OPTIONSMODELL FÜR PERSONENHANDELSGESELLSCHAFTEN IN PLANUNG
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts sollen die derzeit bestehenden Unterschiede bei der Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften beseitigt werden. Zentraler Bestandteil des Gesetzesentwurfs ist die Einführung eines sog. Optionsmodells, das zukünftig für Personenhandelsgesellschaften die Möglichkeit eröffnen soll, auf Antrag ertragsteuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Dieser Newsletterbeitrag zeigt die zentralen Eckpunkte des geplanten Optionsmodells auf und enthält darüber hinaus eine erste Einschätzung, in welchen Konstellationen der Wechsel des Besteuerungssystems von Vorteil sein kann.
I. Stand der Gesetzgebung
Der Bundestag hat am 21. Mai 2021 gleich zwei steuerlichen Gesetzentwürfen seine Zustimmung erteilt. Zum einen sind aufgrund des Gesetzentwurfs zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie, auch ATAD-Umsetzungsgesetz genannt, diverse Änderungen auf dem Gebiet des internationalen Steuerrechts geplant (hierzu wird es einen separaten Newsletterbeitrag geben). Zum anderen soll durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) ein weiterer Schritt in Richtung eines rechtsformneutralen Steuersystems gelingen. Von zentraler Bedeutung ist dabei das sog. Optionsmodell, dessen steuersystematischer Ansatz allerdings nicht neu ist. Denn bereits vor über 20 Jahren war das Modell schon einmal Gegenstand eines Reformvorhabens (vgl. hierzu BT-Drs. 14/2683) – damals aber offensichtlich ohne Erfolg. Der aktuelle Gesetzgebungsprozess ist hingegen erfolgreicher. Die Zustimmung des Bundesrats erfolgte am 25. Juni 2021, sodass die Neuregelungen bereits ab dem nächsten Jahr zur Anwendung kommen.
II. Optionsmodell
1. Steuersystematische Einordnung und gesetzgeberisches Ziel
Die Besteuerungssystematik von Körperschaften und Personengesellschaften ist nach dem derzeit geltenden Recht grundlegend verschieden. Während man bei der Besteuerung von Körperschaften eine strikte Trennung zwischen Gesellschaft und deren Anteilseigner vornimmt (Trennungsprinzip), gilt bei Personengesellschaften das Transparenzprinzip mit der Folge, dass die ertragsteuerliche Erfassung stets auf Ebene der beteiligten Personen (sog. Mitunternehmer) erfolgt. Lediglich für Zwecke der Gewerbesteuer wird die Personengesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt angesehen. Der hieraus resultierende Belastungsunterschied zwischen den beiden Rechtsformen soll bislang durch die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG) sowie durch die Begünstigungsvorschrift für nicht entnommene Gewinne (Thesaurierungsrücklage nach§ 34a EStG) abgemildert werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich eine vollständige Angleichung der Steuerfolgen mit diesen beiden Regelungen oftmals nicht erreichen lässt. In Bezug auf § 35 EStG ist dies auf Anrechnungsüberhänge (Gewerbesteuer-Hebesatz größer 420 %), im Fall des § 34a EStG auf die unattraktiven Nachversteuerungsfolgen zurückzuführen. Zukünftig soll das Optionsmodell die seit Jahren geforderte Rechtsformneutralität gewährleisten.
2. Steuerliche Konsequenzen des Optionsmodells
Durch das Optionsmodell haben Personengesellschaften die Möglichkeit, mittels Antrag ertragsteuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Antragsberechtigt sind Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften, nicht aber Einzelunternehmen, Gesellschaften bürgerlichen Rechts und andere Mitunternehmerschaften.
Die optierende Personengesellschaft hat sodann sämtliche für Kapitalgesellschaften charakteristische steuerliche Konsequenzen zu tragen. So kommt z.B. bei Dividenden und Veräußerungsgewinnen die Befreiungsvorschrift des § 8b KStG zu Anwendung. Gewinnanteile gelten erst dann als ausgeschüttet, wenn sie entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt wird (§ 1a Abs. 3 Satz 5 KStG-E). Die Gesellschaft hat Kapitalertragsteuer einzubehalten. Zudem sind die zahlreichen Tatbestände der verdeckten Gewinnausschüttung zu beachten. Infolgedessen ist bei Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen.
