SIE IST DA – DIE LANG ERWARTETE GRUNDERWERBSTEUERREFORM!
Im unserem Newsletter 2019 | Q2 hatten wir bereits über die geplante Grunderwerbsteuerreform berichtet, mit der als missbräuchlich infizierte Gestaltungen im Rahmen der Veräußerung von Geschäftsanteilen künftig verhindert werden sollen. Das Gesetzgebungsverfahren lag seitdem auf Eis. Am 7. Mai 2021 hat der Bundesrat dem Gesetz nunmehr jedoch zugestimmt, so dass es am 17. Mai 2021 verkündet wurde. Die Änderungen treten am 1. Juli 2021 in Kraft.
I. Überblick über die Änderungen
Der Grunderwerbsteuer unterliegen Vorgänge, die einen Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück zur Folge haben. Aber auch ohne einen solchen wird bereits nach derzeitiger Gesetzeslage u.U. Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn nicht das Grundstück selbst, sondern „nur“ die Anteile an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz auf einen (neuen) Erwerber übertragen werden. Diese sog. Share Deals werden derzeit von der Grunderwerbsteuer erfasst, wenn ein Schwellenwert von mindestens 95 % der Anteile erreicht wird, wobei zeitlich getreckte Erwerbe über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren je nachdem, ob es sich um eine Kapital- oder Personengesellschaft handelt, zu einer vollständigen oder teilweisen Nichtbesteuerung führen können. Dies war der Politik jedoch ein Dorn im Auge und ist der Grund für die nunmehr verwirklichte Grunderwerbsteuerreform.
Die wesentlichen Elemente dieser Reform sind (i) die Herabsetzung des Schwellenwerts von 95 % auf 90 %, (ii) die Verlängerung der Halte- und Beobachtungsfristen von fünf auf zehn (teilweise sogar auf fünfzehn) Jahre sowie (iii) die Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands für den Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften.
Vergleicht man die Entwurfsfassung von 2019 (Newsletter 2019 | Q2) mit der nunmehr verabschiedeten Gesetzesfassung, ist – neben der Einfügung einer sog. Börsenklausel – positiv hervorzuheben, dass für Zwecke des neu eingeführten Ersatztatbestandes bei Kapitalgesellschaften vor in Kraft treten der Vorschrift, d.h. vor dem 1. Juli 2021, vollzogene Anteilsübergänge ausdrücklich unberücksichtigt bleiben. Nicht umgesetzt wurden hingegen die noch im Regierungsentwurf 2019 enthaltenen Vertrauensschutzregelungen für Verpflichtungsgeschäfte (sog. Signing).
Hier die Änderungen im Einzelnen:
II. Absenkung der Beteiligungsquote
Wie im Referentenentwurf vorgesehen, wurde der Schwellenwert für Anteilsübertragungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG von „mindestens 95 %“ auf „mindestens 90 %“ der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft gesenkt. Diese Änderungen sind erstmals für Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des dinglichen Übergangs der Anteile (sog. Closing) an.
Wurden in der Vergangenheit Anteilsübertragungen auf (mittelbar oder unmittelbar) einen Erwerber von mehr als 90 % aber weniger als 95 % der Anteile vorgenommen, gelten die bisherigen Schwellenwerte insoweit fort, es sei denn, der Übertragungsvorgang löst nach den Vorschriften in der jeweils neuen Fassung Grunderwerbsteuer aus. Entsprechendes gilt für sog. Anteilsvereinigungen. Zu Besteuerungslücken kommt es durch die Herabsetzung der Schwellenwerte demnach nicht.
Diese Übergangsregelung ist für grundstückshaltende Personengesellschaften (also für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG) auf fünf Jahre beschränkt. Bei Kapitalgesellschaften sind die die bisherigen Schwellenwerte hingegen zeitlich unbegrenzt anwendbar, so dass die Aufstockung einer Beteiligung bspw. von 94,9 % auf 95 % oder mehr auch noch Jahrzehnte später Grunderwerbsteuer auslösen kann.
