NEUREGELUNG DES § 8d KStG – STEUERLICHE VERLUSTVORTRÄGE VON KÖRPERSCHAFTEN KÖNNEN BEI EINEM ANTEILSEIGNERWECHSEL IN BESTIMMTEN FÄLLEN GERETTET WERDEN
Gute Neuigkeiten für Körperschaften mit Verlustvorträgen im Falle eines Anteilseignerwechsels: Nach der Neuregelung des § 8d KStG können bestehende steuerliche Verlustvorträge im Falle eines Anteilseignerwechsels weiter genutzt werden, vorausgesetzt der bisherige Geschäftsbetrieb der Körperschaft wird fortgeführt und die Verluste werden nur in diesem Geschäftsbetrieb genutzt. § 8d KStG ist (rückwirkend) auf schädliche Beteiligungserwerbe seit dem 1. Januar 2016 anzuwenden.
I. Bisher: Untergang steuerlicher Verlustvorträge nach § 8c KStG
Nach dem Wortlaut des § 8c KStG wird die Nutzung von Verlusten von Körperschaften im Falle eines sog. schädlichen Beteiligungserwerbs eingeschränkt: Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % der Beteiligungs- oder Stimmrechte an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen, gehen die steuerlichen Verlustvorträge der Körperschaft anteilig in Höhe der Quote der übertragenen Beteiligungs- oder Stimmrechte unter. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die Norm des § 8c KStG jüngst für verfassungswidrig erklärt, soweit diese einen solchen anteiligen Verlustuntergang vorsieht, wenn mehr als 25 %, aber nicht mehr als 50 % der Beteiligungs- oder Stimmrechte übertragen werden.
Unberührt von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bleibt indes der vollständige Verlustuntergang, wenn mehr als 50 % der Beteiligungs- oder Stimmrechte übertragen werden.
Ziel von § 8c KStG war den früher verbreiteten sog. Verlustmantelkauf – also den Erwerb von nicht aktiv tätigen Körperschaften mit hohen Verlustvorträgen – zu unterbinden. Durch die sehr weite Formulierung des § 8c KStG wurde aber nicht nur der Handel mit Verlustmänteln getroffen, sondern es wurden u.a. auch Sanierungen erschwert und Startup-Unternehmen benachteiligt.
Sanierungsbedürftige Unternehmen sind häufig auf die Zuführung frischen Eigenkapitals angewiesen, sei es durch den Einstieg von neuen Investoren oder durch Sanierungskonzepte, welche die Wandlung von Fremdkapital in Eigenkapital vorsehen (sog. Debt-Equity-Swap). In beiden Fällen kommt es häufig zu einem „schädlichen“ Beteiligungserwerb und damit zum Wegfall der Verlustvorträge. Die insoweit als Ausnahme vom Verlustuntergang vorgesehene Regelung in § 8c Abs. 1a KStG ist mangels europarechtlicher Konformität unanwendbar.
Startup-Unternehmen haben naturgemäß Anlaufverluste, die im normalen Geschäftsverlauf vorgetragen und dann mit späteren Gewinnen verrechnet werden. Üblicherweise werden junge Unternehmen – häufig mehrmals – mit „frischem“ Eigenkapital im Rahmen von Finanzierungsrunden gefördert. Der Einstieg von Investoren führt häufig zum Anteilseignerwechsel – und damit zu einem „schädlichen“ Beteiligungserwerb im Sinne des § 8c KStG.
Die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen vom Untergang der Verlustvorträge gemäß § 8c KStG sind sehr überschaubar: Nur dann, wenn bestimmte Konzernkonstellationen vorliegen (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) oder soweit das Unternehmen über ausreichend der Besteuerung unterliegende stille Reserven verfügt (§ 8c Abs. 1 Sätze 6-8 KStG), bleiben die steuerlichen Verlustvorträge erhalten.
II. Neuregelung des § 8d KStG – der fortführungsgebundene Verlustvortrag
1. Zielsetzung
Durch die neue Vorschrift des § 8d KStG bezweckt der Gesetzgeber, den Verlustuntergang nach § 8c KStG in Fällen des Anteilseignerwechsels auf den ursprünglichen Zweck der Regelung, nämlich die Vermeidung von Missbrauch (Vermeidung des Handels mit Verlustvorträgen), zurückzuführen. Zugleich sollen steuerliche Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung durch den Neueintritt oder den Wechsel von Anteilseignern beseitigt werden.
Die Neuregelung bestimmt, dass der Untergang von Verlustvorträgen nach § 8c KStG auf Antrag des Steuerpflichtigen nicht eintritt, wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Wirtschaftsjahres vor dem Wirtschaftsjahr des schädlichen Beteiligungserwerbes ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhalten hat und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Wirtschaftsjahres des schädlichen Beteiligungserwerbs keine Einstellung des Geschäftsbetriebs stattfindet.
