PERSÖNLICHE HAFTUNG DES IM RECHTSVERKEHR HANDELNDEN VERTRETERS EINER UG
Nach einem aktuellen Urteil des BGH (Urt. V. 13.1.2022 – III ZR 210/20) haftet ein im Rechtsverkehr für eine Unternehmergesellschaft („UG“) auftretender Vertreter unter Rechtsscheingesichtspunkten nach § 179 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 und 3 BGB (analog) persönlich, sofern die UG nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsformzusatz „exakt und buchstabengetreu“ in ihrer Firma ausweist. Selbst das Weglassen nur des Zusatzes „(haftungsbeschränkt)“ könne trotz der Verwendung zumindest der Rechtsform „UG“ oder „Unternehmergesellschaft“ die Rechtsscheinhaftung auslösen.
I. Unternehmergesellschaft
Bei der Unternehmergesellschaft handelt es sich nicht um eine eigene Rechtsform, sondern um eine Sonderform der GmbH, eine „kleine“ GmbH. Die Unternehmergesellschaft hat § 5a Abs. 1 GmbHG in ihrer Firma nicht die Bezeichnung „GmbH“, sondern die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ zu führen, um Gläubiger auf die bestehende Haftungsbeschränkung aufmerksam zu machen.
II. Sachverhalt
Die Parteien streiten im Ergebnis um einen Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung und um die Frage, ob der Beklagte passivlegitimiert war. Der Beklagte trat jedenfalls unstreitig gegenüber dem Kläger als Finanzvermittler und Vertreter einer UG auf. Die vom Kläger auf Beratung des Beklagten hin getroffenen Anlageentscheidungen führten u.a. zum Totalverlust des investierten Kapitals. Der Kläger verlangte daraufhin Schadensersatz vom Beklagten persönlich wegen fehlerhafter Anlageberatung aufgrund vertraglicher (eines behaupteten mit dem Beklagten persönlich bestehenden Anlageberatungsvertrags) und deliktischer Ansprüche (u.a. aus culpa in contrahendo aufgrund der Inanspruchnahme eines über das Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönlichen Vertrauens und wegen sittenwidriger Schädigung).
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab mit den Begründungen, dass die Voraussetzungen zur Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen nicht vorlägen und auch kein Vertrag mit dem Beklagten zustande gekommen sei; daher fehle es an seiner Passivlegitimation.
III. Entscheidung des BGH
Nach Auffassung des BGH kommt jedoch eine Passivlegitimation aufgrund einer persönlichen (Rechtsschein-)Haftung des Beklagten gemäß §§ 311 Abs. 2 und 3, 179 BGB (analog) neben der UG in Betracht.
Dabei geht auch der BGH zunächst davon aus, dass im zu entscheidenden Fall ein Vertrag nicht zwischen dem Kläger und dem Beklagten, sondern zwischen dem Kläger und der vom Beklagten vertretenen UG zustande gekommen sei, da es sich um ein unternehmensbezogenes Geschäft handelt, bei dem der Wille der Beteiligten dahin gehe, dass der Betriebsinhaber – vertreten durch den Handelnden – Vertragspartner werden soll. Der Beklagte sei nach dem objektiven Empfängerhorizont als Vertreter der UG und nicht für sich selbst aufgetreten. Ferner geht der BGH davon aus, dass die Anlageberatung der UG vertreten durch den Beklagten fehlerhaft war und insoweit eine Pflichtverletzung des Anlageberaters – hier der UG – vorlag, somit ein Schadensersatzanspruch gegen die UG besteht.
Entgegen dem Berufungsgericht stoppt der BGH jedoch hier nicht und weist die Revision zurück, sondern kommt zur einer persönlichen Haftung des Beklagten neben der UG gemäß §§ 311 Abs. 2 und 3, 179 BGB (analog), da der Beklagte dem Kläger gegenüber die Haftungsbeschränkung der UG nicht zum Ausdruck gebracht habe, vielmehr sogar weitgehend den Rechtsformzusatz „UG“ nicht führte. Infolgedessen sei der Beklagte auch passivlegitimiert.
