GRUNDSÄTZE DES FEHLERHAFTEN ARBEITSVERHÄLTNISSES AUF DEN ANSTELLUNGSVERTRAG DES GMBH-GESCHÄFTSFÜHRERS ANWENDBAR
Bereits die letzte Newsletter-Ausgabe 2019 | Q3 hatte zwei höchstrichterliche Entscheidungen zur Anstellung des Fremdgeschäftsführers einer GmbH zum Gegenstand. Dieser Beitrag ergänzt den Themenkomplex, denn mit Urteil vom 20. August 2019 – II ZR 121/16 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn der Anstellungsvertrag mit einem GmbH Geschäftsführer nicht wirksam zustande gekommen ist.
I. Einführung und Hintergründe
In den beiden Entscheidungen, die in der letzten Newsletter Ausgabe 2019 | Q3 vorgestellt wurden, ging es in erster Linie um die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft des Fremdgeschäftsführers einer GmbH. Regelmäßig wird der Geschäftsführer nach den Regeln des nationalen Rechts nicht als Arbeitnehmer eingeordnet, sondern es wird Dienstvertragsrecht auf sein Anstellungsverhältnis angewendet.
Ohne auf diese Unterscheidung detailliert einzugehen benutzt der BGH den Oberbegriff des „Anstellungsvertrages“. Der Anstellungsvertrag war nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäß zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer zustande gekommen, sodass über die Rechtsfolgen einer solchen Situation zu entscheiden war.
II. Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses
Im Anschluss an seine frühere Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft und zur Kommanditgesellschaft hat der BGH nun auch für die Anstellung des Geschäftsführers bei der GmbH angenommen, dass die Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses sinngemäß anzuwenden sind. Diese von der Rechtsprechung zum Arbeitsvertrag entwickelten Grundsätze besagen, dass für die Dauer der Tätigkeit des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis so zu behandeln ist, als wäre der Vertrag wirksam zustande gekommen, während es für die Zukunft ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit aufgelöst werden kann.
Fiktion der Wirksamkeit für die Vergangenheit
Sämtliche Rechte und Pflichten werden für den Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis durchgeführt wurde, als bestehend angesehen. Das heißt insbesondere, dass der Arbeitnehmer die an ihn geleistete Vergütung behalten darf und nicht an den Arbeitgeber zurückzahlen muss. Die Rechtsprechung berücksichtigt dabei, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine erbrachte Arbeitsleistung in den meisten Fällen nicht zurückgewähren kann. Diese Grundsätze überträgt der BGH nun sinngemäß auf den Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, sodass bereits ausgetauschte Leistungen nicht rückabgewickelt werden, wenn (1) der Geschäftsführer seine Tätigkeit aufgrund des unwirksamen Anstellungsvertrages bereits aufgenommen hat und (2) der Vertragsabschluss mit Wissen des für den Vertragsabschluss zuständigen Organs der Gesellschaft oder zumindest eines Mitglieds dieses Organs erfolgt ist.
Recht zur jederzeitigen Auflösung für die Zukunft
Ferner führt die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses dazu, dass das Anstellungsverhältnis für die Zukunft ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit aufgelöst werden kann. Nur ausnahmsweise soll dieses Recht nicht bestehen, wenn Treu und Glauben verlangen, auch künftig am Arbeitsvertrag festzuhalten. Die Anforderungen an ein solches Fortbestehen des Arbeitsvertrages sind nach der Rechtsprechung des BGH jedoch sehr hoch, weil die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis schon einen Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien bewirke. Im vorliegenden Fall hat der BGH auch diesen Aspekt der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses auf den GmbH-Geschäftsführer übertragen.
Der BGH prüfte ein solches ausnahmsweises Fortbestehen des Anstellungsvertrages und lehnte es im Ergebnis ab. Dies trotz des Umstandes, dass vor Abschluss des unwirksamen Vertrags bereits ein (wirksamer) Anstellungsvertrag zwischen den Parteien bestanden hatte (der zwischenzeitlich beendet wurde) und der Geschäftsführer zudem als Geschäftsführer bei weiteren Gesellschaften innerhalb der Unternehmensgruppe angestellt war. Auch der Umstand, dass der Geschäftsführer sich darauf einstellte, bis zur Rente in der Position tätig zu sein, war laut BGH unerheblich. Entgegen der Ansicht des Geschäftsführers entfaltete die in dem unwirksamen Vertrag enthaltene Befristung, die zugleich eine vereinbarte Mindestlaufzeit darstellte, ebenso wenig einen erhöhten Vertrauensschutz. Für den BGH war vielmehr ausschlaggebend, dass nur kurze Zeit nach Abschluss des unwirksamen Vertrages dessen Unwirksamkeit zwischen den Parteien debattiert wurde. Ein besonderes Vertrauen in die Wirksamkeit des Vertrages konnte sich nach Auffassung des BGH daher nicht bilden.
