REICHWEITE DER NEGATIVEN LEGITIMATIONSWIRKUNG DER GMBH-GESELLSCHAFTERLISTE
In einer aktuelleren Entscheidung hat sich der BGH (Urteil vom 26.01.2021, Az. II ZR 391/18) zum wiederholten Male innerhalb kurzer Zeit mit der sogenannten negativen Legitimationswirkung der Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auseinandergesetzt. Danach gilt gegenüber der GmbH nur derjenige als Gesellschafter, der als Gesellschafter in der Gesellschafterliste eingetragen ist, die in das Handelsregister aufgenommen ist. Eine Ausnahme gilt für Fälle, in denen es um den Ausschluss des Gesellschafters aus der Gesellschaft geht.
I. Rechtliche Einordnung
Zweck der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist – wie auch der BGH betont – die Schaffung einerseits von Transparenz hinsichtlich der Anteilseigner, vor allem im Hinblick auf die Bekämpfung von Missbrauch und Geldwäsche und andererseits von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit innerhalb der Gesellschaft. Damit einher geht eine rigide Anwendung der Vorschrift: Trotz materieller Berechtigung des Nicht(-mehr-)eingetragenen kann dieser ab dem Zeitpunkt, in dem die ihn nicht mehr führende Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht ist, seine mitgliedschaftlichen Rechte grundsätzlich nicht mehr geltend machen. Gleiches gilt auch vice versa, der materiell nicht Berechtigte, aber Eingetragene ist von der Gesellschaft als Gesellschafter zu behandeln.
II. Sachverhalt
Gegenstand der Entscheidung vom 26. Januar 2021 war das Vorgehen eines (vormals) geschäftsführenden Gesellschafters gegen die Einziehung seines Geschäftsanteils, seine Abberufung als Geschäftsführer, die Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrages sowie die Geltendmachung von (Ersatz-)Ansprüchen gegen ihn. Auch wehrte er sich gegen die Ablehnung seiner eigenen Beschlussvorschläge mit denen er das Gegenteil begehrte, nämlich dass die Geschäftsanteile seiner geschäftsführenden Mitgesellschafter eingezogen und diese als Geschäftsführer abberufen werden und gegen diese Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollten.
Die angegriffenen Beschlüsse erfolgten in mehreren Gesellschafterversammlungen. Insbesondere der (erste) Einziehungsbeschluss im Hinblick auf den Geschäftsanteil erfolgte bevor die Gesellschafterliste, die den Kläger nicht mehr beinhaltete, zum Handelsregister eingereicht wurde. Dieser Beschluss wurde nach der Einreichung der „aktualisierten“ Liste, ebenso wie die anderen Beschlüsse, in späteren Gesellschafterversammlungen bestätigt.
Zur Rechtsverfolgung erhob der Kläger Nichtigkeitsfeststellungs-, Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage, mithin also GmbH-rechtliche Rechtsbehelfe, bei denen die Klagebefugnis aus der Mitgliedschaft resultiert.
Diese Klagen waren in den Vorinstanzen zum Teil erfolgreich.
III. Die Entscheidung des BGH
Der BGH wies die Klagen des Klägers überwiegend ab. Dabei differenzierte der BGH im Wesentlichen wie folgt:
Den Einziehungsbeschluss beziehungsweise dessen spätere Bestätigungen könne der Kläger stets gerichtlich angreifen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gesellschafterliste beim Handelsregister ihn bereits vor der Fassung des Einziehungsbeschlusses nicht mehr als Gesellschafter ausweist oder ob die so „aktualisierte“ Liste erst nach Fassung des Einziehungsbeschlusses zum Handelsregister gegeben wird.
Dies begründete der BGH damit, dass ansonsten der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit betreffend das (Anteils)Eigentum keine Geltung verschafft werde.
Dabei hatte das Vorgehen des Klägers gegen diese Beschlüsse auch Erfolg, da diese nichtig waren. Insoweit kam es auch nicht darauf an, dass der Einziehungsbeschluss später analog § 244 Satz 1 AktG (mehrfach) bestätigt wurde, denn nur anfechtbare nicht aber nichtige Beschlüsse können bestätigt werden. Die Nichtigkeit folgte hier aus einer entsprechenden Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG in Verbindung mit §§ 30 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 3 GmbHG, da die Gesellschaft bei der Beschlussfassung nicht über das zur Zahlung der geschuldeten Abfindung notwendige freie Vermögen verfügte.
