WARRANTY & INDEMNITY-VERSICHERUNGEN BEI UNTERNEHMENSVERKÄUFEN – ECHTER MEHRWERT ODER ÜBERFLÜSSIGE MODEERSCHEINUNG?
Warranty & Indemnity-Versicherungen (W&I) werden immer häufiger bei Unternehmenskäufen genutzt. Akteure im M&A-Geschäft sollten sich mit der grundsätzlichen Funktionsweise dieses „Tools“ vertraut machen. Dies gilt vor allem deshalb, weil bei vielen Bieterverfahren der Verkäufer eine W&I-Versicherung inzwischen als Bedingung für die Abgabe eines Gebotes verlangt.
I. Was ist eine W&I-Versicherung?
Eine W&I-Versicherung bietet Versicherungsschutz für Gewährleistungsansprüche wegen Verletzung von Garantien oder Freistellungsansprüche aus einem Unternehmenskaufvertrag. Versicherungsnehmer kann entweder der Verkäufer oder der Käufer sein. In der Praxis ist überwiegend der Käufer Versicherungsnehmer (Käufer-W&I-Versicherung).
1. Verkäufer-W&I-Versicherung (sell-side police)
Bei einer Verkäufer-W&I-Versicherung macht der Käufer seine Ansprüche aus dem Unternehmenskaufvertrag gegen den Verkäufer „normal“ geltend. Der Verkäufer bleibt gegenüber dem Käufer direkt verantwortlich. Der Verkäufer kann sodann im Rahmen der Deckung bei seiner W&I-Versicherung Rückgriff nehmen. Der Versicherungsvertrag sieht in der Regel zugleich vor, dass die Versicherung die Verteidigung und einen etwaigen Vergleich der vom Käufer geltend gemachten Ansprüche übernimmt.
2. Käufer-W&I-Versicherung (buy-side police)
Bei einer Käufer-W&I-Versicherung macht der Käufer seine Ansprüche bis zum vereinbarten Haftungshöchstbetrag („Cap“) gegen den Verkäufer und über diesem Cap unmittelbar gegen die Versicherung geltend. Der Verkäufer wird bei der Schadensabwicklung mit der Versicherung wenig bis gar nicht einbezogen. Ein Rückgriff des Versicherers auf den Verkäufer besteht nur insoweit, als der Schaden auf Betrug oder Arglist des Verkäufers beruht.
II. Welcher Versicherungsschutz kann erlangt werden?
In der Praxis sind zuletzt Deckungssummen in der Bandbreite von 10 % – 50 % des Unternehmenswertes (Enterprise Value) zu beobachten („Limit of Liability“). Der Versicherungsschutz setzt dabei erst bei Erreichen einer Selbstbehalt-Schwelle, des sog. Attachment Point ein. Dieser liegt häufig zwischen 0,5 % – 1,0 % des Enterprise Value. Hierbei handelt es sich um einen einmaligen Gesamtselbstbehalt, der für alle unter der Police insgesamt geltend gemachten Ansprüche gilt – und nicht etwa für jeden einzelnen Anspruch.
Wünscht der Verkäufer einen „Clean Exit“, ist der Attachment Point häufig identisch mit dem im Unternehmenskaufvertrag vereinbarten Haftungshöchstbetrag (Cap) des Verkäufers, der zugleich dem im Unternehmenskauvertrag geregelten Freibetrag entspricht. Angeboten werden von Versicherern zudem auch Konstruktionen, die einer Mischung aus Freibehalt und Freigrenze entsprechen: Bei einem Angebot „1 % of Enterprise Value tipping to 0,25 % of Enterprise Value“ müssen die geltend gemachten Beträge insgesamt zunächst die 1 %-Schwelle überschreiten – ersetzt werden jedoch sodann alle Beträge über 0,25 % des Enterprise Value.
Wie im Unternehmenskaufvertrag selbst, gibt es auch gegenüber der Versicherung De-minimis-Schwellen. Diese liegen in der Regel zwischen 0,05 % – 0,1 % des Enterprise Value und haben nach regelmäßiger Vorgabe der Versicherung den im Rahmen der Due Diligence angewendeten Aufgriffsschwellen zu entsprechen.