III. Verlängerung der Fristen
Wie erwartet, wurden außerdem die Fristen im Grunderwerbsteuergesetz von fünf auf grundsätzlich zehn Jahre verlängert. Die Zehnjahresfrist gilt nicht nur für den neuen Ersatztatbestand bei Kapitalgesellschaften (hierzu gleich), sondern auch für Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften und die Vor- und Nachbehaltensfristen der Befreiungsvorschriften (§§ 5, 6, und 7 GrEStG). In den Fällen bestimmter Anteilsvereinigungen, die einer aufgrund der Unterschreitung der Schwellenwerte nicht steuerbaren Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft folgen, kommt es sogar zu einer Verlängerung der sog. Vorbehaltensfrist auf fünfzehn Jahre (§ 6 Abs. 4 GrEStG).
Nicht angepasst wurden hingegen die Vor- und Nachbehaltsfristen für die Anwendung der sog. Konzernklausel des § 6a GrEStG. Nach dieser Vorschrift können bestimmte grunderwerbsteuerbare Vorgänge, die innerhalb einer Unternehmensgruppe vorgenommen werden, von der Steuer befreit sein. Voraussetzung ist jedoch insbesondere, dass der Grundbesitz nur innerhalb von Gesellschaften transferiert wird, an dem ein beherrschendes Unternehmen mindestens fünf Jahre die Anteile gehalten hat (übertragender Rechtsträger) und/oder diese auch nach der Übertragung mindestens fünf Jahre hält (übernehmender Rechtsträger). Ein Beherrschungsverhältnis wird angenommen, wenn mindestens 95 % der Anteile unmittelbar und/oder mittelbar gehalten werden. Die fünfjährige Frist wurde im Rahmen der Grunderwerbsteuerreform unangetastet gelassen. Dies gilt auch für den vorgenannten Schwellenwert von 95 % der Anteile.
Besonderes Augenmerk ist auch bei den Fristen auf die Übergangsregelungen zu legen. So bleibt bei Personengesellschaften der Status als Altgesellschafter erhalten, wenn die fünfjährige Haltefrist bereits vor dem 1. Juli 2021 abgelaufen ist. Anteilserwerbe durch solche Altgesellschafter sind bei der Prüfung der neuen 90 %-Schwelle daher nicht mit einzubeziehen. Ist die Fünfjahresfrist eines Gesellschafters am 1. Juli 2021 hingegen noch nicht abgelaufen, gilt dieser künftig erst nach Ablauf von zehn Jahren als Altgesellschafter.
IV. Neuer Ersatztatbestand bei Kapitalgesellschaften
Umgesetzt wurde auch die von den Ländern geforderte Verschärfung hinsichtlich der Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen. Während bisher nur die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar auf „einen“ Erwerber Grunderwerbsteuer auslöste (was weiterhin, wie gezeigt, bei einer Schwele von 90 % der Fall ist), wird nun durch Einführung eines Ersatztatbestandes ein Grundstückserwerb immer dann fingiert, wenn sich der Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft mit inländischem Grundbesitz innerhalb von zehn Jahren dergestalt ändert, dass unmittelbar und/oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übertragen werden. Diese Neuregelung ist vergleichbar mit dem bisher nur bei Personengesellschaften geltenden Ersatztatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG. Anteilserwerbe von Todes wegen bleiben, wie bei Personengesellschaften auch, unberücksichtigt.
Die in der Praxis bisher weitverbreitete Konstruktion, die Grunderwerbsteuer infolge einer Anteilsvereinigung dadurch zu vermeiden, dass ein Co-Investor einen „Zwerganteil“ von (bisher) 5,1 % an der Grundstückskapitalgesellschaft erwirbt, ist damit ab 1. Juli 2021 nicht mehr möglich. Wird der Gesellschafterwechsel noch vor dem 30. Juni 2021 vollzogen, ist dieser für Zwecke der Grunderwerbsteuer irrelevant, d.h. er geht nicht in die Berechnung der maßgeblichen 90 %-Schwelle ein.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn das Verpflichtungsgeschäft (Signing) und die dingliche Übertragung der Anteile (Closing) auseinander fallen. So war im Gesetzesentwurf 2019 hierzu noch eine Vertrauensschutzregelung enthalten, wonach bei Anschluss von Transaktionen vor der Gesetzesänderung mit dinglichem Vollzug nach der Gesetzesänderung die bisherigen Regelungen Anwendung finden sollten. Diese hat es leider nicht bis ins Gesetz geschafft. Damit unterliegen auch Anteilsübertragungen, die vor dem 1. Juli 2021 abgeschlossen, aber erst danach dinglich vollzogen werden, der Grunderwerbsteuer. Ob dies verfassungsrechtlich zu lässig ist, werden künftig die Finanzgerichte klären müssen.
