SOG. BLOCKERWERB EINE MINDESTENS 10 %IGEN BETEILIGUNG VON MEHREREN VERÄUßERERN
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 6. September 2023, Az.: I R 16/21 entschieden, dass die Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG von 10 % auch erreicht werden kann, wenn am Erwerbsvorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind. Demnach kommt es auf das Vorliegen eines wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgangs an.
I. Sinn und Zweck, Anwendungsbereich des § 8b KStG
Durch § 8b KStG sollen Beteiligungsstrukturen, die in den Anwendungsbereich der Norm fallen, wettbewerbsfähiger werden. Ohne die Vorschrift des § 8b KStG würde es aufgrund der getrennten Besteuerung von Körperschaften und Anteilseignern zu einer doppelten Besteuerung von Beteiligungserträgen sowie von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen an bestimmten Körperschaften bzw. aus veräußerungsgleichen Vorgängen kommen.
II. Beteiligungserträge
1. Steuerfreistellung von Beteiligungserträgen nach § 8b Abs. 1 KStG
Für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften bewirkt § 8b Abs. 1 KStG durch eine Kürzung des Gewinns außerhalb der Bilanz eine Steuerfreistellung der Beteiligungserträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG.
Zu den Beteiligungserträgen gehören neben offenen Gewinnausschüttungen auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA), sofern diese das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben (§ 8b Abs. 1 S. 2 KStG).
2. Fiktion nicht abziehbarer Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG
§ 8b Abs. 1 KStG wird durch die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG ergänzt. Demnach gelten 5 % der Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG als nicht abziehbare Betriebsausgaben.
Dies führt somit zu folgendem Ergebnis:
- Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 1 KStG sind zwar grundsätzlich zu 100 % steuerfrei. Allerdings gelten 5 % dieser Bezüge als nicht abziehbare Betriebsausgaben.
- Insgesamt sind daher nur 95 % der Beteiligungserträge steuerfrei.
- Auf der Ebene der empfangenden Körperschaft kommt es somit typischerweise zu einer Ertragsteuerbelastung von ca. 1,6 % des Beteiligungsertrags (Bemessungsgrundlage 5 % x 15 % Körperschaftsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag) + 5 % x Gewerbesteuer, abhängig vom sog. Hebesatz, z.B. 15%, ergibt in Summe ca. 1,6%).
Die Fiktion des § 8b Abs. 5 KStG gilt unabhängig davon, ob tatsächlich Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Beteiligungserträgen entstanden sind. Tatsächliche Betriebsausgaben dürfen jedoch vollständig abgezogen werden, § 8b Abs. 5 S. 2 KStG.
3. Steuerpflicht von Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG
§ 8b Abs. 4 KStG engt den sachlichen Anwendungsbereich des § 8b Abs. 1 KStG jedoch in Bezug auf Dividenden ein, da insofern eine Mindestbeteiligungsquote von „mindestens 10 %“ (für Gewerbesteuerzwecke ist gem. § 9 Nr. 2a oder Nr. 7 GewStG eine Mindestbeteiligungsquote von 15 % erforderlich). Auf Veräußerungsgewinne i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG ist § 8b Abs. 4 KStG dagegen nicht anzuwenden.
§ 8b Abs. 4 KStG stellt grundsätzlich auf die Beteiligungshöhe zu Beginn des Kalenderjahres ab, während die Regelungen des GewStG auf den (identischen) Beginn des Erhebungszeitraums abstellen. Allerdings muss nach § 8b Abs. 4 S. 6 KStG dann die Beteiligungshöhe zu Beginn des Kalenderjahres nicht mindestens 10 % betragen, wenn im Laufe des Kalenderjahres eine Beteiligung von mindestens 10 % erworben wird. Die Rechtsfolge greift nur für „Zwecke dieses Absatzes“, d.h. für die Anwendung des § 8b Abs. 4 KStG und hat keine Bedeutung für § 9 Nr. 2a bzw. Nr. 7 GewStG
4. Beteiligung wird über eine Mitunternehmerschaft gehalten
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 KStG bestimmen sich die für eine Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin auf der Ebene einer Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nach § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO feststellungspflichtigen Besteuerungsgrundlagen nach den Vorschriften des EStG unter Berücksichtigung der hiervon teilweise abweichenden (Sonder-)Vorschriften des KStG. Zu Letzteren gehört auch § 8b Abs. 1 S. 1 und 2 KStG, wonach grundsätzlich steuerpflichtige Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 1 KStG iVm § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 8 EStG, die in den auf die Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin entfallenden mitunternehmerischen Einkünften aus Gewerbebetrieb enthalten sind, bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft außer Ansatz bleiben, sofern diese Bezüge das Einkommen der ausschüttenden Beteiligungsgesellschaft als offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen nicht gemindert haben.
