BUNDESREGIERUNG BESCHLIEßT GESETZENTWURF ZUR UMSETZUNG DER ZWEITEN AKTIONÄRSRECHTERICHTLINIE (ARUG II)
Am 20. März 2019 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Regierungsentwurf des ARUG II, des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie, vorgelegt. Im Vergleich zu dem im vergangenen Herbst veröffentlichten Referentenentwurf sind zum Teil erhebliche Änderungen eingearbeitet worden.
I. Hintergrund
Die vom Europäischen Parlament und Rat am 17. Mai 2017 auf den Weg gebrachte Richtlinie soll die Mitwirkung der Aktionäre bei börsennotierten Gesellschaften verbessern sowie eine Erleichterung der grenzüberschreitenden Informationen und Ausübung von Aktionärsrechten ermöglichen.
Zu diesem Zweck regelt die Richtlinie und entsprechend der Gesetzesentwurf vier Teilbereiche des Aktienrechts: die Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand (“say-on-pay”), Geschäfte der Gesellschaft mit ihr nahestehenden Unternehmen und Personen (“related-party-transactions”), die bessere Identifikation und Information von Aktionären (“know-your-shareholder”) sowie die Verbesserung der Transparenz bei institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern.
II. Im Regierungsentwurf vorgesehene Neuregelungen
1. Aktionärsidentifizierung
Zur Förderung der Mitwirkung der Aktionäre sollen die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären verbessert werden. Diese Kommunikation wird teils durch eine Kette von Intermediären vor allem grenzüberschreitend erschwert. Börsennotierte Aktiengesellschaften sollen nun ein Auskunftsrecht gegenüber Intermediären erhalten. Sind mehrere Intermediäre zwischengeschaltet, sind diese verpflichtet, die Anfragen weiterzuleiten. Entsprechend ist ein Recht der Aktionäre vorgesehen, eine Bestätigung über den Eingang und Berücksichtigung ihrer Stimme bei elektronischen Stimmabgaben verlangen zu können.
2. Transparenz von institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern
Anleger und Endbegünstigte sollen in Zukunft besser über die Ausübung der Aktionärsrechte und Mitwirkung der Vermögensverwalter und institutionellen Anleger bei der Corporate-Governance in Gesellschaften, in die investiert wurde, informiert werden, um überprüfen zu können, ob dieses Verhalten mit ihren Interessen im Einklang steht.
Hierzu haben institutionelle Anleger und Vermögensverwalter künftig eine Mitwirkungspolitik zu erstellen, die insbesondere Beschreibungen der Ausübung von Aktionärsrechten im Rahmen der Anlagestrategie, der Zusammenarbeit mit anderen Investoren und den Umgang mit Interessenkonflikten beinhaltet. Nach dem “comply or explain” Prinzip ist die Mitwirkungspolitik auf der Internetseite des institutionellen Anlegers zu veröffentlichen oder zu erläutern, warum eine solche unterbleibt. Bei Verletzung dieser Pflichten droht ein Bußgeld in Höhe von € 50.000.
Bei Gesellschaften mit nicht nur unbedeutender Beteiligung ist das Abstimmungsverhalten offenzulegen. Ist mit der Verwaltung des Vermögens für den institutionellen Anleger ein Vermögensverwalter betraut, sind die entsprechenden Hauptelemente der Vereinbarung mit dem Vermögensverwalter öffentlich zu machen, wobei auch hier das “comply or explain” Prinzip gilt.
Auch Stimmrechtsberater treffen erweiterte Transparenzpflichten und sollen künftig erklären, ob und inwieweit sie den Vorgaben eines Verhaltenskodex entsprechen.
3. Vergütung der Unternehmensleitung
Mit der neu eingeführten Pflicht zur Entwicklung eines abstrakten Vergütungssystems für Mitglieder des Vorstands kommen weitere Neuerungen auf börsennotierte Aktiengesellschaften zu. Es werden zwar weiterhin keine materiellen Vorgaben aufgestellt, sodass die Vergütung inhaltlich nach wie vor am bisher geltenden Recht zu messen ist, die Festsetzung der Vergütung soll sich nun jedoch in einem vom Vergütungssystem gezogenen Rahmen halten. Der hiermit betraute Aufsichtsrat formuliert ein Vergütungssystem für den Vorstand. Der notwendige Billigungsbeschluss der Hauptversammlung über das System hat lediglich beratenden und empfehlenden Charakter, Änderungsvorschläge sind nicht möglich. In diesem Regelungsbereich hat der deutsche Gesetzgeber von der in der Richtlinie entsprechend vorgesehenen Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht. Ein empfehlender Beschluss füge sich besser in das dualistische System der deutschen Aktiengesellschaft ein. Möchte der Aufsichtsrat von einer vorformulierten Vergütungspolitik abweichen, ist diese der Hauptversammlung selbst dann erneut vorzulegen, wenn mit der Änderung berechtigte Einwände der Hauptversammlung umgesetzt werden. Im Interesse des langfristigen Wohlergehens der Gesellschaft ist eine vorübergehende Abweichung vom formulierten Vergütungssystem möglich.
