STEUERLICHE MASSNAHMEN ZUR UNTERSTÜTZUNG IN DER CORONA-KRISE
Zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber nun das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz auf den Weg gebracht. Im Folgenden werden die Maßnahmen der Corona-Steuerhilfegesetze, die zu einer kurzfristigen liquiditätsmäßigen Entlastung der Steuerpflichtigen führen, sowie Neuerungen auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung (Umstrukturierungen und internationales Steuerrecht) erläutert.
I. Die beiden Corona-Steuerhilfegesetze
Die Bundesregierung versucht mit vielen Maßnahmen den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie entgegen zu treten. Neben den direkten Subventionen (staatliche Förderprogramme) werden auch von der Corona-Krise betroffene Steuerpflichtige unterstützt. Dies erfolgt durch die Gesetze zur „Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise“, auch Erstes und Zweites Corona-Steuerhilfegesetz genannt, denen der Bundesrat am 5. Juni 2020 (Erstes Corona-Steuerhilfegesetz) sowie am 29. Juni 2020 (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) seine Zustimmung erteilt hat.
II. Erweiterung der Verlustnutzungsmöglichkeiten
Für die Praxis sind insbesondere die neu eingeführten Verlustnutzungsmöglichkeiten von hoher Bedeutung, da sie faktisch zu einem Erstattungsanspruch führen und bei etwaigen Liquiditätsengpässen unterstützen können:
1. Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag
Die Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) werden für Verluste der Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 bei Einzelveranlagung von 1 Mio. EUR auf 5 Mio. EUR sowie bei Zusammenveranlagung von 2 Mio. EUR auf 10 Mio. EUR angehoben – ab dem Veranlagungszeitraum 2022 gelten wieder die bisherigen Werte.
2. Anpassung der Vorauszahlungen für 2019
Für Steuerpflichtige, deren Vorauszahlungen für 2020 auf null Euro herabgesetzt wurden, besteht auf Antrag die Möglichkeit, nachträglich den für die Bemessung der Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 zugrunde gelegten Gesamtbetrag der Einkünfte pauschal um 30 % zu mindern. Kann der Steuerpflichtige anhand detaillierter Unterlagen nachweisen, dass der Verlust aufgrund der Entwicklungen im Veranlagungsjahr 2020 voraussichtlich höher ausfallen wird, kann er als Abzugsbetrag beim Gesamtbetrag der Einkünfte für 2019 auch einen höheren Verlustrücktrag als die Pauschale von 30 % geltend machen.
Die Vorauszahlungen für 2019 orientieren sich sodann an dem – durch den (pauschalen) Verlustrücktrag nachträglich geminderten – Gesamtbetrag der Einkünfte, sodass die nachträgliche Herabsetzung der Vorauszahlungen für 2019 faktisch zu einer Steuer-Rückerstattung führen. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) sind allerdings bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen.
3. Vorläufiger Verlustrücktrag
Neben der Möglichkeit, durch den vorgenannten (pauschalierten) Abzugsbetrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte nachträglich die Vorauszahlungen für 2019 zu mindern, kann dieser Verlustrücktrag auf Antrag auch im Rahmen der Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 2019 berücksichtigt werden. Entsprechend der zuvor erläuterten Systematik gilt der pauschale Abzugsbetrag i.H.v. 30 % (oder höher, sofern ein Nachweis erbracht wird) als sog. vorläufiger Verlustrücktrag für 2020. Dieser wird sodann vom Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 abgezogen. Dabei gelten die zuvor erläuterten Einschränkungen entsprechend. Im Rahmen der Veranlagung für 2020 erfolgt eine Überprüfung des geltend gemachten vorläufigen Verlustrücktrags.
III. Änderungen der Rückbeziehungsfrist bei Umwandlungen
Das Umwandlungsgesetz (UmwG) sieht vor, dass Umwandlungsvorgänge, wie z.B. eine Verschmelzung, durch das Registergericht nur eingetragen werden dürfen, wenn die einzureichende Schlussbilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist (§ 17 Abs. 2 UmwG). Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass dem Umwandlungsvorgang eine aktuelle Bilanz zugrunde gelegt wird.
Aufgrund der Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten wegen der Corona-Pandemie ist es erheblich schwieriger geworden, die Achtmonatsfrist einzuhalten. Aus diesem Grund wurde durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 (BGBl. I 2020, Seite 569), die Frist auf zwölf Monate verlängert. Somit können Verschmelzungen und Spaltungen auch noch am 31. Dezember 2020 mit Rückwirkung zum 1. Januar 2020 zum Handelsregister angemeldet werden. Diese Änderung ist zunächst auf das Jahr 2020 befristet, wobei durch Rechtsverordnung eine Verlängerung bis Ende 2021 möglich ist.