V. Einführung einer Börsenklausel
Für Zwecke des Besteuerung von Gesellschafterwechseln bei Personen- und Kapitalgesellschaften wird eine sog. Börsenklausel eingeführt, nach welcher für Zwecke der Ersatztatbestände des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG bei der Ermittlung der 90 %-Schwelle Übergänge von Anteilen nicht zu berücksichtigen sind, die an einem organisierten Markt (Prime Standard und General Standard) zum Handel zugelassen sind, wenn der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an einem solchen Markt oder einem multilateralen Handelssystem erfolgt. Der Bezug zu Personengesellschaften betrifft Sachverhalte, bei denen eine Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar und/oder mittelbar beteiligt ist.
VI. Erweiterung der Ersatzbemessungsgrundlage
Auch die geplante Erweiterung der Ersatzbemessungsgrundlage auf bestimmte Umwandlungs- und Einbringungsfälle wurde umgesetzt. So kann die Grunderwerbsteuer noch bis zum in Kraft treten der Neuregelung dadurch optimiert werden, dass die an einem Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger den inländischen Grundbesitz zu einem unter dem Verkehrs- und Grundbesitzwert liegenden Wert im ertragsteuerlichen Rückwirkungszeitraum vom Überträger an den Übernehmer veräußern und erst danach die Umwandlung zivilrechtlich vollziehen. Die Grunderwerbsteuer wird in diesen Fällen aktuell noch auf Basis der (zu niedrigen) Gegenleistung festgesetzt, wodurch eine Berücksichtigung der höheren Grundbesitzwerte, die ohne eine vorherige Veräußerung bei der Umwandlung zur Anwendung gelangen würden, verhindert wird.
Diese Gestaltung wird ab 1. Juli 2021 nicht mehr möglich sein, da die Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach den Grundbesitzwerten nunmehr Vorrang vor der Besteuerung nach der vereinbarten Gegenleistung hat. Voraussetzung ist, dass zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger innerhalb des Rückwirkungszeitraums nach §§ 2, 20 Abs. 6 und 24 Abs. 4 UmwStG ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird und die vereinbarte Gegenleistung unter dem Grundbesitzwert liegt. Weitere Voraussetzung ist, dass es ohne den Erwerbsvorgang zu einer Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG gekommen wäre.
VII. Fazit
Nachdem die Reformpläne in den letzten zwei Jahren für erhebliche Unsicherheiten in der Transaktionspraxis gesorgt haben, nicht zuletzt deshalb, weil viel über eine rückwirkende Anwendung spekuliert wurde, herrscht hierüber nun Klarheit. Erwartungsgemäß wurden als wesentliche Änderungen die Schwellenwerte herab- und die Halte- und Beobachtungsfristen heraufgesetzt. Auch die Einführung eines neuen Ersatztatbestandes für Gesellschafterwechsel einer Kapitalgesellschaft entspricht den bisherigen Annahmen.
Positiv ist zu bewerten, dass die Reform grundsätzlich erst auf Übertragungen, die nach dem 30. Juni 2021 erfolgen, anwendbar ist und sog. Altgesellschafter in Personengesellschaften ihren grunderwerbsteuerlichen Status nicht verlieren. Allerdings könnte die Grunderwerbsteuer aufgrund der gesetzlichen (Nicht-)Regelungen nunmehr in Fällen zuschlagen, die bisher bereits als nichtsteuerbar abgewickelt galten. So gibt es leider kein Vertrauensschutz, wenn das Verpflichtungsgeschäft vor dem 1. Juli 2021 abgeschlossen wurde, der dingliche Vollzug aber erst an oder nach diesem Stichtag erfolgt. Transaktionen mit Closing nach dem Inkrafttreten der Reform müssen daher erneut in Blick genommen werden.
Wie bei nahezu jeder umfassenden Reform wird sich auch erst im Laufe der Zeit herausstellen, ob die Neuregelungen die gewünschten Ziele erreichen. Schon jetzt ist sicher, dass man sich bei aktuell anstehenden Transaktionen intensiv mit den zahlreichen Übergangsregelungen beschäftigen wird.
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