PRAXISRELEVANTE FRAGEN UND KEINE PRAXISTAUGLICHEN ANTWORTEN – DIE NEUEN FAQS ZUM TRANSPARENZREGISTER
Mit der kürzlich erfolgten Aktualisierung seiner FAQs hat das Bundesverwaltungsamt die Kriterien für die Bestimmung der wirtschaftlich Berechtigten einer Gesellschaft stark ausgeweitet. Meldepflichtige Gesellschaften, Anteilseigner und wirtschaftlich Berechtigte sollten sich der damit einhergehenden praktischen Folgen für ihre Mitteilungs- und Meldepflichten bewusst sein.
I. Melde- und Mitteilungspflichten nach dem Geldwäschegesetz
Mit dem im Jahr 2017 eingeführten und zuletzt mit Wirkung zum 01. Januar 2020 geänderten (elektronischen) Transparenzregister im Geldwäschegesetz (GwG) verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Identifizierung des/der wirtschaftlich Berechtigten einer juristischen Person oder eingetragenen Personengesellschaft, welche nicht auf einem organisierten Markt notiert ist („Meldepflichtige Gesellschaften“). Meldepflichtige Gesellschaften sind deshalb seit 2017 verpflichtet, Angaben zu Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Wohnort, Staatsangehörigkeit sowie Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses („Transparenzangaben“) ihrer wirtschaftlich Berechtigten einzuholen, aufzubewahren, auf aktuellem Stand zu halten und der registerführenden Stelle unverzüglich zur Eintragung in das Transparenzregister zu melden (§§ 19, 20 GwG). Um einer Meldepflichtigen Gesellschaft die Erfüllung ihrer Mitteilungspflichten zu ermöglichen, sind deren wirtschaftlich Berechtigte sowie – unter bestimmten Voraussetzungen – deren Anteilseigner verpflichtet, ihrer Gesellschaft alle für die Transparenzangaben notwendigen Informationen unverzüglich mitzuteilen. Verstöße gegen Melde- und Mitteilungspflichten sind Ordnungswidrigkeiten und können – je nach Einzelfall – zu Bußgeldern in empfindlicher Höhe führen.
Kernanknüpfungspunkt sowohl der Melde- als auch der Mitteilungspflichten ist die Bestimmung des/der wirtschaftlich Berechtigten einer Meldepflichtigen Gesellschaft. In seinen am 19. August 2020 aktualisierten Fragen und Antworten zum Transparenzregister („FAQs“) hat das Bundesverwaltungsamt („BVA“) die Kriterien zur Bestimmung des wirtschaftlich Berechtigten einer Meldepflichtigen Gesellschaft aktualisiert. Die neuerdings vom BVA vertretende Rechtsauffassung hat erhebliche praktische Auswirkungen. Sie soll daher nachfolgend skizziert werden.
II. Bestimmung des wirtschaftlich Berechtigten
Nach den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen in § 19 und § 3 GwG ist wirtschaftlich Berechtigter einer Meldepflichtigen Gesellschaft, wer unmittelbar oder mittelbar (i) mehr als 25 % der Kapitalanteile hält, (ii) mehr als 25 % der Stimmrechte kontrolliert oder (iii) auf vergleichbare Weise Kontrolle ausübt.
1. Relevante Schwellenwerte
In seinen FAQs konkretisiert das BVA die Berechnungsmethoden für den relevanten Schwellenwert (von über 25%) hinsichtlich Kapitalanteilen und/oder Stimmrechten eines wirtschaftlich Berechtigten.
Dabei konstatiert das BVA zum einen, dass die Berechnung der im Sinne des Gesetzes gehaltenen Kapitalanteile oder kontrollierten Stimmanteile ohne Berücksichtigung von sog. eigenen Anteilen, also Anteilen, die die Gesellschaft an sich selbst hält, zu erfolgen hat.