Das Vorgehen gegen die übrigen Beschlüsse der (späteren) Gesellschafterversammlungen hingegen war nicht erfolgreich. Denn jedenfalls für die Beschlüsse, die nach seiner Streichung aus der zum Handelsregister gereichten Gesellschafterliste gefasst wurden und nicht die Bestätigung seines Ausschlusses aus der Gesellschaft betrafen, fehlte dem Kläger die Anfechtungsbefugnis. Dies folgt – so der BGH – aus der negativen Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, die unabhängig von der materiellen Berechtigung des Klägers gilt. Denn ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer den Gesellschafter nicht mehr aufführenden Gesellschafterliste zum Handelsregister, könne dieser seine mitgliedschaftlichen Rechte grundsätzlich nicht länger ausüben und die Anfechtungsbefugnis folge aus dem mitgliedschaftlichen Verwaltungsrecht. Ausnahmen von diesem Grundsatz bestünden lediglich dann, wenn die Gesellschaft nach Treu und Glauben an der Berufung auf die negative Legitimationswirkung gehindert sei oder um dem Gesellschafter im Hinblick auf sein (Anteils)Eigentum effektiven Rechtsschutz zu gewähren.
Derartige Ausnahmen hätten jedoch insoweit nicht vorgelegen. Insbesondere hätten weder die Anstellung des Klägers als Geschäftsführer noch die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen ihn Auswirkungen auf die Anteilsinhaberschaft des Klägers. Darüber hinaus sei der Kläger auch nicht daran gehindert, seine Vergütungsansprüche unmittelbar gerichtlich zu verfolgen.
Weiter hat der BGH klargestellt, dass eine Anfechtungsbefugnis auch nicht daraus resultieren könne, dass die Gesellschaft den nicht mehr auf der Gesellschafterliste stehenden „Gesellschafter“ weiterhin als Gesellschafter behandelt, etwa indem sie ihn zur Gesellschafterversammlung lädt und an entsprechenden Abstimmungen teilnehmen lässt. Denn bereits der Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (Missbrauchsbekämpfung sowie Rechtssicherheit und -klarheit) verbiete es, dass die Gesellschaft einem nicht (mehr) in der Gesellschafterliste Stehenden Gesellschafterrechte einräumt.
Auch im Hinblick auf die Beschlüsse, die zu einem Zeitpunkt gefasst worden sind, zu dem der Kläger noch in der Gesellschafterliste aufgeführt war und nicht die Bestätigung seines Ausschlusses aus der Gesellschaft betrafen, entschied der BGH, dass die hiergegen gerichteten Klagen keinen Erfolg haben können. Denn diese Beschlüsse seien alle nachträglich entsprechend § 244 Satz 1 AktG nach der Streichung des Klägers aus der Gesellschafterliste bestätigt worden, mit der Folge, dass – ab Bestandskraft der bestätigenden Beschlüsse – eine Anfechtung des ursprünglichen Beschlusses nicht mehr geltend gemacht werden könne. Insoweit sei es auch nicht erforderlich, dass der Bestätigungsbeschluss von denselben Gesellschaftern wie der ursprüngliche gefasst werden müsse, sondern von der Gesellschafterversammlung in der jeweiligen Zusammensetzung.
Im Hinblick auf die Geltendmachung der positiven Beschlussfeststellung, führte der BGH lediglich noch aus, dass bei fehlender Anfechtungsbefugnis auch die materielle Berechtigung zur Geltendmachung der positiven Beschlussfeststellung fehle.
IV. Auswirkungen in der Praxis
Die Entscheidung stellt eine konsequente Fortführung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar. Dabei zeigt sie eindrücklich auf, dass im Hinblick auf die negative Legitimationswirkung höchste Vorsicht geboten ist: Der nicht mehr eingetragene (materiell aber weiterhin berechtigte) Gesellschafter kann zwar weiterhin mit gesellschaftsrechtlichen Rechtsbehelfen gegen den ihn ausschließenden Beschluss nicht aber gegen sonstige Gesellschafterbeschlüsse vorgehen.
Dies kann drastische Konsequenzen für den formal Ausgeschlossenen haben: Dass nach dem BGH die Gesellschafterliste maßgebend ist, führt zwar zur Rechtsklarheit, im Einzelfall aber zu dem nicht „gerechten“ Ergebnis dass, obwohl die Einziehung offenkundig nichtig ist, nach Streichung von der Liste die übrigen Gesellschafter die GmbH in erheblichem Maße umgestalten können, ohne dass der „Gestrichene“ dies verhindern könnte.
Ungeachtet der mitunter geäußerten Kritik an der besprochenen Entscheidung, sie führe zu unhaltbaren Ergebnissen, hat der BGH seine Linie der weitgehenden Wirkung des Inhalts der Gesellschafterliste klar weiter verfolgt. Mithin ist ein ausgeschlossener Gesellschafter gut beraten, eiligst mittels einstweiligem Rechtsschutz seine Streichung aus der Gesellschafterliste (vorläufig) zu verhindern, um im Verhältnis zur Gesellschaft weiterhin als Gesellschafter zu gelten. Denn nur auf diesem Wege kann der von der Ausschließung Betroffene seinen Einfluss in der Gesellschafterversammlung als auch seine Anfechtungsbefugnis gegenüber Beschlüssen der Gesellschafterversammlung (vollumfänglich) wahren.
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