III. Ursachen für die Unwirksamkeit eines Anstellungsvertrages
Es sind vielfältige Ursachen für die Unwirksamkeit eines Anstellungsvertrages zwischen GmbH und Geschäftsführer denkbar, weswegen bei Gestaltung und Abschluss auf beiden Seiten große Sorgfalt anzuwenden ist.
In dem vom BGH entschiedenen Fall lag die Ursache im Vertragsschluss. So hatte der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Anstellungsvertrag mit dem Geschäftsführer geschlossen, ohne weitere Organe bzw. Organmitglieder zu beteiligen. Ausweislich der Satzung war jedoch der Aufsichtsrat als Gremium für den Abschluss von Dienstverträgen mit Geschäftsführern zuständig. Die Übertragung der Kompetenz von der Gesellschafterversammlung auf den Aufsichtsrat erachtete der BGH als unproblematisch. Jedoch war das alleinige Handeln des Aufsichtsratsvorsitzenden von keiner Vollmacht gedeckt. Innerhalb des Aufsichtsrats fand zuvor keine Entscheidung in Form einer Beschlussfassung hinsichtlich des Abschlusses des Anstellungsvertrages statt, sodass es bereits an der erforderlichen internen Willensbildung des Organs Aufsichtsrat fehlte.
Allerdings war der Aufsichtsratsvorsitzende gleichzeitig auch für die einzige Gesellschafterin der Gesellschaft vertretungsberechtigt. Daher hat der BGH kurz geprüft, ob der Aufsichtsratsvorsitzende einen Gesellschafterbeschluss gefasst hat, durch den er zum einen die Kompetenz für den Abschluss des Anstellungsvertrages auf die Gesellschafterversammlung zurückübertragen und zum anderen über den Vertragsabschluss mit dem Geschäftsführer entschieden hat (sogenannte punktuelle Satzungsdurchbrechung). Diese Möglichkeit schied der BGH jedoch schon deswegen aus, weil der Aufsichtsratsvorsitzende/Gesellschaftervertreter nicht zum Ausdruck gebracht hatte, dass er als oberstes Gesellschaftsorgan verbindlich entscheidet.
Die Vertretung der Gesellschaft durch eine hierzu nicht berechtigte Person (wie im hier besprochenen Fall) kann ebenso zur Nichtigkeit des Anstellungsvertrages führen wie Verstöße gegen ein gesetzliches Verbot oder die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Dasselbe gilt, wenn infolge einer Anfechtung, z.B. aufgrund von arglistiger Täuschung durch den Geschäftsführer, der Anstellungsvertrag beendet wurde.
IV. Fazit
Der Fall zeigt, dass neben der inhaltlichen Gestaltung auch beim Abschluss des Anstellungsvertrags mit dem Geschäftsführer größte Sorgfalt geboten ist, um die nun vom BGH auch auf die GmbH übertragenen Rechtsfolgen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Dies gilt insbesondere wegen des Umstands, dass ein unwirksamer Anstellungsvertrag mit sofortiger Wirkung für die Zukunft beendet werden kann. Die Unwirksamkeit des Anstellungsvertrages kann zwar in manchen Fällen der Gesellschaft in die Karten spielen. Ebenso kann aber das Gegenteil der Fall sein und die Gesellschaft ein großes Interesses an der Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers für die vereinbarte Laufzeit des Anstellungsvertrages haben. Auch können sich Haftungsgefahren für die jeweils beim Abschluss eines unwirksamen Vertrages handelnden Personen ergeben. Die identischen Überlegungen gelten aus Sicht des Geschäftsführers.
Rechtssicherheit auf Basis wirksam abgeschlossener Geschäftsführer-Anstellungsverträge ist daher oberstes Gebot und eine Überprüfung sowie ggf. „Reparatur“ der bestehenden Anstellungsverträge vor diesem Hintergrund empfehlenswert.
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