NEUERUNGEN UND ÄNDERUNGEN IM WERKVERTRAGSRECHT
Werkverträge, die seit dem 1. Januar 2018 geschlossen werden, unterliegen geänderten Vorschriften. Insbesondere das speziell für Bauverträge geltende Recht wurde erheblich erweitert. Daneben wurden der „Bauträgervertrag“ sowie der „Architekten- und Ingenieursvertrag“ im BGB reglementiert. Jedoch betreffen Neuerungen bezüglich Abnahme, Abschlagszahlungen und außerordentliche Kündigung auch Unternehmen, die nicht in der Baubranche tätig sind.
I. Veränderungen im Werkvertragsrecht
Für beide Parteien eines Werkvertrages – Werkunternehmer wie auch Besteller – können sich durch die Änderungen des BGB im Bereich des Werkvertragsrechts erhebliche Auswirkungen ergeben.
Betreffend die Möglichkeit des Werkunternehmers, Abschlagszahlungen zu verlangen (§ 632a BGB), wurde das bisherige Erfordernis eines Wertzuwachses beim Besteller gestrichen. Mithin kann der Werkunternehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen verlangen. Der Besteller kann nun nicht mehr aufgrund wesentlicher Mängel die gesamte Zahlung des Abschlags verweigern, sondern nur noch einen angemessenen Teils des Abschlags zurückbehalten, wobei der Werkunternehmer zu dem Zeitpunkt die Beweislast dafür trägt, dass die Leistung vertragsgemäß ist.
Von praktische Bedeutung ist auch die Neuregelung im Bereich der Abnahme des Werkes. Während die Verpflichtung des Bestellers, ein vertragsgemäß hergestelltes Werk abzunehmen, weiter besteht und die Abnahmeverweigerung wegen unwesentlicher Mängel unverändert nicht möglich ist, wurde die sog. Abnahmefiktion umgestaltet. Nach dem neuen § 640 Abs. 2 BGB gilt ein Werk als abgenommen, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Auf die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Mängeln kommt es bei der fingierten Abnahme somit nicht mehr an. Reagiert der Besteller auf eine Aufforderung des Unternehmers nicht bzw. nicht rechtzeitig und liegen wesentliche Mängel vor, ist dies für den Unternehmer von Vorteil, weil schon wegen des Verzugs die Abnahme fingiert wird. Die Vorschrift kann jedoch auch zu seinen Lasten gehen, wenn der Besteller unter Hinweis auf unwesentliche Mängel die Abnahme verweigert oder tatsächlich gar nicht vorhandene Mängel meldet. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit dieser Regelung umgehen wird. Schließlich wird auch der terminus „Fertigstellung des Werks“ einigen Spielraum für Diskussionen bieten. Ist der Besteller ein Verbraucher, bedarf es für den Eintritt der Abnahmefiktion eines vorherigen Hinweises darauf in Textform.
Ferner wurde die Kündigung aus wichtigem Grund ausdrücklich im Werkvertragsrecht implementiert (§ 648a BGB). Wie bereits nach alter Rechtslage, als jedoch die Rechtsgrundlage für das Kündigungsrecht umstritten war, steht jeder Partei das Recht zur fristlosen Kündigung zu, wenn ihr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung beiderseitiger Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann. Gegebenenfalls muss das Verhalten vorher abgemahnt oder eine Frist zur Abhilfe gesetzt werden. Auch Teilkündigungen in Bezug auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks sind möglich. § 648a Abs. 4 BGB enthält einen Mechanismus zur Ermittlung des bisherigen Leistungsstandes. Der Unternehmer kann Zahlung nur für den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werkes verlangen, die Möglichkeit zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bleibt durch eine Kündigung jedoch unberührt.
II. Normierung des „Bauvertrages”
Der Vertragstyp „Bauvertrag“ hat nunmehr ein eigenes Kapitel im BGB erhalten. Die §§ 650a ff. BGB behandeln einige Besonderheiten des Bauvertrages als Spezialtypus des Werkvertrages. Teilweise ähneln die dortigen Regelungen denen der VOB/B. Definiert wird der Bauvertrag als ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Die wohl prägendsten Normen für den Bauvertrag sind die Regelungen in den §§ 650b – 650d BGB, in denen Rahmenbedingungen für den Fall einer Vertragsänderung getroffen werden. Wenn über eine vom Besteller geforderte Veränderung keine Einigung erzielt werden kann, wird ihm bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen − unter anderem dem Ablauf von 30 Tagen − ein einseitiges Anordnungsrecht gewährt. Die darauf folgende Vergütungsanpassung wurde ebenfalls gesetzlich geregelt. Entstehen im Zusammenhang mit dem Anordnungsrecht oder der Vergütungsanpassung Streitigkeiten, besteht nunmehr die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, ohne die Eilbedürftigkeit glaubhaft machen zu müssen.
Weitere Neuerungen sind beispielsweise die Einführung einer gemeinsamen Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme durch den Besteller und die Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts nach hinten: Erst nach Abnahme und Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung durch den Unternehmer wird sein Vergütungsanspruch fällig. Die Kündigung des Bauvertrags bedarf nunmehr der Schriftform.
Über die Reglementierung des „Verbraucherbauvertrags“ in den §§ 650i – 650n BGB findet zudem der Verbraucherschutz seinen Weg in das private Baurecht. Der Anwendungsbereich für den Vertragstyp ist jedoch eher klein, weil der Begriff des „Verbraucherbauvertrags“ deutlich enger gefasst ist als der des Bauvertrages, da er lediglich den Bau eines neuen Gebäudes oder erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude erfasst.
III. Weitere Neuerungen im Bereich des privaten Baurechts
Für das private Baurecht ebenfalls relevant ist die Einführung des Abschnittes „Architektenvertrag und Ingenieurvertrag“ in das BGB. Einige Besonderheiten betreffend die Beteiligung dieser beider Berufsgruppen an der Planung und Errichtung von Bauwerken und Außenanlagen wurden in den neuen §§ 650p – 650t BGB festgeschrieben.
Daneben wurde dem „Bauträgervertrag“ ein eigener Untertitel gewidmet, nämlich mit den §§ 650u und 650v BGB.
IV. Der Regress des Werkunternehmers
Für Werkunternehmer interessant ist ferner die Änderung im kaufvertraglichen Mängelrecht: Nach dem neugefassten § 439 Abs. 3 BGB kann ein Werkunternehmer von seinem Lieferanten auch die Erstattung ihm entstandener Ein- und Ausbaukosten verlangen, wenn das gelieferte Material mangelhaft war. Bislang war der Werkunternehmer zwar gegenüber dem Besteller verpflichtet, den Mangel zu beseitigen, konnte sich bei seinem Werkstoffhändler jedoch nicht vollumfänglich freihalten.
V. Fazit und Ausblick
Die Reform des Werkvertragsrechts hat in der Baubranche bereits jetzt in Hinblick auf die Vertragsgestaltung erhebliche Auswirkungen. Jedoch werden die Veränderungen im Werkvertragsrecht auch abseits des Baugewerbes spürbar sein, wenn es auf die neuen rechtlichen Bedingungen in den Bereichen Abnahme, Abschlagszahlungen und außerordentliche Kündigung ankommt – sei es im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung oder, wenn sich ein Konflikt abzeichnet.
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