Zu beachten ist, dass viele Versicherer zahlreiche Risiken vom Versicherungsschutz ausnehmen. Hierzu zählen in der Regel insbesondere:
- Bekannte Umstände oder Risiken, die vom Käufer im Rahmen der Due Diligence aufgedeckt werden oder anderweitig durch den Verkäufer offengelegt werden;
- Im Rahmen der Due Diligence gänzlich nicht geprüfte Bereiche;
- Zukunftsbezogene Garantien;
- Bestimmte Steuersachverhalte wie z.B. Verrechnungspreise und subsidiäre Steuerhaftung;
- Bestimmte Bereiche von Umweltgarantien (z.B. Asbest);
- Bestimmte Produkthaftung und Rückruf-Garantien;
- Garantien mit Bezügen zu Anti-Korruptions-Gesetzen;
- Strafrechtliche Strafzahlungen oder Geldbußen, gegen welche eine Versicherung gesetzlich nicht zulässig ist.
Generell gilt, dass einzelne Garantiebereiche nur dann von der Versicherung abgedeckt werden, wenn insoweit eine aus Sicht der Versicherung hinreichende Due Diligence stattgefunden hat. Hierzu sind sämtliche DD-Berichte an die Versicherung zu übermitteln. Im Rahmen eines Underwriting-Calls, der zumeist durch vorab schriftlich übermittelte Fragen vorbereitet wird, werden offene Punkte und (vermeintliche) Schwachstellen oder Lücken der Due Diligence diskutiert und soweit wie möglich aufgeklärt.
Sofern Garantien auch als zum Closing abgegeben gelten, fordern die meisten Versicherer einen Bring-Down-Mechanismus.
Hinsichtlich des Schadensbegriffes orientiert sich die Versicherung am Unternehmenskaufvertrag. Folgeschäden und entgangener Gewinn sind jedoch manchmal nur gegen zusätzliche Prämie versicherbar.
Hinsichtlich des Kenntnisbegriffs erfolgt ebenfalls eine Orientierung an der Definition im Unternehmenskaufvertrag. Gleichwohl beschränken einige Versicherungen den Kenntnisbegriff im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung auf positive Kenntnis.
III. Welche Auswirkung hat die W&I-Versicherung auf Due Diligence und SPA?
Eine W&I-Versicherung ist kein Ersatz für eine sorgfältige und umfassende Due Diligence. Ganz im Gegenteil: Versicherer erwarten eine tiefgehende Due Diligence und bieten Versicherungsschutz nur in solchen Bereichen, welche von der Due Diligence hinreichend abgedeckt wurden.
Schließlich ist eine W&I-Versicherung auch keine „Freikarte“ für die SPA-Verhandlungen. Es mag zunächst der Eindruck nahe liegen, der Verkäufer könnte bei einem „Clean-Exit“-Konzept besonders lax bei den Zugeständnissen im Bereich der Garantien sein. Die Versicherer legen jedoch größten Wert darauf, dass der Unternehmenskaufvertrag derart ernsthaft und einem Drittvergleich entsprechend verhandelt wird, als bestünde keine W&I-Versicherung für den betroffenen Unternehmensverkauf.
Es empfiehlt sich, die im Rahmen der SPA-Verhandlungen gefertigten Markups stets mit der in diesem Stadium bereits einbezogenen Versicherung abzustimmen, um fortlaufend die Versicherbarkeit ggf. erweiterter Garantien und Freistellungen sicher zu stellen. Ob und inwieweit Versicherungsschutz (für die ggf. erweiterten Garantien und Freistellungen) gewährt werden kann, wird in der Regel im Rahmen eines sog. Warranty Spreadsheet dargestellt. Scheitert eine Versicherungsdeckung (vorläufig) an einer vermeintlich bislang zu wenig tiefgehenden Due Diligence, so bieten nahezu alle Versicherungen die Möglichkeit, insoweit „nachzubessern“, sofern der Versicherungsnehmer Wert auf eine entsprechende Deckung legt.
Es ist dringend zu empfehlen, den fortlaufend aktualisierten Deckungsumfang der Versicherung mit dem Unternehmenskaufvertrag abzugleichen, um ungewünschte Deckungslücken zu vermeiden.
