WIEDEREINFÜHRUNG DER STEUERFREIHEIT VON SANIERUNGSGEWINNEN
Mit Gesetz vom 27. Juni 2017 wurde die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen (wieder) angeordnet. Die Neuregelungen treten aber erst in Kraft, wenn die EU-Kommission die gesetzliche Neuregelung beihilferechtlich absegnet. Das neue Gesetz soll rückwirkend für alle Schuldenerlasse/Sanierungsgewinne ab dem 8. Februar 2017 gelten; für Fälle davor gilt laut Finanzverwaltung aus Vertrauensschutzgründen die alte Rechtslage.
I. Problematik
Verzichtet ein Gläubiger zum Zwecke der Sanierung eines Schuldners auf eine gegen diesen bestehende Forderung, entsteht bilanziell ein Gewinn beim Schuldner durch Ausbuchung dieser Verbindlichkeit, ohne dass im Gegenzug dem Schuldner Liquidität zufließt (sog. Sanierungsgewinn).
Auf Grundlage des sog. Sanierungserlasses (BMF-Schreiben) wurden unter bestimmten Voraussetzungen aus Billigkeitsgründen Sanierungsgewinne steuerfrei gestellt. Nach der am 7. Februar 2017 veröffentlichten Entscheidung des Großen Senats des BFH, verstößt diese seit 2003 verfolgte Praxis gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung: Die bloße Verwaltungsregelung bildet keine hinreichende Rechtsgrundlage für den Erlass von Einkommens- und Körperschaftssteuern aus sachlichen Billigkeitsgründen, die auf einem Sanierungsgewinn beruhen.
Auch vor dem Hintergrund, dass besonders seit der Fortentwicklung des Insolvenz- und Sanierungsrechts die Möglichkeiten der Unternehmenssanierung verbessert wurden, verlangte die Praxis eine sofortige und nachhaltige Lösung, da die Steuerbelastung regelmäßig den Sanierungszweck des (Gläubiger-)Verzichts unterlaufen würde.
Diese Problematik erkennend hat der nationale Gesetzgeber sich vorbehaltlich der beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission dazu entschlossen, derartige Sanierungsgewinne kraft Gesetzes steuerfrei zu stellen.
II. Die wechselhafte Geschichte der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen
Nachdem über 30 Jahre die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen bestand (§ 3 Nr. 66 EStG), wurde diese Regelung durch das Gesetz zur Förderung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 aufgehoben. Als Reaktion hierauf erlies die Finanzverwaltung den sog. Sanierungserlass zur ertragssteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen, insbesondere zur Steuerstundung und zum Steuerlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nach §§ 163, 222, 227 AO (BMF-Schreiben v. 27.03.2008 – IV A 6-S 2140-8/03). Unter bestimmten Voraussetzungen konnten danach aus Billigkeitsgründen Sanierungsgewinne steuerfrei gestellt werden.
Mit Beschluss vom 28.11.2016 – GrS 1/15 erklärte der Bundesfinanzhof u.a. wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Finanzverwaltungspraxis für rechtswidrig. Nach Auffassung des BFH kam insbesondere in der Aufhebung der gesetzlichen Regelung zur Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne im Jahr 1997 der Wille des Gesetzgebers hinreichend zum Ausdruck, dass Sanierungsgewinne künftig steuerlich nicht zu privilegieren seien. Die Finanzverwaltung dürfe sich hierüber nicht – wie durch (pauschale) Anwendung des Sanierungserlasses praktiziert – hinwegsetzen.
III. Reaktion der Finanzverwaltung auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs
Das Bundesministerium der Finanzen hat auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit Schreiben vom 27. April 2017 reagiert. Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist danach in Fällen, in denen der Forderungsverzicht der Gläubiger bis zum 8. Februar 2017 endgültig vollzogen wurde (d.h. bis zu dem Tag, an dem die Entscheidung des BFH veröffentlicht wurde), der Sanierungserlass im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder weiterhin uneingeschränkt anzuwenden. Ist der Forderungsverzicht Gegenstand eines Insolvenzplanes, gilt er mit der Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts über die Bestätigung des Insolvenzplanes als endgültig vollzogen.
IV. Neue gesetzliche Grundlage
1. Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen
Wegen der durch die Entscheidung des BFH eingetretenen Rechtsunsicherheit und das Risiko einer Zerschlagung einer Vielzahl sanierungsfähiger Unternehmen in Folge der ansonsten zu erwartenden Steuer auf den Sanierungsgewinn, hat der Gesetzgeber schnell reagiert und in dem „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 2074) mit § 3a EStG, § 8 Satz 6 KStG und § 7b GewStG die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen geregelt.
Das Gesetz sieht im Wesentlichen vor, dass Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke der unternehmensbezogenen Sanierung steuerfrei sind (sog. Sanierungsertrag). Die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns erfordert, dass der Steuerpflichtige die
– Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens
– Sanierungsfähigkeit des Unternehmens
– Sanierungseignung des Schuldenerlasses
– Betriebliche Begründetheit des Schuldenerlasses
– Sanierungsabsicht der Gläubiger
für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses nachweist.
