VERHINDERUNG DES DOPPELTEN BETRIEBSAUSGABENABZUGS (§ 4i EStG-NEU)
Die Verhinderung der Nutzung internationaler Steuergestaltungen, bei denen insbesondere divergierende Steuersysteme gegeneinander „ausgespielt“ werden (BEPS-Projekt der OECD/G20), steht im Fokus der derzeitigen und künftigen Steuergesetzgebung: Persönliche Aufwendungen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft dürfen nicht mehr als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden, soweit solche Aufwendungen auch die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat vermindern (§ 4i EStG). Dieses Abzugsverbot ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2017 anzuwenden und als Sofortmaßnahme unabhängig von den OECD-Empfehlungen umgesetzt.
I. Hintergrund
BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting, zu deutsch etwa Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung. Das BEPS-Projekt wurde u.a. von allen Staaten der OECD und der G20 mit dem Ziel initiiert, gegen den schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne vorzugehen. Am 5. Oktober 2015 hat die OECD die Ergebnisse des BEPS-Projekts veröffentlicht. Auf der Grundlage eines Aktionsplans mit 15 Maßnahmen wurden konkrete und umsetzbare Empfehlungen erarbeitet. Im Juli 2016 folgte die Publikation der EU-BEPS-Richtlinie.
Der neue § 4i EStG steht im Zusammenhang mit Aktionspunkt 2 (Neutralising Hybrid Mismatch Arrangements), der Vorschläge zur Vermeidung der Nichtbesteuerung sowie des doppelten Aufwandsabzugs bei grenzüberschreitenden Sachverhalten aufgrund sog. hybrider Gestaltungen enthält. Hybride Gestaltungen zeichnen sich dadurch aus, dass zwei oder mehr Steuersysteme einen Vorgang oder eine rechtliche Einheit unterschiedlich qualifizieren, z.B. eine Gesellschaft als steuerlich „transparent“ oder „intransparent“ oder ein Finanzinstrument als Eigenkapital oder Fremdkapital. Infolgedessen kann es in einem Staat zu einem Betriebsausgabenabzug ohne eine entsprechende korrespondierende Besteuerung im anderen Staat oder auch zu einem „doppelten Betriebsausgabenabzug“ kommen.
II. Konkrete Problemstellung
Bei deutschen Personengesellschaften handelt es sich steuerlich um sog. Mitunternehmerschaften, die seit jeher Probleme im grenzüberschreitenden Kontext hervorrufen. Ursächlich dafür ist die hier erfolgende zweistufige Gewinnermittlung: Auf der ersten Stufe wird zunächst der Gewinn der Mitunternehmerschaft ermittelt und den einzelnen Mitunternehmern entsprechend ihrer Beteiligungshöhe anteilig zugerechnet. Auf der zweiten Stufe werden Aufwendungen und Erträge aus dem Sonderbetriebsvermögen den einzelnen Mitunternehmern zugerechnet. Schwierigkeiten ergeben sich in der Regel deshalb, weil ausländische Steuerregime das Institut des Sonderbetriebsvermögens nicht kennen. Demzufolge werden Aufwendungen und Erträge aus dem Sonderbetriebsvermögen nicht dem Gewinn der Mitunternehmerschaft zugerechnet, sondern außerhalb dieser Sphäre erfasst. Sofern Deutschland diese Aufwendungen und Erträge seinerseits der Personengesellschaft zurechnet, werden sie im Ergebnis steuerlich „doppelt“ berücksichtigt.
Beispielsfall:
Gesellschafter einer gewerblich tätigen offenen Handelsgesellschaft (oHG) mit Sitz in Deutschland ist die ausländische A-Limited, die einer Kapitalgesellschaft nach deutschem Recht entspricht, und Herr B i.H.v. jeweils 50 %. Die A Limited ist in einem DBA-Staat ansässig. Sie hat ihre Einlage in die oHG durch ein Darlehen refinanziert und zahlt dafür jährlich Zinsen i.H.v. EUR 25.000, die sie in ihrem Ansässigkeitsstaat als Betriebsausgaben abziehen kann.
Die A Limited ist in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtig mit ihren inländischen gewerblichen Einkünften aus der oHG-Beteiligung (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Nach dem OECD-Musterabkommen (OECD-MA) darf Deutschland den Gewinn der oHG als Unternehmensgewinn besteuern (Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA). Der ausländische Staat stellt unter Progressionsvorbehalt frei (Art. 23A OECD-MA). Das Refinanzierungsdarlehen ist aus deutscher Sicht passives Sonderbetriebsvermögen II. Die Zinsen waren bisher in Deutschland als Sonderbetriebsausgaben – auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung – abziehbar (§ 4 Abs. 4 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 50d Abs. 10 S. 1 i.V.m. S 3, 2. Hs. EStG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 S. 1, 2. HS i. V. m. S. 2 OECD-MA). § 4i EStG verhindert ab dem Veranlagungszeitraum 2017 diesen Abzug der Zinsen als Sonderbetriebsausgaben.
