ELEKTRONISCHE UNTERZEICHNUNGEN UND AUSFERTIGUNGEN IM RECHTSVERKEHR
Die Praxis nutzt immer häufiger digitale Lösungen zur Unterzeichnung von Verträgen und sonstigen verbindlichen Erklärungen. Die bisherige Handhabung, die Erklärung auszudrucken, zu unterzeichnen, einzuscannen und dann zu versenden, hat sich als zu aufwändig erwiesen. Elektronisch erstellte Dokumente und Signaturen können den Unterzeichnungsprozess vereinfachen. Allerdings zeigt sich die öffentliche Verwaltung bisher zurückhaltend gegenüber neuen digitalen Lösungen. Der Beitrag soll anlässlich eines aktuellen Urteils des Kammergerichts zum Nachweiserfordernis von im Handelsregister einzutragenden, auf einem grds. formlosen Gesellschafterbeschluss beruhenden Änderungen, die Möglichkeiten zur digitalen Gestaltung der Unterzeichnung von Verträgen und Erklärungen aufzeigen.
Gesetzliche Rahmenbedingungen betreffend Formerfordernisse
Die rechtliche Wirksamkeit von Erklärungen und Verträgen setzt häufig voraus, dass bestimmte Formvorschriften eingehalten werden. Die höchste Anforderung an die Form stellt die notarielle Beurkundung dar, gefolgt von der notariellen Beglaubigung, dem gesetzlichen Schriftformerfordernis, dem vertraglichen Schriftformerfordernis und der sog. Textform.
Einer notariellen Beurkundung bedarf beispielsweise der Grundstückskaufvertrag (§ 311b Abs. 1 BGB) und die Gründung einer GmbH (§ 2 Abs. 1 GmbHG); Registeranmeldungen (z.B. Grundbuch und Handelsregister) sind notariell zu beglaubigen. Während bei der notariellen Beglaubigung nur die Echtheit der Unterschrift bestätigt wird, bezeugt der Notar bei der Beurkundung auch den Erklärungs-/Vertragsinhalt. Bei der gesetzlichen Schriftform muss die Urkunde nach § 126 Satz 1 BGB von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein, während bei der vertraglich vereinbarten Schriftform regelmäßig auch die telekommunikative Übermittlung, z.B. per Telefax oder E-Mail (mit PDF-Anlage), des unterzeichneten Dokuments genügt.
Die Schriftform kann grds. durch die „elektronische Form“ ersetzt werden (§ 126 Abs. 3 BGB). Die elektronische Form setzt allerdings eine sog. qualifizierte elektronische Signatur voraus, die mit hohen (technischen) Anforderungen versehen ist. So wird durch verschiedene technische Maßnahmen sichergestellt, dass, vergleichbar zur Schriftform, bei einer Unterzeichnung mit qualifizierter elektronischer Signatur die Unterzeichnung zweifelsfrei und im Zivilprozess beweissicher (§ 371a Abs. 1 ZPO) der unterzeichnenden Person und dem zu unterzeichnenden Dokument zugeordnet werden kann. Hierzu ist zum einen initial erforderlich, dass die unterzeichnende Person durch eine vertrauenswürdige Stelle identifiziert wird. Sodann muss gewährleistet sein, dass die so identifizierte Person als einzige auch als diese unterzeichnen kann. Dies wird regelmäßig durch die Verknüpfung von Wissen bei der identifizierten Person (wie beispielsweise einem Passwort) und einem Gegenstand (beispielsweise einer Identifikationskarte) – der sogenannten Zwei-Faktor-Authentifizierung – erreicht. Statt der Wissenskomponente können beispielsweise auch biometrische Merkmale (etwa ein Fingerabdruck) genutzt werden.
Überträgt man diese Voraussetzungen auf das Schriftformerfordernis, wird bei der qualifizierten elektronischen Signatur bereits im Vorfeld in technischer Hinsicht dafür gesorgt, dass Person A nicht als (und für) Person B eine Erklärung abgeben kann; bei einem schriftlichen Dokument ist im Zweifel eine graphologische Analyse erforderlich.
Vor dem Hintergrund der aufwändigen technischen Voraussetzungen wird die (qualifizierte) elektronische Signatur nur bei häufiger Nutzung eine Erleichterung bieten. In jedem Fall muss aber geprüft werden, dass für den konkreten Anwendungsfall die gesetzlichen Voraussetzungen der Ersetzung der Schriftform auch vorliegen, z.B. bei Kündigungserklärungen (§ 623 BGB) sowie bei Bank- und Besicherungsgeschäften (z.B. Übernahme einer Bürgschaft, vgl. § 766 S. 2 BGB).