Mit Ausnahme der Voraussetzung der betrieblichen Begründetheit, sind diese Voraussetzungen aus dem Sanierungserlass übernommen worden. Insoweit wird auf die hierzu ergangen Rechtsprechung auch in Zukunft zurückgegriffen werden können.
Auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung sind in folgenden Sanierungsfällen steuerfrei die Erträge aus
– einer Restschuldbefreiung nach §§ 286ff. InsO,
– auf Grund eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans zur Vermeidung einer Verbraucherinsolvenz nach §§ 304ff. InsO,
– auf Grund eines Schuldenbereinigungsplans, dem in einem Verbraucherinsolvenzverfahren zugestimmt wurde (soweit Betriebsvermögens¬mehrungen oder Betriebseinnahmen vorliegen).
Steuerliche Wahlrechte sind im Sanierungsjahr und im Folgejahr gewinnmindernd auszuüben.
Weiter können Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben sowie Veräußerungskosten, die mit einem steuerfreien Sanierungsgewinn in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 3c Abs. 4 EStG), nicht abgezogen werden und mindern den Sanierungsertrag.
Mit dem Erlass vergleichbarer Vorschriften im Körperschaft- und Gewerbesteuerrecht soll zudem ein Gleichlauf in der Finanzverwaltungspraxis hinsichtlich der einzelnen Steuerarten erreicht werden.
2. Wegfall von „Verlustvorträgen“
Die Steuerbefreiung wird zudem durch die vorrangige Verlustverrechnung auf das erforderliche Mindestmaß begrenzt. Nach der Gesetzesbegründung hätte eine bloße Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns wie die Vorgängerregelung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. eine sachlich nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung zur Folge. Der Sanierungsgewinn würde dann nicht mit negativen Einkünften ausgeglichen und insbesondere nicht um einen etwaigen festgestellten Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG gemindert, welcher im Übrigen dann weiter zeitlich unbefristet vorgetragen werden könnte. In § 3a Abs. 3 EStG ist daher geregelt, dass bis zur Höhe des um die nicht abziehbaren Sanierungskosten i.S.d. § 3c Abs. 4 EStG geminderten Sanierungsertrags bestehende Verlustverrechnungspotentiale aus den Vorjahren, dem Sanierungsjahr und dem dem Sanierungsjahr folgenden Jahr verbraucht werden. Es gilt hierbei die in § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 13 EStG geregelte Reihenfolge des Verlustverbrauchs mit der Folge, dass die aufgeführten Verlustverrechnungspotentiale insoweit untergehen, als die Verlustverrechnung greift.
Entgegen des ursprünglichen Gesetzesentwurfs wurde das pauschale Entfallen von festgestellten Verlustvorträgen durch Inanspruchnahme der Steuerbefreiung gestrichen. Beschlossen wurde nunmehr lediglich eine nicht ganz eindeutige Regelung, wonach die nach den Sätzen 2 und 3 des § 3a Abs. 3 EStG mindernden Beträge endgültig außer Ansatz bleiben und an den entsprechenden Feststellungen der verrechenbaren Verluste, verbleibenden Verlustvorträge und sonstigen Feststellungen nicht mehr teilnehmen (§ 3a Abs. 3 Satz 5 EStG). Vor dem Hintergrund der Historie der verschiedenen Gesetzesentwürfe, insbesondere dem nunmehrigen Absehen von einer Regelung, wonach die festgestellten Verlustvorträge bei Inanspruchnahme der Steuerbefreiung pauschal entfallen, dem Wortlaut des § 3a Abs. 3 Satz 5 EStG („Die nach den Sätzen 2 und 3 mindernden Beträge…“) und der Systematik des § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 13 EStG nach, wonach die Verlustverrechnung (nur) in der dort vorgegebenen Reihenfolge vorzunehmen ist, kann geschlossen werden kann, dass ein genereller Ausschluss des Verlustabzugs bei Geltendmachung der Steuerfreiheit nicht mehr eingreift, ein Verlustverfall jedoch insoweit eingreift, als eine Verlustverrechnung im Rahmen des „Wasserfalls“ des § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 13 EStG erfolgt ist. Insoweit wird auch die Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG) ausgesetzt, d.h. das bestehende Verlustpotential wird, soweit ein Sanierungsertrag besteht, (ggf. vollständig) aufgebraucht.
V. Bewertung der gesetzlichen Neuregelungen und Ausblick
Die Neuregelungen schaffen ab der Anerkennung durch die EU-Kommission Rechtssicherheit und sind insbesondere mit Blick auf den beabsichtigten Gleichlauf der Behandlung der unternehmensbezogenen Sanierungsgewinne im Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuerrecht zu begrüßen. Während die Gewährung der Steuerfreiheit durch die für die Erhebung der Gewerbesteuer zuständigen Gemeinden bisher stets von einer (erneuten) Einzelfallprüfung und Ermessensentscheidung abhängig war und diese zum Teil durchaus auch anders entschieden haben als die Finanzbehörden, bemisst sich deren Entscheidung nun auch am neuen § 7b GewStG und ist bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend. Auch hierdurch wird ein wesentlicher Beitrag zu mehr Rechtssicherheit geleistet.
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