Nach gefestigter Rechtsprechung des II. Zivilsenats haftet der für eine GmbH Auftretende wegen Verstoßes gegen § 4 S. 1 GmbHG nach § 179 BGB (analog), wenn er aufgrund des mangelnden Formzusatzes (GmbH oder einer allgemein verständlichen Abkürzung dieser Bezeichnung) das berechtigte Vertrauen des Vertragspartners hervorruft, dass (auch) mindestens eine natürlichen Person haftet. Diese Grundsätze seien nach Auffassung des III. Zivilsenats auch im Rahmen einer UG anzuwenden. Die Vertrauenshaftung greife folglich dann ein, wenn der Zusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bzw. „UG (haftungsbeschränkt)“ weggelassen oder unzulässig abgekürzt wird. Der BGH führt dazu aus: „Da die gesetzliche Vorgabe exakt und buchstabengetreu einzuhalten ist (BGH NZG 2012, 989 = WM 2012, 1629 Rn. 16), tritt die Rechtsscheinhaftung auch dann ein, wenn der Zusatz unvollständig ist, weil etwa der zwingend gebotene Hinweis „haftungsbeschränkt“ fehlt. Der bloße Verweis auf die Rechtsform der Unternehmergesellschaft genügt daher als solcher nicht, denn – anders als beim Rechtsformzusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ – trägt die Unternehmergesellschaft die Haftungsbeschränkung nicht bereits im Namen. Bei Weglassen nur dieses Hinweises kann vielmehr gleichermaßen der Eindruck erweckt werden, für die Unternehmergesellschaft hafte mindestens eine natürliche Person unbeschränkt.“
Einer solchen Rechtsscheinhaftung könne allenfalls entgegenstehen, dass der Kläger die tatsächlichen Haftungsverhältnisse kannte oder hätte kennen müssen oder für diesen unerheblich waren. Dies wurde vom Berufungsgericht jedoch nicht geprüft und wird – den nach § 529 bis § 531 ZPO berücksichtigungsfähigen Vortrag des Beklagten vorausgesetzt –im neuen Berufungsverfahren nachzuholen sein.
IV. Folgen für die Praxis
Es finden sich immer wieder Unternehmergesellschaften, die auf den Zusatz „haftungsbeschränkt” verzichten. Das Urteil des BGH zeigt, dass dies erhebliche Folgen nach sich ziehen und zu einer persönlichen Haftung des Handelnden führen kann.
In der Literatur wird vermehrt angeregt, den gesetzlich vorgeschriebenen, sperrigen Rechtsformzusatz „haftungsbeschränkt“ zu streichen oder jedenfalls zu modifizieren, sodass künftig etwa auch ein Rechtsformzusatz „UG mbH“ ausreichen soll. Diese Erwägungen sind zu begrüßen. Solange eine solche Erleichterung jedoch nicht durch den Gesetzgeber umgesetzt wird, sollten Unternehmergesellschaften den Rechtsformzusatz streng beachten, um eine persönliche Haftung der für sie Handelnden zu vermeiden.
Für Sie da
Ansprechpartner zu diesem Thema
Sebastian Schleehauf
honert hamburg
Rechtsanwalt
Gesellschaftsrecht, Allgemeines Wirtschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Venture Capital
Telefon | +49 (40) 380 37 57 0 |
[email protected] |
Patrick Spalek
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Allgemeines Wirtschaftsrecht
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |
Dr. Kai-Klemens Wehlage
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Venture Capital
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |
Dr. Jörn-Ahrend Witt
honert hamburg
Partner, Rechtsanwalt
Gesellschaftsrecht, Transaktionen (M&A), Allgemeines Wirtschaftsrecht
Telefon | +49 (40) 380 37 57 0 |
[email protected] |