IV. Wie lange läuft die Police?
Die Laufzeit der Police hängt jeweils von der Art der betroffenen Garantie bzw. Freistellung ab. Typische Laufzeiten betragen für „Fundamental Guarantees“ (insb. Legal Title) 7-10 Jahre, für reguläre Garantien 2-3 Jahre, für Steuergarantien 2-3 Jahre und für Steuerfreistellungen ca. 7 Jahre. Eine Verlängerung der jeweiligen Fristen ist bei nahezu allen Versicherern gegen eine Erhöhung der Prämie möglich. Zum Teil gelingt es jedoch, eine Laufzeitverlängerung auch ohne zusätzliche Prämie durchzusetzen.
V. Wie teuer ist eine W&I-Versicherung?
Die Höhe der Prämie hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Höhe des Selbstbehalts und der Laufzeit der Police, und beträgt in der Regel zwischen 0,8 – 1,5 % der Versicherungssumme („Rate on Line“). Hinzu kommt die auf die Prämie zu entrichtende Versicherungssteuer von in Deutschland derzeit 19 %. Bei der zu zahlenden Prämie handelt es sich um einen Einmalbetrag. Schließlich gilt es zu beachten, dass viele Versicherer eine Mindestprämie vorsehen, welche in vielen Fällen bei ca. EUR 50.000 – EUR 100.000 liegt. Folglich lohnt sich eine W&I-Versicherung vor diesem Hintergrund insbesondere bei entsprechend hohem Enterprise Value.
Viele Versicherer verlangen darüber hinaus sog. Legal Fees, welche die Bearbeitungskosten des Versicherers rund um die Prüfung der DD-Berichte etc. abdecken sollen. Diese liegen in der Regel zwischen EUR 20.000 und EUR 30.000. Mitunter lässt sich erreichen, die Legal Fees im Falle des Abschlusses einer Police bei der betroffenen Versicherung auf die zu entrichtende Prämie anzurechnen, so dass insoweit für den Mandanten keine wirtschaftliche Mehrbelastung ausgelöst wird.
Die Prämie zahlt stets der Versicherungsnehmer, d.h. bei einer Verkäufer-W&I-Versicherung der Verkäufer und bei einer Käufer-W&I-Versicherung der Käufer. Da die Versicherungslösung jedoch bei objektiver Betrachtung primär im Interesse des Verkäufers liegt, wird der Käufer versuchen, wirtschaftlich die Prämie vom Kaufpreis abzuziehen.
VI. Welche Rolle spielt ein Broker?
Häufig treten Käufer oder Verkäufer nicht direkt an die Versicherungen heran, sondern über einen zwischengeschalteten Broker. Dieser kann helfen, eine erste Sondierung der verschiedenen Versicherungsangebote vorzunehmen und in einem „Non-Binding Indications Report“ zusammenzustellen. Wünscht der Verkäufer einen „Clean-Exit“, ist es häufig der Verkäufer, der bereits im Rahmen der Vorbereitung des Verkaufsprozesses den Broker beauftragt, indikative Angebote auf der Grundlage des von der Verkäuferseite erstellten SPA-Entwurfs einzuholen und dem Käufer im Rahmen des Datenraums zur Verfügung zu stellen. Die weitere Kommunikation und Verhandlung mit den Versicherern übernimmt sodann der Käufer (wiederum über den Broker), sog. Flipping.