Im Vergütungssystem enthalten sein sollen u.a. der Beitrag der Vergütung zur Förderung der Geschäftsstrategie und zur langfristigen Entwicklung der Gesellschaft sowie alle festen und variablen Vergütungsbestandteile mit ihrem Anteil an der Vergütung. Die einzelnen Mindestangaben können § 87a AktG-E des Regierungsentwurfs entnommen werden. Das System soll „klar und verständlich” sein, wobei es hier nach dem Entwurf auf die Sichtweise eines „durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Aktionärs” ankomme. Neu in diesem Zusammenhang ist die ausdrückliche Nennung der Rückforderungsmöglichkeit variabler Vergütungsbestandteile.
Über die Vergütung des Aufsichtsrats ist mindestens alle vier Jahre ein Hauptversammlungsbeschluss zu fassen, wobei neben dem abstrakten Vergütungssystem auch die konkrete Vergütung anzugeben ist.
Im neuen Vergütungsbericht haben Vorstand und Aufsichtsrat jährlich die im letzten Geschäftsjahr den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats gewährte und geschuldete Vergütung mitzuteilen. Die einzelnen in den Bericht aufzunehmenden Vorgaben sind im neuen § 162 AktG-E aufgezählt. Über den vom Abschlussprüfer formell geprüften Vergütungsbericht des vorangegangenen Geschäftsjahres stimmt die Hauptversammlung ab, wobei dieser Beschluss keine Rechte oder Pflichten begründet und nicht anfechtbar ist. Prüfungsbericht und Prüfungsvermerk sind zehn Jahre lang öffentlich zugänglich zu machen.
Für Pflichtverletzungen, die im Zusammenhang mit Vergütungsentscheidungen auftreten, haftet wie zuvor der Aufsichtsrat.
4. Geschäfte mit nahestehenden Personen
Als letzter und vierter Teilbereich haben die Regelungen zu Geschäften mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions – RPT) Änderungen erfahren. Es soll verhindert werden, dass Personen wie etwa Führungskräfte oder Kontrollaktionäre ihren Einfluss bei Geschäften mit der Gesellschaft ausnutzen und sich zu Lasten der Gesellschaft und ihrer außenstehenden Aktionäre Vermögenswerte aneignen (sog. “tunneling”). Der Regierungsentwurf sieht wie bereits der Referentenentwurf eine Minimalumsetzung der Richtlinie zur Ergänzung der bereits bestehenden Schutzregelungen vor. Im Wesentlichen wird sich auf folgende drei Eckpunkte konzentriert: die Eröffnung eines engen Anwendungsbereichs mit einer hohen Wesentlichkeitsschwelle, ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats oder eines beschließenden Ausschusses und eine unverzügliche Veröffentlichungspflicht der RPT.
Die Eingriffsschwelle der Zustimmungs- und Veröffentlichungspflicht ist überschritten, wenn der wirtschaftliche Wert der RPT oder mehrere solcher Geschäfte in demselben Geschäftsjahr 2,5 % der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen im zuletzt festgestellten Jahresabschluss einer Gesellschaft übersteigt. Ausgenommen sind marktübliche Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang erfolgen, d.h. typische, sich wiederholende Alltagsgeschäfte, deren Geschäftsbedingungen einem Drittvergleich standhalten. Weitere Ausnahmen betreffen etwa Geschäfte mit Tochterunternehmen oder Geschäfte, die einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.
Die im Vergleich zum Referentenentwurf größte Änderung hat das Zustimmungsverfahren im Aufsichtsrat erfahren. Zunächst war neben dem Plenum die Einsetzung eines vorbereitenden Ausschusses vorgesehen, mit dessen Zustimmungsvorschlag sich der gesamte Aufsichtsrat befassen sollte. Dies ist nun durch die Möglichkeit der Einrichtung eines beschlussfassenden Ausschusses ersetzt worden. Der Ausschuss ist mehrheitlich mit Aufsichtsratsmitgliedern zu besetzen, bei denen keine Besorgnis eines Interessenkonflikts besteht. Wird die Zustimmung vom Aufsichtsrat oder von den ihn ersetzenden Ausschuss verweigert, kann der Vorstand einen ersetzenden Hauptversammlungsbeschluss über das Geschäft mit einfacher Mehrheit unter Stimmrechtsausschluss der nahestehenden Personen verlangen. Fehlt es an der Zustimmung, bleibt die Wirksamkeit des Geschäfts im Außenverhältnis unberührt. Es kommen jedoch Schadensersatzpflichten nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht.
Die Veröffentlichungspflicht erstreckt sich auf alle RPT, die dem oben genannten Zustimmungsvorbehalt unterliegen.
III. Fazit und weiterer Ablauf
Der ARUG II-Entwurf der Bundesregierung, kann weitgehend als gelungene Umsetzung der Richtlinie bezeichnet werden, der den Besonderheiten des deutschen Aktienrechts Rechnung trägt. Gleichwohl (und ungeachtet der am 10. Juni 2019 abgelaufenen Umsetzungsfrist für die Richtlinie) ist der Gesetzentwurf aufgrund von Kontroversen zum Say on Pay und zu Detailregelungen der RPT zwischenzeitlich im Gesetzgebungsverfahren ins Stocken geraten und konnte nicht mehr wie geplant vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden. Ein neuer Anlauf soll in diesem Herbst erfolgen, wobei mit gewissen Änderungen in den genannten Bereichen gerechnet werden muss. Der genaue Termin des Inkrafttretens des Gesetzes steht derzeit noch nicht fest.
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