Umwandlungen werden regelmäßig erst mit einer (konstitutiven) Eintragung in das Handelsregister wirksam (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Mit der Eintragung wird der übernehmende Rechtsträger zivilrechtlicher Eigentümer des übernommenen Vermögens. Aus Gründen der Vereinfachung ermöglicht § 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) eine steuerliche Rückbeziehung des Vermögensübergangs auf einen Bilanzstichtag, auf den ohnehin bereits ein Ergebnis der übertragenden Körperschaft ermittelt wird, und vereinfacht damit die Ermittlung und die Abgrenzung der Ergebnisse der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger. Ohne die Regelung des § 2 UmwStG wäre das Einkommen des übertragenden Rechtsträgers bis zur Eintragung der Umwandlung bei diesem zu ermitteln und zu versteuern. § 2 UmwStG regelt durch Bezugnahme auf den Stichtag der handelsrechtlichen Schlussbilanz nach § 17 Abs. 2 UmwG, zu welchem Stichtag (Übertragungsstichtag) das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft und des übernehmenden Rechtsträgers zu ermitteln ist. Die nun gesetzlich verlängerte Frist in § 17 UmwG gilt daher „automatisch“ auch für steuerliche Zwecke und zwar bei Verschmelzungen und bei Auf- und Abspaltungen von Kapitalgesellschaften auf Kapital- oder Personengesellschaften.
Soweit das UmwStG aber mangels Regelungen im UmwG eigenständige Rückbeziehungsvorschriften enthält, d.h. betreffend Formwechsel in eine Personengesellschaft (§ 9 UmwStG) sowie Einbringungen von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft und Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 6 UmwStG), wurden durch das Erste Corona-Steuerhilfegesetz die Achtmonatsfristen des UmwStG ebenfalls auf zwölf Monate verlängert. Im Einklang mit der Anpassung von § 17 UmwG gilt diese Gesetzesänderung nur temporär für Registeranmeldungen für Einbringungsverträge, welche im laufenden Kalenderjahr 2020 erfolgen. Das Änderungsgesetz beinhaltet aber auch hier die Möglichkeit, den Anwendungszeitraum auf das Jahr 2021 auszuweiten.
Aus Sicht der Praxis sind die Änderungen des UmwG und UmwStG zu begrüßen, da man durch die verlängerten Rückwirkungsmöglichkeiten zusätzliche Vorbereitungszeit für anstehende Umstrukturierungsvorgänge gewinnt.
IV. Internationales Steuerrecht
Im Hinblick auf die EU-rechtlich geforderten und in nationales Recht (§ 138d bis § 183k Abgabenordnung) umgesetzten Anzeigepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, v. 21.12.2019, BGBl I 2019, S. 2875, vgl. hierzu bereits den honert Newsletter-Beitrag vom 21. September 2018) wird eine Fristverschiebung angestrebt.
Die EU-Kommission hat einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht (COM (2020) 197 final) und eine Verschiebung des Starts der Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen vom 1. Juli 2020 auf den 1. Oktober 2020 vorgeschlagen. Ferner soll laut Vorschlag der EU-Kommission für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, deren erste Schritte bereits nach dem 24. Juni 2018 und vor dem 1. Juli 2020 umgesetzt wurden, eine Meldung bis zum 30. November 2020 (statt bis zu, 31. August 2020) ausreichend sein.
Durch das Erste Corona-Steuerhilfegesetz wurde das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nunmehr dazu ermächtigt, unter Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben abweichende Bestimmungen und damit auch Fristverlängerungen festzulegen (§ 33 Abs. 5 EGAO). Es ist zu erwarten, dass das BMF zeitnah von der Ermächtigung Gebrauch machen wird. In einem der nächsten honert Newsletter werden wir Sie im Detail über die Meldepflichten und die dabei einzuhaltenden Fristen informieren.
V. Weitere steuerliche Unterstützungsmaßnahmen
Folgende weitere Unterstützungsmaßnahmen sind geplant:
- Schon im Ersten Corona-Steuerhilfegesetz wurden die Mehrwertsteuersätze für die Gastronomie für nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Juli 2021 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken, von 19 % auf 7 % gesenkt. Nun wird (vgl. den Entwurf eines begleitenden BMF-Schreibens vom 23. Juni 2020) zusätzlich durch eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer der Binnenkonsum gestärkt, indem für Lieferungen und Leistungen im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 generell der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19 % auf 16 % und der ermäßigten Satz von 7 % auf 5 % gesenkt wird (§§ 12 Abs. 1 und 2, 28 Abs. 1 und 2 UStG).
- Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt werden, kann anstelle der linearen Abschreibung (gleiche Jahresbeträge) eine degressive Abschreibung (fallende Jahresbeträge) i.H.v. bis zu 25 % des jeweiligen Buchwerts, höchstens jedoch des 2,5fachen der linearen Abschreibung, in Anspruch genommen werden.
- Bei der Gewerbesteuer wird der Freibetrag für die Hinzurechnungstatbestände des § 8 Nr. 1 GewStG (betrifft u.a. Entgelte für Schulden, Miet- und Pachtzahlungen) auf 200.000 EUR erhöht.
- Bei natürlichen Personen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb wird der Faktor zur Steuerermäßigung nach § 35 EStG von 3,8 auf 4,0 angehoben.
- Die Fristen für die Verwendung von in 2017 (maßgeblich: Ende des Wirtschaftsjahres) beanspruchten Investitionsabzugsbeträgen nach § 7b EStG werden um ein Jahr verlängert.
- Die Reinvestitionsfrist des § 6b EStG wird vorübergehend um ein Jahr verlängert, wenn die Rücklage in einem Wirtschaftsjahr aufzulösen wäre, das nach dem 28. Februar 2020 und vor dem 1. Januar 2021 endet.
Für Sie da
Ansprechpartner zu diesem Thema
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