rechtswidrigen Nutzung und der rechtswidrigen Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und nennt jeweils verschiedene Beispiele. Auf diese Weise können die verschiedenen Facetten des Umgangs mit Geschäftsgeheimnissen Berücksichtigung finden.
Ein rechtswidriger Erwerb liegt beispielsweise vor, wenn sich jemand unberechtigt Zugang zu Dokumenten oder Dateien verschafft, die der rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unterliegen. Dabei müssen die Dokumente oder Dateien das Geschäftsgeheimnis enthalten oder es muss sich aus denen zumindest ableiten lassen. Ebenso liegt die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses vor, wenn es durch die unbefugte Aneignung von Bestandteilen eines auf der Grundlage des Geschäftsgeheimnisses hergestellten Produkts erlangt wird.
Darüber hinaus ist ein Handeln zum Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses rechtswidrig, wenn es „unter den jeweiligen Umständen als mit einer seriösen Geschäftspraxis nicht vereinbar gilt“. Ein solch offen formulierter Verbotstatbestand findet sich ebenso im Regierungsentwurf wieder und dürfte für erhebliche Rechtsunsicherheit sorgen. Es bleibt damit abzuwarten, inwieweit die Rechtsprechung die Voraussetzungen weiter konkretisiert und wie sie mit Verletzungen von Geschäftsgeheimnissen umgeht.
Erwirbt jemand ein Geschäftsgeheimnis auf rechtswidrige Weise, dann ist ihm ohne Zustimmung des Inhabers gleichermaßen untersagt das Geschäftsgeheimnis zu nutzen oder zu offenbaren. Der rechtswidrige Erwerb setzt sich somit in der rechtswidrigen Nutzung und Offenlegung von Geschäftsinformationen fort. Eine Nutzung oder Offenlegung ist ebenso verboten, wenn dadurch gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder eine sonstige Verpflichtung verstoßen wird, die dem Schutz des Geschäftsgeheimnisses gewidmet ist.
Damit Geschäftsgeheimnisse ganzheitlich geschützt werden, gilt ebenso der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses als rechtswidrig, wenn die Person zum Zeitpunkt des Erwerbs, der Nutzung oder der Offenlegung wusste oder hätte wissen müssen, dass sie unmittelbar oder mittelbar über eine andere Person rechtswidrig in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt war. Die Geheimnisschutz-Richtlinie und der Regierungsentwurf stellen damit einen umfassenden Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Aussicht.
IV. Erlaubte Handlungsweisen im Umgang mit Geschäftsgeheimnissen
Da es im stetigen Wettbewerb um Innovation und Know-how zu Überschneidungen bei Geschäftsgeheimnissen kommen kann, setzen sich die Geheimnisschutz-Richtlinie und der Regierungsentwurf nicht nur mit verbotenen Handlungsweisen auseinander, sondern nennen gleichermaßen die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Erwerb sowie eine rechtmäßige Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen. Es ist beispielsweise rechtmäßig, wenn jemand ein Geschäftsgeheimnis durch unabhängige Entdeckung oder Schöpfung erlangt.
Des Weiteren ist das „Reverse Engineering“, also die Erlangung eines Geschäftsgeheimnis durch Beobachtung, Untersuchung, Rückbau oder Testen eines Produkts, eine rechtmäßige Handlungsweise im Sinne der Vorschrift. Voraussetzung ist jedoch, dass das Produkt öffentlich verfügbar gemacht wurde oder sich im rechtmäßigen Besitz des Untersuchenden befindet. Zudem darf der Untersuchende keiner – zum Beispiel vertraglichen – Pflicht zur Beschränkung des Erwerbs des Geschäftsgeheimnisses unterliegen.
Zuletzt erkennt die Europäische Union ein Handeln als rechtmäßig an, wenn es „unter den gegebenen Umständen mit einer seriösen Geschäftspraxis vereinbar ist“. Der Regierungsentwurf greift ein solches Handeln nicht auf, sodass sich die deutschen Gerichte unter Umständen mit einer mangelnden Umsetzung der Richtlinie auseinandersetzen werden müssen.