VII. Welche Vorteile bietet eine W&I-Versicherung?
W&I-Versicherungen können verschiedene Vorteile für Käufer und Verkäufer bringen:
- „Bridging the Gap“: In vielen Situationen ist der Verkäufer zwar bereit, Garantien abzugeben, verlangt aber einen aus Sicht des Käufers deutlich zu niedrigen Cap. Mit einer W&I-Versicherung besteht die Möglichkeit, den insgesamt für den Käufer maßgeblichen Cap zu erhöhen, indem die Versicherung greift, sobald der Cap gegenüber dem Verkäufer erreicht ist (bis zu einem mit dem Versicherer vereinbarten Cap);
- „Clean Exit“ für den Verkäufer: Häufig ist der Verkäufer gar nicht bereit oder nicht in der Lage, im Unternehmenskaufvertrag Garantien abzugeben, z.B. weil der Veräußerungserlös unmittelbar an Investoren ausgekehrt werden soll. W&I-Versicherungen können für den Verkäufer einen „Clean Exit“ ermöglichen und dem Käufer gleichzeitig eine Absicherung mittels Garantien und Freistellungen bieten. Hierzu wird der Cap gegenüber dem Verkäufer auf EUR 1,00 festgesetzt oder der Cap gegenüber dem Verkäufer entspricht dem gleichzeitig vereinbarten Freibetrag;
- Zahlungskräftiger Anspruchsgegner: Ob der Anspruchsgegner im Falle einer Garantieverletzung oder eines Freistellungsanspruchs auch tatsächlich die geltend gemachten Beträge bezahlen kann, kann für den Käufer mitunter unsicher sein. Dies gilt insbesondere in Konstellationen, in denen es sich beim Verkäufer um ein „Special Purpose Vehicle (SPV)“ oder einen Verkäufer in finanziellen Schwierigkeiten handelt. Bei am Markt etablierten Versicherungen kann der Käufer hingegen in der Regel von entsprechender finanzieller Solvenz und Zahlungsfähigkeit ausgehen. Folglich entfällt dem Grunde nach auch das Bedürfnis des Käufers nach einer Absicherung von Haftungsansprüchen gegen den Verkäufer (z.B. in Form eines Escrow);
- Bei Bieterverfahren kann das Angebot eines Käufers, das Instrument einer W&I-Versicherung einzusetzen und die Haftung des Verkäufers faktisch auf Null zu reduzieren, ein strategischer Vorteil sein, um sich von weiteren Bietern bei sonst gleichen Konditionen positiv abzuheben.
VIII. Welche Nachteile bringt eine W&I-Versicherung mit sich?
Als Nachteile einer W&I-Versicherung sind insbesondere zu nennen:
- Anders als bei einer rein bilateralen Verhandlung mit dem Verkäufer, muss sich der Käufer sowohl mit dem Verkäufer als auch mit der Versicherung auseinandersetzen, was einen zusätzlichen Aufwand bedeutet.
- Aufgrund der „Standard Policy Exclusions“ werden von der Versicherung häufig zahlreiche Garantiebereiche nicht abgedeckt. Sofern der Verkäufer einen „Clean Exit“ durchsetzen kann (Freibetrag = Cap), hat der Käufer insoweit keine Absicherung, da sämtliche Ausnahmen in der Versicherungsdeckung voll auf den (nicht mehr bestehenden) Garantieschutz des Käufers durchschlagen;
- Wenngleich sich die Prämien aufgrund des Preisdrucks im Markt der W&I-Versicherungen aufgrund zunehmender Anbieter zuletzt deutlich reduziert haben, ist eine W&I-Versicherung kein Schnäppchen: Unter 1 % der Versicherungssumme („Rate on Line“) sind eher die Ausnahme. Aufgrund der Forderung nach einer Mindestprämie lohnt sich das Produkt W&I nur bei Unternehmensverkäufen ab einer bestimmten Größenordnung;
- Aufgrund der Einbeziehung des Versicherers in den zwischen Verkäufer und Käufer zu verhandelnden Unternehmenskaufvertrages kann sich der Prozess zeitlich etwas verzögern. Allerdings sind die Versicherer inzwischen sehr professionell aufgestellt und reagieren (insbesondere bei entsprechender Prozessplanung) sehr zeitnah.
IX. Fazit
Der Trend zu W&I-Versicherungen ist offenkundig. Es ist vor diesem Hintergrund für Akteure größerer Unternehmensverkäufe im M&A-Geschäft unverzichtbar, sich mit der grundsätzlichen Funktionsweise dieses „Tools“ vertraut zu machen. Jedoch nur Verkäufer und Käufer, die einen sachkundigen Berater an ihrer Seite wissen, der die Details und Feinheiten der W&I-Versicherungen beherrscht, werden auch hinreichend von diesem Instrument profitieren.
Für Sie da
Ansprechpartner zu diesem Thema
Sven Fritsche
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater
Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Managementbeteiligung, Venture Capital, Transaktionen (M&A)
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |
Dr. Thomas Grädler, LL.M. (Birmingham)
honert münchen
Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
Allgemeines Wirtschaftsrecht, Internationales Steuerrecht, Steuerrecht, Nachfolge, Transaktionen (M&A), Gesellschaftsrecht
Telefon | +49 (89) 388 381 0 |
[email protected] |