Auf die Umsatzsteuer hat die Option keine Auswirkungen. Für Zwecke der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonungsregelungen (§§ 13a und 13b ErbStG) gelten optierende Personenhandelsgesellschaften ebenfalls weiterhin als Mitunternehmerschaften. Dies ist insofern von Vorteil, als es bei der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen – anders als bei Kapitalgesellschaften – weiterhin keiner Mindestbeteiligung von „mehr als 25 %“ bedarf. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer wirkt sich die Option nur dann nicht aus, wenn die Sperrfristen der §§ 5 und 6 GrEStG gewahrt werden (vgl. zur neuen 10-jährigen Sperrfrist auch den Newsletterbeitrag zur Grunderwerbsteuerreform 2021).
Durch das Optionsmodell wird das für Kapitalgesellschaften charakteristische Trennungsprinzip steuerlich konsequent umgesetzt, sodass sich nach Ausübung der Option auch auf Gesellschafterebene die Besteuerungssystematik grundlegend ändert. Die Mitunternehmerstellung wird steuerlich zu einer Beteiligung eines nicht persönlich haftenden Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft (§ 1a Abs. 1 Satz 1 KStG-E). In der Konsequenz erzielen die Gesellschafter einer optierenden Personenhandelsgesellschaft anstatt Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus Kapitalvermögen. Bei Gesellschaftern in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft liegen, vorbehaltlich der Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 KStG, steuerfreie Einkünfte vor (§ 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG).
3. Option gilt als Formwechsel
Ist die Entscheidung für das Optionsmodell gefallen, ist bis spätestens einen Monat vor Beginn des entsprechenden Wirtschaftsjahres ein Antrag einzureichen (§ 1a Abs. 1 Satz 2 KStG-E). Der Antrag entfaltet keine Rückwirkung und soll erstmals in 2021 mit Wirkung auf nach dem 31.12.2021 beginnende Wirtschaftsjahre möglich sein (§ 34 Abs. 1a EStG-E).
Steuerrechtlich vollzieht sich der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung als „fiktiver“ Formwechsel nach dem Umwandlungssteuergesetz (UmwStG). Demzufolge finden die Regelungen zur Einbringung in Kapitalgesellschaften (§ 25 i.V.m. §§ 20 bis 23 UmwStG) Anwendung. Die Option bzw. der damit einhergehende Formwechsel ist also nur dann steuerneutral, wenn die Voraussetzungen für den Buchwertansatz nach § 20 UmwStG vorliegen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zur Erreichung der Steuerneutralität des Vorgangs nicht zurückbehalten werden darf und demzufolge regelmäßig zuvor in das Gesellschaftsvermögen des Körperschaftsteuersubjekts übertragen worden sein muss; auch hierbei sind jedoch u.U. Fristen zu beachten.
Neben den sofort eintretenden steuerlichen Konsequenzen wie dem Untergang etwaiger gewerbesteuerlicher Verluste und der Auflösungspflicht etwaiger Thesaurierungsrücklagen muss den Mitunternehmern bewusst sein, dass es auch noch in den Folgejahren zur Aufdeckung stiller Reserven kommen kann. Denn aufgrund des fingierten Formwechsels sind während eines Zeitraums von sieben Jahren die Realisations- und Ersatzrealisationstatbeständen des § 22 UmwStG zu beachten. Demnach kommt es beispielsweise zu einer Nachbesteuerung, wenn innerhalb dieser Sperrfrist die Anteile von einem Gesellschafter bzw. vormals Mitunternehmer veräußert werden.
4. Rückoption/ -wechsel
Die Optionsausübung bedeutet allerdings nicht, dass der Wechsel zum körperschaftsteuerlichen Besteuerungssystem endgültig erfolgen muss. Der Gesetzesentwurf beinhaltet die Möglichkeit einer Rückoption. Die Fristen entsprechen denen für die Option: Auf Antrag und mit Wirkung für das folgende Wirtschaftsjahr ist eine Rückkehr zum Transparenzprinzip möglich. Steuerlich gilt die Rückoption als Formwechsel (§ 9 UmwStG). Die Rückoption könnte z.B. bei Verkaufsabsichten interessant sein, um die nur bei Personengesellschaftsanteilen gewährten Vorteile (besonderer Freibetrag und Tarifermäßigung) in Anspruch nehmen zu können. Eine (zeitnahe) Rückoption sollte aber aus mehreren Gründen gut überlegt sein. Zu den Nachteilen zählen (i) der Untergang bestehender Verluste, (ii) die drohende Nachversteuerung nach § 22 UmwStG (sofern noch keine sieben Jahre verstrichen sind) und (iii) die Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns, wenn der Verkauf des Personengesellschaftsanteils innerhalb von fünf Jahren nach Ausübung der Rückoption erfolgt (§ 18 Abs. 3 UmwStG).