III. Regelungsinhalt
Nach § 4i Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen eines Mitunternehmers nicht als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden, soweit diese Aufwendungen auch die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern.
Die Regelung des § 4i EStG ist am 1. Januar 2017 in Kraft getreten und ab dem Veranlagungszeitraum 2017 anwendbar und zwar auch dann, wenn der Rechtsgrund für die als Sonderbetriebsausgaben zu qualifizierenden Aufwendungen bereits vor 2017 entstanden ist. Das Abzugsverbot greift im Beispielsfall demnach auch dann, wenn die A Limited das Refinanzierungsdarlehen bereits im Jahr 2016 abgeschlossen hat.
§ 4i Satz 1 EStG knüpft an eine beschränkte oder unbeschränkte Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht an und setzt Einkünfte aus betrieblicher Mitunternehmerschaft i.S.d. §§ 13, 15 oder 18 EStG voraus. Von der Vorschrift erfasst werden zivilrechtliche Personengesellschaften ebenso wie gesellschaftsähnliche Rechtsgemeinschaften (Güter-/Erbengemeinschaft) sowie ausländische Gesellschaften, wenn sie nach dem sog. Rechtstypenvergleich als Personengesellschaft einzuordnen sind. Dem Abzugsverbot unterliegen alle Sonderausgaben eines Gesellschafters unabhängig davon, ob sie im Zusammenhang mit dem Sonderbetriebsvermögen I oder II stehen.
Von § 4i Satz 1 EStG nicht erfasst sind somit Aufwendungen, die bereits auf Gesamthandsebene, mithin auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung, Betriebsausgaben darstellen und solche Aufwendungen, die auch die Steuerbemessungsgrundlage im anderen Staat mindern. Dies setzt somit keine effektive Steuerminderung voraus. § 4i Satz 1 EStG greift weiter unabhängig davon, bei welcher Person und in welcher Rechnungsperiode (Steuerjahr, Wirtschaftsjahr, Kalenderjahr) die Aufwendungen die Steuerbemessungsgrundlage mindern. Im Beispielsfall könnten somit die Finanzierungskosten auch dann nicht in Deutschland als Sonderbetriebsausgaben im Veranlagungszeitraum 2017 abgezogen werden, wenn der Betriebsausgabenabzug im Ansässigkeitsstaat der A Limited erst im Jahr 2018 erfolgen sollte. Das Abzugsverbot für inländische Sonderbetriebsausgaben greift im Übrigen nur, „soweit“ die Aufwendungen die Steuerbemessungsgrundlage im anderen Staat mindern. Werden deshalb im Beispielsfall im Ansässigkeitsstaat der A Limited die Refinanzierungszinsen teilweise vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, bleibt der Restbetrag in Deutschland als Sonderbetriebsausgaben abziehbar.
Das Abzugsverbot gilt nach § 4i Satz 2 EStG nicht, soweit die nach Satz 1 nicht abziehbaren Aufwendungen wiederum Erträge desselben Steuerpflichtigen mindern, die bei ihm sowohl der inländischen Besteuerung unterliegen als auch nachweislich der tatsächlichen Besteuerung in dem anderen Staat. Insofern ausreichend ist, dass die Erträge in die Steuerbemessungsgrundlage eingehen. Eine effektive Steuerbelastung ist auch hier nicht vorausgesetzt. Allerdings greift die Ausnahme des Satzes 2 dann mangels tatsächlicher ausländischer Besteuerung nicht, soweit der andere Staat die Erträge entweder aus rechtlichen (fehlende Steuerbarkeit, sachliche oder persönliche Steuerbefreiung) oder aus sonstigen Gründen (Besteuerungsdefizit) nicht besteuert. Es ist nicht erforderlich, dass die Aufwendungen mit den Erträgen in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen. Allerdings ist – im Gegensatz zu Satz 1 – eine Minderung bei demselben Steuerpflichtigen> erforderlich. Falls die Abzugsbeschränkung nach § 4i Satz 1 EStG eingreift ist im Ergebnis eine Verrechnung mit doppelt erfassten (korrespondierenden) Erträgen möglich. Auch insoweit unterliegt nur der die Erträge übersteigende Betrag an Sonderausgaben dem Abzugsverbot. § 4i EStG gilt im Übrigen auch für die Gewerbesteuer.
IV. Ausblick
Der Gesetzgeber möchte mit der Einführung des § 4i EStG Besteuerungslücken schließen, die sich aus der doppelten Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben im In- und Ausland ergeben. Insofern ist die Einführung von § 4i EStG nachvollziehbar und konsequent. Es ist allerdings zweifelhaft, ob sich der Gesetzgeber insoweit noch in den Grenzen der Vorgaben des BEPS-Projekts bewegt, das nur hybride Gestaltungen betrifft. § 4i EStG dürfte überdies erhebliche praktische Schwierigkeiten nach sich ziehen. In Zukunft ist eine periodenüber-greifende Dokumentation der steuerlichen Behandlung von Aufwendungen und möglichen Erträgen im Ausland über mehrere Veranlagungszeiträume und u.U. für mehrere Steuerpflichtige erforderlich.
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