V. Rechtfertigungsgründe für eine ausnahmsweise zulässige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen
Die Geheimnisschutz-Richtlinie stellt im Einklang mit dem Regierungsentwurf ausdrücklich fest, dass keine Verletzungen von Geschäftsgeheimnissen vorliegt, wenn ein Handeln für die Ausübung der Meinungsfreiheit insbesondere zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines anderen Fehlverhaltens erforderlich ist und dabei in der Absicht gehandelt wird, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Damit soll insbesondere ein Whistleblowing ermöglicht werden.
VI. Folgen einer Verletzung von Geschäftsgeheimnissen
Die Rechtsfolgen einer Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses sind vielfältig. Nach dem Regierungsentwurf kann der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses vom Rechtsverletzer Auskunft über die Umstände der Rechtsverletzung verlangen. Zudem kann der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses den Schädiger auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Darüber hinaus enthält der Entwurf hinsichtlich des rechtsverletzenden Produkts einen Anspruch des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses auf Vernichtung, Herausgabe, Rückruf sowie Entfernung und Rücknahme vom Markt.
Des Weiteren ist der Rechtsverletzer dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses zum Ersatz des aus dem rechtswidrigen Umgang mit dem Geschäftsgeheimnis resultierenden Schadens verpflichtet. Dabei kann der Schadensersatzanspruch auch an eine verspätete oder unzureichende Auskunft anknüpfen. Die Geheimnisschutz-Richtlinie betont im Zusammenhang mit dem Schadensersatzanspruch, dass zur Bestimmung des Schadensersatzbetrages allen relevanten Faktoren Rechnung getragen werden muss. Deshalb sind neben dem Einkommensverlust des Inhabers und dem unlauteren Gewinn des Rechtsverletzers insbesondere die dem Inhaber entstandenen immateriellen Schäden zu berücksichtigen.
Da die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen gemäß §§ 17 – 19 UWG bereits heute teilweise strafbar ist, nimmt der deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der Geschäftsgeheimnisschutz-Richtlinie zum Anlass die bestehenden Vorschriften mit der Geheimnisschutz-Richtlinie anzugleichen. Die Straftatbestände in §§ 17 – 19 UWG sollen fortan in dem Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen aufgehen. Der Regierungsentwurf stellt deshalb in § 23 einzelne verbotene Handlungsweisen unter Strafe, sofern der Rechtsverletzer dabei bestimmte subjektive Voraussetzungen erfüllt. Dabei genügt es, wenn der Rechtsverletzer beispielsweise aus Eigennutz oder zugunsten eines Dritten handelt oder in dem Bewusstsein tätig wird, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern. Das Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Zudem ist bereits der Versuch strafbar.
Der Regierungsentwurf enthält daher nicht nur zivilrechtliche Vorschriften, sondern vervollständigt den Schutz von Geschäftsgeheimnissen auch in einer strafrechtlichen Dimension.
VII. Ausblick
Der umfassende Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist Fluch und Segen zugleich. Die unterschiedlichen Ansprüche des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses sorgen zwar dafür, dass den unterschiedlichen Facetten einer Rechtsverletzung begegnet wird, jedoch trägt die Definitionsarbeit des europäischen Gesetzgebers zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei. Dabei stellt der Regierungsentwurf nicht in Aussicht, dass vom deutschen Gesetzgeber eine weitergehende Konkretisierung erwartet werden kann.
Dennoch ist Inhabern von Geschäftsgeheimnissen in Anbetracht der Strafandrohung und des Schadensersatzanspruchs zu raten, den weiteren Gesetzgebungsprozess zu verfolgen und die unternehmensinternen Prozesse mit dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und der zugrundeliegenden Geheimnisschutz-Richtlinie sorgfältig abzugleichen.
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