Damit verbleibt noch die sog. Textform (§ 126b BGB), für deren Wahrung eine lesbare Erklärung, welche die erklärende Person ausweist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss. Hier entfällt der (nachweisbare) Konnex zwischen dem erklärten Inhalt und der erklärenden Person. Es kann lediglich nachgewiesen werden, dass die entsprechende Erklärung abgegeben wurde, allerdings nicht sicher, wer sie abgegeben hat. Kommt es beispielsweise zum Streit darüber, ob eine Gesellschafterin tatsächlich per Kurznachrichtendienst ihre Zustimmung zu einem Gesellschafterbeschluss im Umlaufverfahren erklärt hat, kann lediglich eine zustimmende Erklärung nachgewiesen werden. Ob die Nachricht z.B. vom Inhaber der E-Mail-Adresse oder der Mobilfunknummer selbst versandt wurde, ist zwar nach einer gewissen Lebenswahrscheinlichkeit anzunehmen, aber nicht dem direkten Beweis zugänglich.
Die Ausführungen zeigen, dass, je nach Technologienutzung, gesetzliche oder vertragliche Schriftformerfordernisse erfüllt werden können.
Konkrete Nutzung digitaler Lösungen im Rechtsverkehr
Anbieter digitaler Unterzeichnungssoftware ermöglichen es, Verträge – sei es, dass diese originär elektronisch erstellt wurden oder es sich um ein gescanntes Dokument handelt – per elektronischer Signatur zu unterzeichnen. Originär elektronisch erstellte Dokumente liegen beispielsweise vor, wenn ein Word-Dokument in ein PDF-Dokument umgewandelt wird. Abhängig davon, ob eine qualifizierte elektronische Signatur zum Einsatz kommt oder lediglich eine einfache elektronische Signatur, wird dem Textform- oder sogar dem Schriftformerfordernis Genüge getan. Ein konkretes Anwendungsbeispiel ist der Abschluss eines Darlehensvertrages. Die Unterzeichnung kann dann durch Signierung eines PDF-Dokumentes mittels Handzeichens auf einem Tablet erfolgen. Je nach Anbieter und Lösungspaket der digitalen Lösung wird dabei die angesprochene Verknüpfung von Nutzendem mit der Unterschrift durch die aufwändigen technischen Vorkehrungen sichergestellt, sodass eine qualifizierte elektronischer Signatur vorliegen kann, welche wiederum das Schriftformerfordernis erfüllt.
Meist unterbleibt jedoch die rechtssichere Verknüpfung des identifizierten Nutzenden der Software und der tatsächlich unterzeichnenden Person, sodass die Voraussetzungen der qualifizierten elektronischen Signatur nicht erfüllt sind. Bleibt diese Koppelung aus, kann allenfalls ein gesetzliches oder vertraglich vereinbartes Textformerfordernis durch die Nutzung der entsprechenden Softwarelösung erfüllt werden.
Besonderheiten bei Interaktionen mit der öffentlichen Verwaltung
In der Praxis ist v.a. aus Rechtssicherheitsgründen die öffentliche Verwaltung sehr zurückhaltend in der Anerkennung von elektronisch erstellten bzw. unterzeichneten Dokumenten. In der Praxis tritt häufig ein Vorgang beim Handelsregister auf, in welchem es im Kern um das Format und die Form eines eingereichten Gesellschafterbeschlusses geht. Denn entsprechend § 48 Abs. 2 GmbHG können Gesellschafterbeschlüsse formfrei und damit auch ohne einfache oder qualifizierte elektronische Signatur gefasst werden. Insofern ist also eine (einfache) elektronische Unterzeichnung ausreichend.
Handelt es sich um einen Beschlussgegenstand, dessen Inhalt zum Handelsregister angemeldet werden muss (§ 39 Abs. 1 GmbHG) ist zwischen der materiell-rechtlichen und der verfahrensrechtlichen Ebene zu unterscheiden. Erstere betrifft die Voraussetzungen des GmbHG an einen Gesellschafterbeschluss im Hinblick auf die Form. Sind z.B. notariell zu beurkundende oder zu beglaubigende Dokumente zu fassen und einzureichen, ist diese Form zu beachten. Keine besondere Form ist hingegen bei „normalen“ Gesellschafterbeschlüssen zu beachten, wie z.B. bei der Abberufung eines Geschäftsführers. Sodann ist zu prüfen, ob das Verfahrensrecht weitergehende oder andere Anforderungen an die Form des gefassten und einzureichenden Beschlusses stellt.
Nach § 39 Abs. 2 GmbHG muss z.B. der Beschluss zur Abberufung eines Geschäftsführers in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift der Handelsregisteranmeldung beigefügt werden. Eine Urschrift setzt ein physisch existierendes Originaldokument voraus, ebenso eine beglaubigte Abschrift, die sich auf jenes bezieht. In beiden Fällen ist also ausgeschlossen, dass originär elektronische erstellte oder lediglich auf diese Weise unterzeichnete Dokumente genutzt werden können. Nach § 8 Abs. 5 GmbHG i.V.m. § 12 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 HGB kann das einzureichende Dokument (hier der Gesellschafterbeschluss) jedoch auf elektronischem Wege und in maschinenlesbaren und durchsuchbaren Datenformat eingereicht werden, wobei die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung jedenfalls dann ausreicht, wenn eine Urschrift einzureichen ist. Eine elektronische Aufzeichnung liegt wiederum vor, wenn ein Dokument erstellt wird, das dauerhaft wiedergegeben werden kann. Erforderlich ist nicht, dass eine solche Aufzeichnung auf Basis eines physischen Dokumentes erstellt wird. Es kann sich also auch um ein originär elektronisch erstelltes Dokument handeln. Die Aufzeichnung selbst kann auch die Festhaltung des zu dokumentierenden Vorgangs sein. Das bestätigte zuletzt der rechtskräftige Beschluss des 22. Zivilsenats des Kammergerichtes vom 30. Juni 2022 (Az. 22 W 36/22) zu einem per DocuSign signierten originär elektronischen Dokument.