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Beispiel: Das Stammkapital einer GmbH beträgt EUR 50.000,00. Es wird wie folgt gehalten: Die GmbH selbst hält eigene Anteile in Höhe von EUR 30.000,00; Person A hält Anteile in Höhe von EUR 12.000,00 und Person B hält Anteile in Höhe von EUR 8.000,00.
Person A und Person B sind wirtschaftlich Berechtigte dieser GmbH, denn ohne Berücksichtigung der eigenen Anteile an der Gesellschaft hält A 60% und B 40% der Kapitalanteile an der Gesellschaft.
Zum anderen stellt das BVA klar, dass die von einer natürlichen Person mittelbar und unmittelbar kontrollierten Kapitalanteile oder Stimmrechte für die Bestimmung der relevanten Schwellenwerte zusammenzurechnen sind. Sobald eine Person in der Folge mehr als 25 % der Kapitalanteile hält oder mehr als 25 % der Stimmrechte kontrolliert, qualifiziert sie sich als wirtschaftlich Berechtigter der Meldepflichtigen Gesellschaft.
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Beispiel: der Gründer eines Start-ups hält – nach Durchführung einer Finanzierungsrunde – 20 % der Anteile an einer GmbH direkt und weitere 10 % der Anteile an der GmbH über eine eigens dafür gegründete Holdinggesellschaft, deren einziger Gesellschafter er selbst ist. Der Gründer ist wirtschaftlich Berechtigter der GmbH, denn insgesamt kontrolliert der Gründer 30 % der Stimmrechte in der GmbH.
2. Verhinderungskontrolle als Kontrolle auf vergleichbare Art und Weise
Das BVA nimmt ausweislich seiner FAQs neuerdings nicht nur dann eine wirtschaftliche Berechtigung einer natürlichen Person an, wenn diese aktiv Entscheidungen auf Ebene der Gesellschaft kontrollieren kann. Nach der neuen Auffassung des BVA soll für die Annahme einer Kontrolle „auf vergleichbare Art und Weise“ nach §§ 19, 3 GwG vielmehr bereits genügen, dass eine natürlich Person Entscheidungen auf Ebene der Gesellschaft (passiv) verhindern kann. Ist etwa für die Fassung von Gesellschafterbeschlüssen Einstimmigkeit vorgesehen, gilt nach der Rechtsauffassung des BVA nunmehr jeder Gesellschafter – unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung – als wirtschaftlich Berechtigter. Ebenso soll für eine wirtschaftliche Berechtigung aufgrund des Tatbestandsmerkmals der Kontrolle auf vergleichbare Art und Weise genügen, dass ein Gesellschafter Entscheidungen einer Gesellschafter- oder Hauptversammlung durch Vetorechte oder eine beliebige Sperrminorität verhindern kann. Bedauerlicherweise trifft das BVA keine Aussage dazu, welche Reichweite Veto- oder Widerspruchsrechte oder Einstimmigkeitserfordernisse haben müssen, um hinreichende Grundlage für eine wirtschaftliche Berechtigung zu sein. Eine Sperrminorität soll nach Auffassung des BVA dafür nur dann ausreichen, wenn der Gesellschafter aufgrund seiner Sperrminorität grundlegende Beschlüsse (wie z.B. Satzungsänderungen oder Kapitalherabsetzungen) verhindern kann.
Seiner Rechtsauffassung der Verhinderungskontrolle folgend, beurteilt das BVA auch mittelbare Beteiligungsstrukturen in seinen aktuellen FAQs neu. War bislang für die wirtschaftliche Berechtigung in mehrstufigen Konzernstrukturen für erforderlich gehalten worden, dass die natürliche Person auf der vorgelagerten Konzernebene beherrschenden Einfluss ausüben konnte, mithin regelmäßig also mehr als 50 % der Stimm- oder Kapitalanteile innehaben musste, soll es nach Auffassung des BVA fortan genügen, dass die natürliche Person durch Widerspruchs- oder Vetorechte, bestehende Einstimmigkeitserfordernisse oder eine sonstige Sperrminorität auf Ebene der Muttergesellschaft Entscheidungen auch auf Ebene der Tochtergesellschaft verhindern kann.