Die Neu-Regelung gilt für körperschaftsteuerliche Verluste und über die Verweisnorm des § 10a S. 10 GewStG auch für gewerbesteuerliche Verluste von Körperschaften sowie über § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG auch für die sog. Zinsschranke.
2. Geschäftsbetrieb und Antragstellung
Entscheidend ist somit, ob derselbe Geschäftsbetrieb bestand und fortgeführt wird. Dieser umfasst nach § 8d Abs. 1 Satz 3 KStG „die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und bestimmt sich nach qualitativen Merkmalen in einer Gesamtbetrachtung“. Solche qualitativen Merkmale sind insbesondere die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte, der Kunden- und Lieferantenkreis, die bedienten Märkte und die Qualifikation der Arbeitnehmer.
Nach § 8d Abs. 2 KStG wird der Einstellung des Geschäftsbetriebes gleichgestellt, wenn
- der Geschäftsbetrieb einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird;
- die Körperschaft einen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnimmt;
- die Körperschaft sich an einer Mitunternehmerschaft beteiligt;
- die Körperschaft die Stellung eines Organträgers im Sinne des § 14 Abs. 1 KStG einnimmt; oder
- auf die Körperschaft Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt.
Wurde seit der Gründung oder seit dem Beginn des dritten Wirtschaftsjahres vor dem Wirtschaftsjahr des schädlichen Beteiligungserwerbes ausschließlich derselbe Geschäftsbetrieb unterhalten und ist es nicht zu einem vorstehend genannten, gleichgestellten Ereignis gekommen, kann somit die Körperschaft einen Antrag stellen, mit der Folge, dass § 8c KStG nicht anzuwenden ist und somit trotz des schädlichen Beteiligungserwerbs ein Untergang steuerlicher Verluste nicht stattfindet.
Der Antrag auf Anwendung des § 8d KStG ist in der Steuererklärung für die Veranlagung des Veranlagungszeitraums zu stellen, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt.
3. Rechtsfolgen
Der Verlustvortrag, der zum Schluss desjenigen Veranlagungszeitraums verbleibt, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt, wird als sog. fortführungsgebundener Verlustvortrag gesondert ausgewiesen und festgestellt.
Erwirtschaftet das Unternehmen in späteren Wirtschaftsjahren Gewinne, ist der fortführungsgebundene Verlustvortrag vor einem nach § 10d Abs. 4 EStG festgestellten Verlustvortrag abzuziehen. Mit anderen Worten: der fortführungsgebundene Verlustvortrag wird vor einem etwaigen, später entstandenen Verlustvortrag „aufgebraucht“.
Kommt es in den folgenden Jahren jedoch zu einer Einstellung des Geschäftsbetriebes oder einem oben genannten, gleichgestellten Ereignis (§ 8d Abs. 2 KStG), geht der zuletzt festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag grundsätzlich unter. Lediglich soweit das Unternehmen über der Besteuerung unterliegende stille Reserven verfügt, wird der Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrags vermieden.
4. Zeitlicher Anwendungsbereich
§ 8d KStG ist erstmals auf schädliche Beteiligungserwerbe i.S.d. § 8c KStG anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2015 erfolgen.
III. Bewertung der Neuregelung
Die Regelung des § 8d KStG ist grundsätzlich zu begrüßen, da es Körperschaften mit steuerlichen Verlustvorträgen im Fall eines an sich schädlichen Beteiligungserwerbs die Möglichkeit eröffnet, die steuerlichen Verlustvorträge zu bewahren.
In der Praxis wird vor allem die Frage relevant werden, wann von einer „Einstellung des Geschäftsbetriebes“ oder einem in § 8d Abs. 2 KStG genannten „schädlichen Ereignis“ auszugehen ist und wie diese Merkmale von der Finanzverwaltung gehandhabt werden. Die aufgeführten Fälle schränken die unternehmerische Freiheit, aber auch die Umsetzung betriebswirtschaftlich sinnvoller Umorganisationen, zum Teil erheblich ein. Zudem gibt es „Graubereiche“: z.B. ab wann wird bei einer Verminderung des Umfangs des Geschäftsbetriebes die Grenze zur „Einstellung“ des Geschäftsbetriebes überschritten oder ab wann liegt bei einer Expansion des bestehenden Geschäftsbetriebes in angrenzende Geschäftsfelder eine schädliche Änderung des Geschäftsmodells vor – nach der Gesetzesbegründung soll „organisches Wachstum“ jedenfalls unschädlich sein.
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