RECHTSSCHUTZMÖGLICHKEITEN IM RAHMEN VON GLEICHZEITIGEN BETRIEBSPRÜFUNGEN
Informationen sind heutzutage nicht nur viel Geld wert, sondern häufig auch eines der wichtigsten Assets eines Unternehmens. Die Finanzverwaltung möchte diese Informationen ohne die Kenntnis des Steuerpflichtigen oder Abwehrmöglichkeiten an andere Länder übermitteln. Das Steuerrecht bietet darüber hinaus nur unzureichend Schutz, sodass die aufmerksame Teilnahme an der Betriebsprüfung entscheidend für den Schutz der Informationen wird.
I. Problematik
Das EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1809), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der Änderung der EU-AmtshilfeRL und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20. 12. 2016 (BGBl. I S. 3000), erlaubt einen Informationsaustausch zwischen den nationalen Steuerbehörden der Mitgliedstaaten im Rahmen einer gleichzeitigen Betriebsprüfung (§§ 12, 4 ff. EUAHiG).
Eine gleichzeitige Betriebsprüfung stellt eine Außenprüfung im Sinne des § 193 AO dar und wird entsprechend den nationalen Regelungen durchgeführt. Einzige Besonderheit bei dieser Form der Betriebsprüfung ist, dass die Steuerbehörden der beteiligten Länder den Umfang der Prüfung gemeinsam festlegen und während der Durchführung gegenseitig Informationen austauschen.
Maßgeblich für den Informationsaustausch sollen die Anforderungen nach § 4 EUAHiG sein, wonach ein Ersuchen der Steuerbehörde vorliegen muss, in dem die voraussichtliche Erheblichkeit der Information für die nationale Besteuerung dargelegt wird. Des Weiteren ist der ersuchende Staat verpflichtet, zunächst alle nationalen Quellen zur Erlangung der Informationen auszuschöpfen. Erst nach Prüfung des Ersuchens dürfen die Informationen übermittelt werden, wobei der Steuerpflichtige vor der Übermittlung angehört werden sollte.
Das Bundesministerium für Finanzen hat jedoch mit Schreiben vom 6. Januar 2017 deutlich gemacht, dass im Rahmen einer gleichzeitigen Betriebsprüfung keine Anhörung des betroffenen Unternehmens hinsichtlich des konkreten Informationsaustauschs nötig ist, sofern er bereits vor der gleichzeitigen Betriebsprüfung angehört wurde und dort auf den bevorstehenden Informationsaustausch hingewiesen worden ist. Kritisch wird dies insbesondere dann, wenn nicht verbundene Unternehmen geprüft werden sollen. Eine Weitergabe von vertraulichen Daten könnte hier zu Wettbewerbsverzerrungen führen.
Der Eingriff wirkt sogar noch gravierender, wenn man sich die fehlenden Mitbestimmungs- und Kontrollrechte des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren anschaut.
II. Anhörungsrecht
Eine Weitergabe von steuerlichen Informationen durch die Steuerbehörden verstößt grundsätzlich gegen das Steuergeheimnis aus § 30 AO, soweit die Weitergabe nicht gerechtfertigt ist. Der Betroffene muss jedoch vor der geplanten Weitergabe an die ausländischen Finanzbehörden Kenntnis erlangen, da er ansonsten nicht deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann und seine Rechte damit nicht durchsetzen kann. Bereits mit Übermittlung entsteht nämlich möglicherweise ein Schaden, der nicht rückgängig gemacht werden kann.
Grundsätzlich muss daher der Steuerpflichtige vor der Informationsweitergabe angehört werden, § 117 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 AO i.V.m. § 91 AO. Dies gilt allerdings nicht, wenn die nationalen Finanzbehörden Informationen nach dem EUAHiG an ausländische Behörden übermitteln (§ 117 Abs. 4 S. 3 Hs. 2 AO), wobei die Steuerbehörde eine Anhörung durchführen „sollte”. Die Finanzbehörde entscheidet daher insoweit nach pflichtgemäßen Ermessen über die Durchführung einer Anhörung.