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Beispiel: Eine AG hält 30 % der Kapitalanteile an einer Tochter-GmbH. Aktionäre der AG sind die natürlichen Personen A, B und C. A kontrolliert 90 % der Stimmrechte, B kontrolliert 9 % der Stimmrechte und C kontrolliert 1 % der Stimmrechte an der AG. Die Satzung der AG sieht Einstimmigkeit für die Fassung von Beschlüssen der Hauptversammlung vor. Damit sind – nach Auffassung des Bundesverwaltungsamtes – A, B und C wirtschaftlich Berechtigte der AG und der Tochter-GmbH.
III. Kritik an den FAQs
Mit der jüngsten Aktualisierung seiner FAQs hat das BVA den Kreis potentieller wirtschaftlich Berechtigter stark ausgeweitet. Diese Ausweitung ist im Hinblick auf die Nicht-Berücksichtigung eigener Anteile und das Zusammenrechnen der Beteiligungen eines wirtschaftlich Berechtigten nachvollziehbar. Die Auffassung des BVA zu der sog. Verhinderungskontrolle hingegen wird in der Literatur zu Recht stark kritisiert. Die Ausweitung der Kriterien, die eine wirtschaftliche Berechtigung natürlicher Personen hervorrufen können, findet keine Stütze im Gesetzeswortlaut des § 3 GwG. Zudem bestehen erhebliche Zweifel, ob eine derart weitreichende Auslegung noch mit dem vom Gesetzgeber mit dem Transparenzregister verfolgten Zweck vereinbar ist. In der Gesetzesbegründung zu § 3 GwG wird für die Bestimmung des beherrschenden Einflusses auf konzernrechtliche Vorschriften (§ 290 Abs. 2 bis Abs. 4 HGB) Bezug genommen. Danach ist beherrschender Einfluss jedoch nicht durch destruktive Verhinderung, sondern durch aktive Lenkung der Gesellschaftstätigkeit gekennzeichnet. Hinzukommt eine erhebliche Rechtsunsicherheit für den Rechtsanwender bei der Anwendung der neuen Kriterien, denn das BVA hat nicht konkretisiert, wie genau die „Verhinderungskontrolle“ einer natürlichen Person ausgestaltet sein muss, um deren wirtschaftliche Berechtigung zu begründen.
IV. Folgerungen für die Praxis
Trotz der lauter werdenden Kritik an den neuen FAQs des BAV sollten Meldepflichtige Gesellschaften, Anteilseigner und potentiell wirtschaftlich Berechtigte ihre Melde- und Mitteilungspflichten im Hinblick auf das Transparenzregister aufgrund der aktuellen FAQs sorgfältig überprüfen (lassen). Auch wenn die FAQs keine unmittelbaren rechtlichen Verpflichtungen beinhalten, spiegeln sie doch die Prüfungs- und Sanktionspraxis des BAV wider. Melde- und Mitteilungspflichtige riskieren Bußgelder, wenn sie den Vorgaben des BAV nicht Folge leisten. Einen etwaig erlassenen Bußgeldbescheid müsste ein Betroffener im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahren überprüfen lassen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens sind als offen zu bewerten, denn sie hängen maßgeblich davon ab, ob die Rechtsprechung der Auffassung des BVA – auch in umstrittenen Fragen – folgen wird.
Die jüngsten Entwicklungen zeigen zudem einmal mehr, dass die Überprüfung der Meldepflichten zum Transparenzregister zu einer der kontinuierlich zu erfüllenden Aufgaben im Rahmen der Corporate Compliance zählt und insbesondere bei jeder gesellschaftsrechtlichen Neu- oder Umgestaltung bedacht werden muss.
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