VERDECKTE GEWINNAUSSCHÜTTUNG BEI BLOß TATSÄCHLICHER NUTZUNGSMÖGLICHKEIT?
Der BFH hat sich jüngst mit der Frage auseinandergesetzt, ob die bloße tatsächliche „Nutzungsmöglichkeit“ einer Immobilie für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung genügt. Dies ist nach Auffassung des BFH nicht der Fall. Für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bedarf es vielmehr einer Überlassung zur privaten Nutzung oder einer tatsächlichen privaten Nutzung.
I. Allgemeines
Bei Leistungsverhältnissen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern besteht das Risiko, dass diesen nicht marktübliche Konditionen zugrunde gelegt werden. Steuerlich werden diese steuerlich nicht fremdüblichen Leistungsbeziehungen teilweise oder vollständige nicht anerkannt; es kommt zu einer sog. verdeckten Gewinnausschüttung.
Die Voraussetzungen einer materiellen verdeckten Gewinnausschüttung sind (R 8.5 Abs. 1 KStR):
1. Verhinderte Vermögensmehrung/Vermögensminderung auf Ebene der Kapitalgesellschaft
2. Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis („Fremdvergleich“)
3. Kein Gewinnverteilungsbeschluss
4. Auswirkungen auf die Höhe des Unterschiedsbetrags nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG
Neben der materiellen verdeckten Gewinnausschüttung kann es im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und beherrschenden Gesellschaftern auch zu einer sog. formellen verdeckten Gewinnausschüttung kommen. Als beherrschender Gesellschafter gilt regelmäßig ein Gesellschafter, der die Mehrheit der Stimmrechte an der Kapitalgesellschaft innehat (H 8.5/III. „Beherrschender Gesellschafter“ KStH). Wenn es bei Verhältnissen zwischen der Kapitalgesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren, eindeutigen und im Voraus abgeschlossenen Vereinbarung fehlt, ist eine formelle verdeckte Gewinnausschüttung gegeben (R 8.5 Abs. 2 KStR).
Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung führt dazu, dass es auf Ebene der Kapitalgesellschaft zu einer außerbilanziellen Zurechnung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), d.h. einem gewinnerhöhenden Vorgang kommt. Wird einem Gesellschafter beispielsweise ein Grundstück unentgeltlich (oder verbilligt) zur Nutzung überlassen, kommt es auf Ebene der Kapitalgesellschaft zu einer außerbilanziellen Zurechnung in Höhe der angemessenen Miete, da die unentgeltliche Überlassung in der Regel einem Fremdvergleich nicht standhält.
Auf der Ebene des Gesellschafters führt die verdeckte Gewinnausschüttung zu Kapitalertrag (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) und ist grundsätzlich mit Kapitalertragsteuer / Abgeltungsteuer zu belasten.
II. Bloß tatsächliche Nutzungsmöglichkeit
Der BFH hatte im Urteil vom 1. Oktober 2024 (VIII R 4/21) darüber zu befinden, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung im Falle einer bloß tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit einer spanischen Immobilie anzunehmen ist.
Im Urteilssachverhalt war eine spanischen Kapitalgesellschaft Miteigentümerin einer Immobilie in Spanien. Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft wohnten bis einschließlich 2007 in dieser Immobilie und verlegten anschließend ihren Wohnsitz nach Deutschland. Seitdem stand die Immobilie leer. Die Gesellschafter nutzten die Immobilie seit dem Wegzug nach Deutschland lediglich vereinzelt für wenige Tage dazu, diese für Besichtigungen betreffend einen anstehenden Verkauf vorzubereiten und deren Zustand zu überwachen. Darüber hinaus fand kein Aufenthalt in der spanischen Immobilie statt.
Fraglich war, ob die theoretische Möglichkeit der Nutzung der Immobilie bereits genügt, um eine verdeckte Gewinnausschüttung zu begründen. Denn die Gesellschafter hätten die Immobilie nutzen können, auch wenn die Kapitalgesellschaft ihnen diese nicht explizit überlassen hat.
Der BFH verneint im vorliegenden Fall eine verdeckte Gewinnausschüttung. Vielmehr ist zur Begründung einer verdeckten Gewinnausschüttung ein tatsächlicher Nutzungsvorteil erforderlich, der nicht in einer bloßen Möglichkeit der Nutzung gesehen werden kann. Andernfalls müssten Kapitalgesellschaften vorsorglich Nutzungsverbote gegenüber ihren Gesellschaftern aussprechen, um eine verdeckte Gewinnausschüttung zu vermeiden. Einem Nutzungsverbot eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegen sich selbst käme allerdings nur ein geringer Beweiswert zu. In letzter Konsequenz müsste ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ein Nutzungsentgelt an die Gesellschaft entrichten, um die verdeckte Gewinnausschüttung abzuwenden, obwohl eine private Nutzung tatsächlich nicht stattfindet.
Ferner grenzt der BFH Tatbestände, bei welchen eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen kann, von der bloßen Nutzungsmöglichkeit ab. Demnach führen
- die Überlassung eines Wirtschaftsguts zur privaten Nutzung sowie
- die tatsächliche private Nutzung
zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Dass eine Nutzungsmöglichkeit als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert, ist mithin nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Wird ein Wirtschaftsgut einem Gesellschafter zu nicht fremdüblichen Konditionen zur privaten Nutzung überlassen, zieht der Gesellschafter einen Vorteil aus der bloßen Nutzungsmöglichkeit hat korrespondierend die Gesellschaft einen „Nachteil“, der z.B. auch darin liegen kann, dass sie keine anderweitigen Mieteinnahmen erzielt. Es kommt mithin auf die konkreten Umstände an, ob eine Nutzungsmöglichkeit als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen ist.
Überlasst die Gesellschaft beispielsweise einem Gesellschafter einen PKW unentgeltlich zur privaten Nutzung, genügt das für eine verdeckte Gewinnausschüttung, unabhängig davon, ob der Gesellschafter den PKW auch tatsächlich nutzt. Dies führt indes nicht dazu, dass der gesamte Fuhrpark einer Gesellschaft, den der Gesellschafter theoretisch nutzen könnte, in die Ermittlung einer verdeckten Gewinnausschüttung einzubeziehen ist.
III. Fazit
Inwiefern die Möglichkeit der Nutzung von Wirtschaftsgütern zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt, hängt von einer Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ab.
Nach Auffassung des BFH führt die bloß tatsächliche private Nutzungsmöglichkeit eines betrieblichen Wirtschaftsguts der Kapitalgesellschaft für sich genommen beim Gesellschafter noch nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, sondern erst dessen (unentgeltliche oder verbilligte) tatsächliche Überlassung der Immobilie auch zur privaten Nutzung oder die tatsächliche private Nutzung ohne Nutzungsvereinbarung bzw. entgegen einem Nutzungsverbot.
Das Urteil des BFH ist aus Sicht des Steuerpflichtigen zu begrüßen, da es eine ausufernde Qualifizierung von Verhältnissen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung verhindert. Allerdings sind die Finanzbehörden gerade bei privaten Nutzungsmöglichkeiten sehr restriktiv und werden konkrete Nachweise verlangen, wie eine solche Immobilie genutzt wurde. Da das Urteil zudem nicht amtlich veröffentlicht (NV-Entscheidung) wurde, wird es wohl nicht generell von der Finanzverwaltung angewendet, ist aber zur „Abwehrberatung“ geeignet.
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