In diesem Zusammenhang erscheint es problematisch, dass bei gleichzeitigen Betriebsprüfungen der Steuerpflichtige nur zu Beginn angehört werden soll und nicht in Bezug auf den konkreten Austausch von Informationen. Im Rahmen der Anhörung über die gleichzeitige Betriebsprüfung wird regelmäßig lediglich über die abstrakte Möglichkeit eines Informationsaustausches informiert, jedoch nicht über die konkrete Information, die ausgetauscht werden soll. Denn im Moment der anfänglichen Anhörung steht meist noch nicht fest, welche Informationen an die ausländischen Finanzbehörden übermittelt werden sollen.
Dies hat zur Folge, dass der Steuerpflichtige mangels erneuter Anhörung nicht in der Lage ist zu prüfen, ob die deutsche Finanzbehörde die Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigung nach dem EUAHiG und damit die Grenzen des Steuergeheimnisses einhält.
Daher drängt sich die Frage auf, wie der Steuerpflichtige in einem solchen Fall wirksam seine Rechte durchsetzen und verhindern kann, dass vertrauliche Daten an ausländische Finanzbehörden weitergegeben werden.
III. Kein Akteneinsichtsrecht
Das Steuerrecht kennt darüber hinaus kein Akteneinsichtsrecht des Steuerpflichtigen.
Es besteht daher für den Steuerpflichtigen ebenfalls keine Möglichkeit, durch den Antrag auf Akteneinsicht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu überprüfen und ggf. hiergegen zu klagen. Vielmehr ist das Bundesministerium für Finanzen der Ansicht, dass die Finanzbehörde über den Antrag des Steuerpflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Maßgebend ist daher, ob der Steuerpflichtige ein berechtigtes Interesse darlegen kann. Unabhängig davon besteht jedoch kein Recht auf Akteneinsicht bezüglich solcher Daten, die vom Steuerpflichtigen selbst übermittelt oder dem Steuerpflichtigen bekannt sind, sowie von Vermerken der Finanzbehörden.
Nicht geklärt ist insoweit auch, ob schon das Ersuchen eines ausländischen Mitgliedstaates zur Übermittlung von Informationen einen internen Vermerk darstellt, den der Steuerpflichtige nicht einsehen darf. Werden daher Informationen übermittelt, die bei der gleichzeitigen Betriebsprüfung erhoben werden und die der Steuerpflichtige somit kennt, kann der Antrag von den Finanzbehörden abgelehnt werden.
IV. Einstweiliger Rechtsschutz
Um eine Weitergabe von Informationen zu unterbinden, kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Finanzgericht gestellt werden.
In der Antragsschrift ist dabei darzulegen, woraus bei einer Weitergabe der Informationen eine Rechtsverletzung des Betroffenen resultiert (sog. Anordnungsanspruch) und weshalb eine schnelle Entscheidung des Gerichts notwendig ist (sog. Anordnungsgrund). Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V. m. § 30 AO. Die Darlegung des Anordnungsgrundes muss als Mindestangaben die Informationen enthalten, die weitergegeben werden sollen, die am Austausch beteiligten Länder und die Erklärung, inwiefern die Weitergabe einen Verstoß gegen das Steuergeheimnis darstellt.
Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob dieser Rechtsschutz tatsächlich durchsetzbar ist. Denn wie soll ein Steuerpflichtiger die Information benennen, die ausgetauscht werden soll, wenn er hierüber gar keine Kenntnis hat? Wird dem Steuerpflichtigen sowohl eine Anhörung als auch das Akteneinsichtsrecht verwehrt, würde ihm somit jede Möglichkeit, einen Rechtsweg in Anspruch zu nehmen, verwehrt.
V. Fazit und Ausblick
Das Steuerrecht sieht für die Kontrolle der Informationsweitergabe nur mangelhafte Möglichkeiten vor. Wird eine gleichzeitige Betriebsprüfung angekündigt, sollte daher von Anfang an jede Möglichkeit genutzt werden, um das Verfahren mitzubestimmen. Ein Schutz der Informationen kann nur erreicht werden, wenn das gesamte Verfahren aufmerksam begleitet wird und der Steuerpflichtigen stets versucht, seine Rechte unverzüglich geltend zu machen.
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