Eine dem Mitunternehmer zugerechnete Beteiligung i.S.d. § 8b Abs. 4 KStG gilt als unmittelbare Beteiligung (§ 8b Abs. 4 S. 5 KStG). Im Übrigen gilt für Zwecke des gesamten § 8b Abs. 4 KStG, wie schon ausgeführt, der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt (§ 8b Abs. 4 S. 6 KStG).
III. Einzelfragen zum unterjährigen Erwerb von Beteiligungen
1. Mehrere unterhalb der Beteiligungsschwelle von 10 % liegende Erwerbe
Die Vorinstanz zum BFH-Urteil hatte bereits darauf hingewiesen, dass zur Auslegung des in § 8b Abs. 4 S. 6 KStG verwendeten Tatbestandsmerkmals des unterjährigen „Erwerb(s) einer Beteiligung von mindestens 10 %“ bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Erwerb von jeweils unterhalb der genannten Beteiligungsschwelle liegenden Anteilspaketen von mehreren Verkäufern, wenn aber in der Summe der Erwerbe die genannte Beteiligungsschwelle überschritten wird, von der (begünstigenden) Norm erfasst ist.
Einerseits wurde die Auffassung vertreten, eine entsprechende Fallsituation sei generell erfasst, während eine Gegenauffassung die Voraussetzungen in dieser Konstellation als nicht erfüllt ansieht, weil § 8b Abs. 4 S. 6 KStG angesichts des Wortlauts keiner teleologischen Extension zugänglich sei (so auch bisher die Finanzverwaltung)
2. Begünstigung jedenfalls bei sog. Blockerwerb („einheitlicher Erwerb“)
Der BFH hat die vorgenannte Auslegungsfrage zur generellen Anwendbarkeit des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG bei mehreren (Teil-)Erwerben mit Blick auf die Besonderheiten des Streitfalls offenlassen, denn im entschiedenen Fall wurde die relevante Beteiligungsschwelle durch einen aus Sicht des Erwerbers „wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang“ trotz der Tatsache erreicht, dass an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.
Im Tatbestand des § 8b Abs. 4 S. 1 KStG wird von „der Beteiligung“ gesprochen und nicht danach unterschieden, wann und von wem die entsprechenden Anteile erworben worden sind. Damit lässt es der Wortlaut des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG ohne Weiteres zu, die Frage nach dem „Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 %“ aus Sicht des Erwerbers zu beurteilen und darauf abzustellen, ob ein wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vorliegt oder nicht.
Dafür, dass jedenfalls der wirtschaftlich einheitliche Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % zur Tatbestandserfüllung der Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG ausreichen muss, sprechen nach Ansicht des BFH sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Normzweck.
Hintergrund der Regelung war, dass ohne die Sonderregelung zum Ersterwerb oder Hinzuerwerb einer mindestens 10 %igen Beteiligung stets die Streubesitzregelung anzuwenden wäre, mit der Folge, dass z.B. Dividenden aus der Beteiligung im Erstjahr stets steuerpflichtig zu behandeln wären oder Finanzierungskosten, die im Jahr des Erwerbs angefallen sind, nur mit späteren Erträgen aus Streubesitz-Beteiligungen verrechnet werden können. Diese Folge wäre selbst bei unterjährigem Erwerb einer 100-prozentigen Beteiligung eingetreten. Dass der Gesetzgeber bezogen auf die Härtefallregelung des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG die Vorstellung gehabt haben könnte, dass der Erwerb nur von einem Veräußerer erfolgen dürfe, sind nicht erkennbar.
Die unterschiedliche Behandlung der Erträge aus Beteiligungen je nach der Beteiligungshöhe (§ 8b Abs. 4 S. 1 KStG) ist damit gerechtfertigt worden, dass bei einer Streubesitzbeteiligung (unter 10 %) diese als Kapitalanlage angesehen wird, weil häufig auch keine dauerhafte Beteiligung an der Unternehmung angestrebt werde. Entsprechend könne der Anteilseigner aufgrund der Höhe seiner Beteiligung keinen unternehmerischen Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausüben, während bei einer Beteiligung von mindestens 10 % regelmäßig ein betriebliches Engagement des Anteilseigners unterstellt werden könne. Aus der maßgeblichen Sicht des Erwerbers und angesichts des Ausnahmecharakters des § 8b Abs. 4 KStG macht es keinen Unterschied, ob der qualifizierte Beteiligungserwerb von einem Veräußerer oder von mehreren Veräußerern erfolgt, weil entscheidend sein muss, dass durch den Erwerb der Beteiligung von mindestens 10 % ein unternehmerischer Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann oder nicht. Das hängt aber nicht von der Zahl der Veräußerer, sondern allein von der erworbenen Beteiligung ab. Dies muss nach Ansicht des BFH jedenfalls dann ausreichend sein, wenn die maßgebliche Beteiligung von mindestens 10 % aus Erwerbersicht in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang, damit aufgrund eines einheitlichen Erwerbsentschlusses in kausalem und zeitlichem Zusammenhang, erworben wird.
Für Sie da