Die Skepsis der öffentlichen Verwaltung gegenüber technologischem Fortschritt zeigt sich im vorgenannten Verfahren insbesondere daran, dass das Registergericht angab, es habe die Authentizität der erklärenden Personen aufgrund der Form des eingereichten Beschlusses, der originär elektronisch erstellt wurde, nicht überprüfen können. Das überrascht insoweit, als das Gericht dies bei originär physisch erzeugten Erklärungen ebenso wenig kann. Auch bei einem eingescannten Dokument ergibt sich kein Prüfungsansatz für die Validierung der Identität der vermeintlich erklärenden Person mit jener der tatsächlich erklärenden. Denn dazu ist aus graphologischer Sicht stets erforderlich, dass das Originaldokument und echte Unterschriftenproben vorliegen – was aus Perspektive des Handelsregisters nie der Fall ist.
Auch im Lichte des (registerrechtlichen) Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG), nach dem das Registergericht eigenständig entscheidungserhebliche Tatsachen prüfen kann, ergibt sich nichts anderes. Sofern keine Anhaltspunkte für eine Abweichung der behaupteten von der tatsächlichen Identität bestehen, gibt es keinen Anlass seitens des Registergerichts, Ermittlungen anzustellen. Der Gesetzgeber hat es bei Verabschiedung des Gesetzes über das elektronische Handelsregister, welches § 12 HGB zugrunde liegt, nicht für notwendig erachtet, dass die Unterschriftenauthentizität in diesen Fällen durch das Registergericht geprüft wird. Dementsprechend kann auch ein PDF-Dokument eingereicht werden, sofern in diesem die verantwortliche Person (Protokollführer) durch Erwähnung unter dem Text erkennbar ist (Textform).
(Zivil-)Prozessuale Bedeutung
Kommt es zur Nutzung elektronisch unterzeichneter Erklärungen im Prozess, ergibt sich eine weitere Besonderheit. Wird etwa die Textform durch eine einfache elektronische Signatur erfüllt und entsteht zu einem späteren Zeitpunkt Streit über die Authentizität, verbleibt folgendes Risiko: Ist die unterzeichnende Person nicht mehr greifbar, kann sie vor Gericht keine Auskunft mehr darüber geben, dass sie die in Frage stehende Erklärung abgegeben hat. Hier gibt es dann keine Möglichkeit, dem Einwand der fehlenden Authentizität entgegenzutreten.
Allerdings besteht das Problem auch, wenn lediglich ein Scan eines Originaldokuments vorhanden ist, die unterzeichnende Person nicht mehr greifbar ist und dann die Unterschriftsechtheit bestritten wird.
Schließlich vermag in diesem Fall auch die für Digitalisierungsfragen im Rechtsverkehr in der EU maßgebliche eIDAS-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014) nicht weiterzuhelfen. Sie sieht zwar ein Diskriminierungsverbot in Bezug auf elektronische Signaturen vor (Art. 25 Abs. 1 eIDAS-VO). Danach dürfen deren Rechtswirkung und Zulässigkeit als Beweismittel im Gerichtsverfahren nicht allein deswegen negiert werden, weil sie lediglich in elektronischer Form vorliegen oder nicht die hohen Anforderungen einer qualifizierten elektronischen Signatur erfüllen. In der skizzierten Konstellation liegt eine solche Benachteiligung aufgrund der Form des Beweismittels allerdings nicht vor.
Demnach bietet es sich an, in Fällen, in denen unklar ist, ob sich die unterzeichnende Person zu einem späteren Zeitpunkt noch im Zugriffsbereich befindet und die Chance besteht, dass es zum Streit um die Erklärung kommt, entweder eine qualifizierte elektronische Signatur zu verwenden oder bereits initial die entsprechende Erklärung schriftlich abzugeben.
Zusammenfassung
Bei der Ersetzung klassischer Unterzeichnungsmethoden durch digitale Lösungen ist Vorsicht geboten, da es je nach Konstellation verschiedene Besonderheiten gibt. Es ist eine wachsende Akzeptanz von digitalen Lösungen seitens der Verwaltung zu beobachten und es sollte nicht aufgrund eines ersten Widerstands die Vorhaben der Nutzung elektronischer Signaturen generell zurückgestellt werden.
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