RISIKO DOPPELTER INANSPRUCHNAHME BEI ABGABE EINER HARTEN (EXTERNEN) PATRONATSERKLÄRUNG
Patronatserklärungen sind ein in der Praxis weit verbreitetes Mittel der Forderungsabsicherung. Aus Sicht des Sicherungsgebers liegt der Vorteil gegenüber anderen Sicherungsmitteln – wie etwa der Bürgschaft oder Garantieerklärung – vor allem in der Flexibilität, grundsätzlich frei über die Form der Erfüllung der übernommenen Einstandspflicht entscheiden zu können. Damit dieser Vorteil nicht zur unerwarteten Haftungsfalle wird, ist besondere Sorgfalt bei der Ausgestaltung der Patronatserklärung und ihrer Handhabung in der Praxis geboten. Andernfalls besteht, wie ein vom Bundesgerichtshof unlängst entschiedener Fall zeigt, das Risiko im Ergebnis doppelt zahlen zu müssen.
I. Haftung bei Abgabe einer harten externen Patronatserklärung
Patronatserklärungen sind seit langem ein gängiges Sicherungsmittel vor allem im Rahmen der Konzernfinanzierung. Je nachdem, ob eine echte, gerichtlich durchsetzbare Einstandsverpflichtung des Patrons für die Verpflichtungen der begünstigten Gesellschaft begründet werden soll oder nicht, wird begrifflich zwischen harten und weichen Patronatserklärungen unterschieden.
Die harte Patronatserklärung begründet eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht des Patrons gegenüber dem Adressaten der Erklärung. Der Patron übernimmt durch sie entweder im Innenverhältnis zur begünstigten Gesellschaft – bei der es sich im Regelfall um eine Tochtergesellschaft des Patrons handelt – (sog. interne Patronatserklärung) oder im Außenverhältnis zu deren Gläubiger (sog. externe Patronatserklärung) die Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finanziellen Verpflichtungen zu genügen.
Bei der harten externen Patronatserklärung handelt es sich um ein der Bürgschaft oder Garantieerklärung vergleichbares Sicherungsmittel. Gegenüber der Bürgschaft oder Garantieerklärung hat sie den Vorteil, dass der Patron außerhalb der Insolvenz der Tochtergesellschaft frei entscheiden kann, in welcher Weise er seiner Verpflichtung unter dem Patronat genügt. Im Falle der Insolvenz der Tochtergesellschaft verwandelt sich die Verpflichtung des Patrons zur Finanzausstattung der begünstigten Gesellschaft hingegen in eine Pflicht zur Direktzahlung an den Adressaten der Patronatserklärung. Rechtsgrundlage für diesen Direktanspruch ist ein Schadensersatzanspruch des begünstigten Gläubigers gegen den Patron, der sich darauf stützt, dass der Patron seiner in der Patronatserklärung übernommenen Verpflichtung zur Finanzausstattung der Tochtergesellschaft nicht nachgekommen ist (wäre er dieser nachgekommen, wäre die Tochtergesellschaft nicht insolvent geworden).
II. Risiko der doppelten Inanspruchnahme; Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2017
Bei der harten externen Patronatserklärung trägt der Patron, wenn er der Tochtergesellschaft in Erfüllung seiner Einstandspflicht Liquidität zur Verfügung stellt, das sog. Weiterleitungsrisiko. Verwendet die Tochtergesellschaft die Liquidität nicht zur Befriedigung des begünstigten Gläubigers oder pfänden andere Gläubiger die zur Verfügung gestellten Mittel, so kann der begünstigte Gläubiger also weiterhin Ansprüche gegen den Patron gelten machen.
Gleiches gilt – wie der BGH unlängst entschieden hat (Beschluss vom 12.01.2017 – XI ZR 95/16, ZIP 2017, 337 f.) –, wenn die zur Verfügung gestellten Mittel von der Tochtergesellschaft zwar bestimmungsgemäß zur Befriedigung des begünstigten Gläubigers verwendet werden, die Tochtergesellschaft aber später in Insolvenz fällt und der Gläubiger die von der Tochtergesellschaft an ihn geleisteten Zahlungen nach deren erfolgreicher Anfechtung durch den Insolvenzverwalter in die Insolvenzmasse zurückzuzahlen hat.
In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde eine Muttergesellschaft von einem Gläubiger einer ihrer Tochtergesellschaften, einem Gaslieferanten, auf die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen ihrer Tochtergesellschaft in Anspruch genommen. Die Muttergesellschaft hatte am 12. Juni 2007 eine Erklärung gegenüber dem Gaslieferanten abgegeben, wonach sie sich verpflichtete, ihrer Tochtergesellschaft „die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, dass sie ihrerseits den vertraglichen Verpflichtungen gemäß mit ihrem Haus vereinbarten Zahlungsplan einhalten kann“. Die entsprechende Verpflichtung war vereinbarungsgemäß bis zum 15. August 2007 befristet. Die Muttergesellschaft kam ihrer durch die Patronatserklärung übernommenen Ausstattungsverpflichtung bis zum Ablauf des Geltungszeitraums pflichtgemäß nach. Nachdem die Tochtergesellschaft in der Folgezeit ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gaslieferanten nur noch teilweise erfüllte, stellte dieser seine Lieferungen am 18. September 2009 ein. Schließlich fiel die Tochtergesellschaft in Insolvenz. Die von der Tochtergesellschaft an den Gaslieferanten erbrachten Zahlungen wurden vom Insolvenzverwalter zumindest zum Teil erfolgreich angefochten, so dass der Gaslieferant die entsprechenden Zahlungen in die Insolvenzmasse zurückzuerstatten hatte.
Die Klage des Gaslieferanten, mit welcher dieser auf Grundlage der Patronatserklärung die entsprechenden Zahlungen von der Muttergesellschaft forderte, hatte Erfolg. Der BGH stufte die Erklärung der Muttergesellschaft als harte externe Patronatserklärung ein. Der Gaslieferant durfte die Muttergesellschaft also, nachdem die Tochtergesellschaft in die Insolvenz geraten war, auf Direktzahlung in Anspruch nehmen. Der Umstand, dass die Muttergesellschaft ihrer Ausstattungsverpflichtung gegenüber der Tochtergesellschaft während des Geltungszeitraums der Patronatserklärung ordnungsgemäß nachgekommen war, half der Muttergesellschaft aus Sicht des BGH nicht weiter. Denn der Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets ihren finanziellen Verpflichtungen genügt, entspreche es nicht, wenn sich die von der Muttergesellschaft durch eine interne Mittelzufuhr zu Gunsten des Gaslieferanten veranlassten Zahlungen als anfechtbar erwiesen. Vielmehr unterliege die Muttergesellschaft dann einer Schadendersatzpflicht, weil die Forderung des Gaslieferanten im Umfang der erfolgreichen Anfechtung uneinbringlich geworden sei.
Auch dem Argument der beklagten Muttergesellschaft, dass sie wegen der vereinbarten Befristung der Patronatserklärung aus dieser im Klagezeitpunkt nicht mehr in Anspruch genommen werden könne, erteilte der Bundesgerichtshof eine Absage: Die vereinbarte Befristung bedeute nicht, dass der Patron seiner Ausstattungsverpflichtung nur während des Geltungszeitraums der Patronatserklärung zu genügen habe. Stattdessen habe der Patron auch in der Folgezeit für die während des Geltungszeitraums begründeten Verbindlichkeiten vollumfänglich einzustehen.
Im Ergebnis hat die Muttergesellschaft also zweimal gezahlt: einmal an ihre Tochtergesellschaft im Wege der internen Mittelzufuhr, und dann nochmals an den Gaslieferanten in Erfüllung ihrer Schadensersatzpflicht.
III. Folgerungen für die Praxis
Dieses für die Muttergesellschaft offensichtlich missliche Ergebnis hätte sich vermeiden lassen, wenn die Muttergesellschaft bei Abgabe der Patronatserklärung und Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dieser richtig beraten gewesen wäre. Denn eine Patronatserklärung kann auch dergestalt befristet abgegeben werden, dass nach Ablauf des Befristungszeitraums eine Inanspruchnahme des Patrons – auch für während des Befristungszeitraums begründete Verbindlichkeiten – ausgeschlossen ist. Voraussetzung hierfür ist aber eine eindeutige vertragliche Regelung, an der es im vom BGH entschiedenen Fall fehlte. Natürlich wird sich ein Gläubiger auf eine solche Regelung häufig nicht einlassen wollen. In einem solchen Fall ist dann aber zumindest sicherzustellen, dass der Patron die zur Befriedigung des Gläubigers erforderlichen Zahlungen unmittelbar an diesen erbringt, ohne den Umweg über die interne Mittelzuführung an die Tochtergesellschaft zu gehen. Eine solche Direktzahlung des Patrons ist auch ohne eine entsprechende Regelung in der Patronatserklärung zulässig, auch wenn sich zumindest vorsorglich eine entsprechende vertragliche Abrede empfiehlt. Zur Minimierung von etwaig noch verbleibenden Anfechtungsrisiken (und einer evtl. dadurch ausgelösten Insolvenzantragspflicht) empfiehlt sich in diesem Zusammenhang außerdem vorsorglich noch ein Verzicht des Patrons auf den infolge der Direktzahlung entstehenden Regressanspruch gegen die begünstigte Tochtergesellschaft.
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