Auch ohne Option kommt es zu einem „Rückwechsel“, wenn die Personengesellschaft nur noch einen Gesellschafter hat (Anwachsung), da Einzelunternehmern das Optionsmodell nicht offensteht. Die etwaigen negativen steuerlichen Folgen sollten durch Umwandlung in eine Körperschaft vermieden werden.
III. Fazit und erste Vorteilhaftigkeitsüberlegungen
Ein (weitgehend) rechtsformneutrales Besteuerungssystem ist aus steuersystematischer Sicht zweifellos erstrebenswert. Daher sind die Reformpläne des Gesetzgebers grundsätzlich zu begrüßen. Für die Praxis stellt sich jedoch die Frage, für wen bzw. in welchen Konstellationen das angedachte Optionsmodell von Vorteil sein kann.
Zunächst verdeutlicht ein Vergleich der Gesamtsteuerbelastung, dass das Optionsmodell im Ausschüttungsfall aufgrund des Trennungsprinzips zu einer etwas höheren Steuerbelastung führen kann. Demgegenüber ist das Optionsmodell in der Regel liquiditätsmäßig bei Thesaurierung, von Vorteil. Denn bei einer Gewinnthesaurierung bleibt es (zunächst) bei der niedrigeren Besteuerung auf Gesellschaftsebene. Neben der Steuerbelastung sollte man vor einer Ausübung der Option aber bedenken, dass die mit dem Systemwechsel einhergehen umwandlungssteuerlichen Sperrfristen die Flexibilität erheblich einschränken. Deshalb ist – trotz oder gerade wegen der Möglichkeit der Rückoption – bei der Entscheidungsfindung eine längerfristige Planung sowohl auf Gesellschafts- als auch Gesellschafterebene unerlässlich. Ein kurzfristiger bzw. regelmäßiger Wechsel zwischen den beiden Steuersystemen ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll.
Wie bei nahezu jeder umfassenden Reform kommt hinzu, dass einige entscheidende Fragen wie z.B. die Organschaftsfähigkeit der optierten Gesellschaft noch nicht abschließend geklärt sind. Das Optionsmodell wird daher zumindest in der Anfangszeit mit einer gewissen Rechtsunsicherheit einhergehen. Im internationalen Kontext sind vor allem zwei Aspekte zu beachten. Zum einen ist derzeit noch unklar, wie bei einem Rechtstypenvergleich eine optierende Personenhandelsgesellschaft einzuordnen ist. Zum anderen gelten die Anteile an einer optierenden Personenhandelsgesellschaft als Anteile im Sinne des § 17 EStG (§ 17 Abs. 1 Satz. 3 EStG-E), sodass mit der Option die Problematik der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG einhergeht.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Optionsmodell eine interessante Alternative zu den bislang existierenden Regelungen darstellt. Im Hinblick auf eine rechtsformneutrale Besteuerung kann zu Recht von einer Modernisierung des Steuersystems gesprochen werden. Die Entscheidung für oder gegen das Modell ist jedoch stets im Einzelfall genau zu prüfen, auch unter Einbeziehung der gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Dabei empfiehlt sich ein möglichst langfristiger Planungshorizont. Klar ist auch, dass mit dem Optionsmodell je nach Konstellation Nachteile einhergehen können. Die Möglichkeit des „Rosinenpickens“ wäre im Sinne eines stringenten und systemkonformen Steuersystems auch zu viel verlangt.
Für Sie da
Ansprechpartner zu diesem Thema
Dr. Simon Busch, LL.M.
honert münchen
Steuerberater
Nachfolge, Steuerrecht, Internationales Steuerrecht
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |
Dr. Thomas Grädler, LL.M. (Birmingham)
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Nachfolge, Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, Allgemeines Wirtschaftsrecht
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |
Dr. Jürgen Honert
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Kapitalmarktrecht, Steuerrecht
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |
Dr. Jochen Neumayer
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Nachfolge, Steuerrecht, Internationales Steuerrecht
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |