SATZUNGSDURCHBRECHENDE GESELLSCHAFTERBESCHLÜSSE BEI DER GMBH
Das OLG Köln hatte sich in seiner Entscheidung vom 24.08.2018 – 4 Wx 4/18 mit der Wirksamkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse bei der GmbH auseinanderzusetzen. Der Beschluss gibt dazu Anlass, die Folgen satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschlüsse unter Einbeziehung der Vorschriften der §§ 53, 54 GmbHG zu beleuchten.
I. Die Entscheidung des OLG Köln
Wie ist ein satzungsdurchbrechender Beschluss einer Gesellschafterversammlung der GmbH einzuordnen? Das OLG Köln beantwortete dies in seiner Entscheidung nahezu lehrbuchhaft in Fortführung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
In Frage stand ein notariell beurkundeter Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH, mit welchem die Kündigungsfrist für die aktuellen Gesellschafter in Abweichung von der bisherigen Satzungsregelung auf sechs Monate verkürzt wurde. Unter Bezugnahme auf diesen Beschluss sollte zum Handelsregister angemeldet werden, dass „§ 12 des Gesellschaftsvertrages durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom […] durchbrochen worden“ ist. Das Registergericht lehnte die Eintragung ab, da der Beschluss nicht wortwörtlich in den Satzungstext aufgenommen wurde.
Das OLG Köln schloss sich im Beschwerdeverfahren der Auffassung des Registergerichts an. Es stellte dar, dass bei satzungsdurchbrechenden Gesellschafterbeschlüssen zwischen „punktuellen“ und „zustandsbegründenden“ Beschlüssen zu unterscheiden sei. Während punktuelle Beschlüsse zwar wirksam, aber anfechtbar seien wären zustandsbegründende Beschlüsse ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften unwirksam. Ein solcher zustandsbegründender Beschluss sei hier gegeben, da der Beschluss auf eine dauerhafte Abweichung von der Kündigungsregel für die aktuellen Gesellschafter abstelle und somit die maßgeblichen Regelungen für die Gesellschaft nicht mehr dem bloßen Satzungstext zu entnehmen seien. Somit genügte die notarielle Beurkundung des satzungsdurchbrechenden Beschlusses nicht, sondern es hätte außerdem der vollständige neue Wortlaut des Gesellschaftsvertrages der Anmeldung zum Handelsregister gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG mit beigefügt werden müssen.
II. Punktuelle und zustandsbegründende Beschlüsse
Allgemein ist ein satzungsdurchbrechender Beschluss dann gegeben, wenn ein Gesellschafterbeschluss eine von der Satzung abweichende Regelung trifft, ohne aber den Satzungstext selbst zu ändern. Unerheblich ist dabei, ob sich die Gesellschafter bewusst sind, dass ihr Beschluss zur Satzungsdurchbrechung führt oder ob sie den Willen haben, die Satzung zu ändern. Die Beurteilung der Wirksamkeit satzungsdurchbrechenden Beschlüsse ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Gemeinsam ist beiden Meinungsströmungen, dass grundsätzlich zwischen punktuellen und zustandsbegründenden Beschlüssen unterschieden wird, wie auch das OLG Köln in seiner Entscheidung ausführte.
1. Punktuelle Beschlüsse
Ein punktueller Beschluss liegt dann vor, wenn sich die Abweichung von der Satzung auf einen konkreten Einzelfall beschränkt und sich deshalb die Wirkung des Beschlusses in der jeweiligen Maßnahme erschöpft. Als Beispiele für punktuelle Satzungsdurchbrechungen werden die lediglich einzelfallbezogene Befreiung eines Gesellschafters vom statuarischen Wettbewerbsverbot oder die Zustimmung zur Anteilsübertragung durch die Gesellschafterversammlung anstelle eines dafür kraft Satzung zuständigen Aufsichtsrates genannt.
Umstritten und nicht geklärt ist, ob ein punktueller Beschluss zumindest der notariellen Beurkundung bedarf. Nach einer Ansicht sei ein solcher Beschluss jedenfalls dann anfechtbar, wenn eine notarielle Beurkundung fehle. Nach anderer Ansicht wäre ein solcher Beschluss in jedem Fall anfechtbar, da er gegen die Satzung verstoße. Ein betroffener Gesellschafter kann gegen eine punktuelle Satzungsdurchbrechung im Wege der Anfechtungsklage vorgehen.
2. Zustandsbegründende Beschlüsse
Ein zustandsbegründender Beschluss ist gegeben, wenn ein von der Satzung abweichender, rechtlicher Zustand begründet wird, der sich gerade nicht nur in einer punktuellen Maßnahme erschöpft. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt ein zustandsbegründender Beschluss auch dann vor, wenn dieser Zustand auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt ist. Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass der Rechtsverkehr ansonsten über die Verhältnisse der Gesellschaft entgegen dem mit der Registerpublizität verfolgten Zweck unzutreffend informiert werde.
Sollte ein Beschluss beispielsweise vorsehen, dass die Geschäftsführer jeweils einzelvertretungsbefugt sind, obwohl der Satzungstext weiterhin die gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis vorsieht, so ist der Beschluss als zustandsbegründend zu qualifizieren. Ebenso ist die Bestellung von Geschäftsführern oder anderen Mitglieder von Gesellschaftsorganen, die nicht über eine entsprechende in der Satzung vorgeschriebene Qualifikation verfügen, als zustandsbegründender Beschluss zu beurteilen.
Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung soll ein zustandsbegründender Beschluss dann wirksam sein, wenn die Formvorschrift des § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG beachtet, d.h. der Beschluss notariell beurkundet wurde. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht aber davon aus, dass ein zustandsbegründender Beschluss unwirksam ist, wenn die Satzung inhaltlich nicht geändert und diese Neufassung nicht nach § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG zum Handelsregister angemeldet wird. Dieser Auffassung folgte auch das OLG Köln in seiner Entscheidung. Sollte ein Gesellschafter gegen eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung vorgehen wollen, so kann er dies im Wege der (Nichtigkeits-)feststellungsklage tun.
3. Grenzfälle
Dass eine Unterscheidung zwischen punktuellen und zustandsbegründenden Beschlüssen nicht immer leicht zu treffen ist, zeigen folgende Beispiele: Während eine Auffassung bei der Fassung eines von der Satzung abweichenden Gewinnverwendungsbeschlusses für ein Geschäftsjahr davon ausgeht, dass dies lediglich eine punktuelle Satzungsdurchbrechung darstellt, ist dies nach anderer Auffassung (u.a. OLG Dresden) als zustandsbegründender Beschluss zu werten. Diese letztgenannte Ansicht stützt sich darauf, dass sich Regelungen zur Gewinnverwendung in der Satzung gerade nicht punktuell in der jeweiligen Maßnahme erschöpfen, sondern sich auch auf den Jahresabschluss des Folgejahres auswirken.
Wenn ein Geschäftsführer von der Gesellschafterversammlung, aber nicht vom eigentlich nach der Satzung zuständigen Organ wie beispielsweise dem Aufsichtsrat oder Beirat bestellt wird, so soll nach einer Auffassung eine lediglich punktuelle Satzungsdurchbrechung vorliegen. Dies wird damit begründet, dass dem eigentlich zuständigen Organ die Kompetenz zur Bestellung des Geschäftsführers nicht dauerhaft abgesprochen wird. Nach anderer Auffassung liegt darin jedoch ein zustandsbegründender Beschluss: Der satzungswidrige Zustand ist danach deswegen dauerhaft, da der Geschäftsführer jedenfalls für einen längeren Zeitraum sein Amt als Geschäftsführer bekleidet, ohne vom zuständigen Organ bestellt worden zu sein.
III. Fazit und Praxishinweise
Die Beurteilung, ob lediglich ein punktueller oder zustandsbegründender Beschluss gegeben ist, ist in der Praxis oftmals schwierig. Eine falsche Einordnung kann dazu führen, dass der Beschluss nichtig ist und so eine Zwischenverfügung des Registergerichts erfolgt. Falls daher Zweifel bestehen, ob ein Beschluss lediglich punktuell die Satzung durchbricht oder zustandsbegründend ist, sollten in jedem Fall die Regeln der formellen Satzungsänderung nach §§ 53, 54 GmbHG beachtet werden, also nicht nur die notarielle Beurkundung, sondern auch die entsprechende Anmeldung zur Eintragung der Satzungsdurchbrechung im Wortlaut in das Handelsregister.
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