DIE GESAMTVERTRETUNG DER GMBH BEI VERTRAGSSCHLUSS – BGH PRÄZISIERT ANFORDERUNGEN AN SCHRIFTFORM BEI BEFRISTETEN (GEWERBERAUM-)MIETVERTRÄGEN
Der BGH hat in der Entscheidung vom 26.02.2020 (Az. XII ZR 51/19) seine Rechtsprechung zur wirksamen Vertretung einer GmbH durch einen von mehreren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern weiterentwickelt. Anlass war der Abschluss eines befristeten Gewerberaum-Mietvertrages durch einen von mehreren GmbH-Geschäftsführern.
I. Sachverhalt
Die beklagte Mieterin (eine GmbH) und die klagende Vermieterin schlossen im Jahr 2009 einen Mietvertrag für die Dauer von zehn Jahren über eine Gewerbefläche. Nach mehreren Änderungen wurde das Mietverhältnis Ende 2014 außerordentlich und fristlos gekündigt. Schließlich wurde im Oktober 2015 das Mietverhältnis durch die Parteien im Wege eines Nachtrags neubegründet und eine befristete Mietdauer (Festlaufzeit) von mehr als einem Jahr vereinbart.
Die GmbH wird grundsätzlich durch ihre beiden gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer vertreten. Dies ließ sich auch dem Rubrum des Nachtrages entnehmen. Ferner wies der Nachtrag für die Mieterin zwei Unterschriftsfelder auf. Die Namen der beiden Geschäftsführer der Mieterin waren jeweils unter ein Unterschriftenfeld maschinenschriftlich hinzugesetzt. Den Nachtrag unterschrieb nur ein Geschäftsführer der Mieterin und setzte deren Firmenstempel zu seiner Unterschrift hinzu. Das zweite Unterschriftsfeld blieb frei. Eine entsprechende Ermächtigung des Geschäftsführers, den Nachtrag allein zu unterschreiben war im Innenverhältnis der Geschäftsführung gegeben.
Die Mieterin kündigte den Mietvertrag ordentlich fristgemäß vor Ablauf der vereinbarten festen Laufzeit, mit der Begründung, dass durch die fehlende Unterschrift, die gesetzliche Schriftform gemäß § 550 S. 1 BGB nicht gewahrt worden sei, sodass ein unbefristetes Mietverhältnis bestehe, welches ordentlich kündbar sei.
Die Vermieterin begehrte die Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses für die Festlaufzeit und als nicht ordentlich kündbar.
II. Hintergrund der hohen Anforderungen an die Schriftform
Streit um die Frage der Möglichkeit ein befristetes Mietverhältnis ordentlich vor Ablauf der festen Laufzeit zu kündigen entsteht immer wieder. Dies, obwohl ein (wirksam) befristetes Mietverhältnis während seiner Laufzeit nur außerordentlich fristlos kündbar ist (was das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraussetzt). Hintergrund für die Streitanfälligkeit ist die Vorschrift des § 550 S. 1 BGB, die für befristete Mietverträge, die für eine längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, deren Abschluss in schriftlicher Form anordnet. Bei Nichteinhaltung der Schriftform gilt das Mietverhältnis per gesetzlicher Fiktion als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Ein solches auf unbestimmte Zeit geschlossenes Mietverhältnis kann jederzeit ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen und ggf. vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist gekündigt werden.
Schriftform bedeutet die eigenhändige Namensunterschrift der Parteien auf der Mietvertragsurkunde. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist der Übereilungsschutz der Vertragsparteien vor dem unbedachten Eingehen langfristiger Bindungen. In ständiger Rechtsprechung fordert der BGH darüber hinaus jedoch, dass sich für die Einhaltung des Schriftformerfordernisses des § 550 S. 1 BGB alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus der von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergeben. Sind wesentliche Vertragsbedingungen nicht im Mietvertrag selbst niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, sodass sich der Gesamtinhalt nur aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen sämtliche Schriftstücke zwecks Wahrung der Zusammengehörigkeit entsprechend kenntlich gemacht werden. Hierfür ist die gedankliche Verbindung ausreichend, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme Ausdruck finden muss. Diese Klarheit über die Mietdauer des Mietvertrages ist auch deshalb erforderlich, weil ein möglicher Erwerber der vermieteten Räume erkennen können soll, welche Mietdauer vereinbart und damit welche Beendigungsmöglichkeiten des Mietvertrages für ihn bestehen. Der Erwerber tritt nämlich in die Rechte und Pflichten des veräußernden Vermieters unter dem Mietvertrag ein (§ 566 Abs. 1 BGB). Diese hohen und damit fehleranfälligen Anforderungen an die Schriftform im Sinne des § 550 S. 1 BGB sind der Grund für eine Vielzahl von Streitfällen und eine bereits sehr detaillierte Rechtsprechung des BGH hierzu.
So hat der BGH bereits entschieden, dass, wenn eines der zur gemeinschaftlichen Vertretung berufenen Organmitglieder einer Gesellschaft einen Mietvertrag unterzeichnet, die Schriftform gemäß § 550 S. 1 BGB nur dann gewahrt ist, wenn auch sämtliche übrigen Organmitglieder unterzeichnen oder sich aus dem Erscheinungsbild der Urkunde entnehmen lässt, dass der Unterzeichnende auch die übrigen Organmitglieder vertreten will, die nicht unterzeichnet haben. Die Wahrung der Schriftform verneint hat der BGH jedoch in den vorbezeichneten Fällen, wenn die Vertretungsregelung einer Kapitalgesellschaft im Rubrum des Mietvertrages angegeben ist, weil dann ohne einen Vertretungszusatz bei der einzeln geleisteten Unterschrift nicht erkennbar wird, ob die übrigen gesetzlichen Vertreter noch unterzeichnen müssen. Hier folgen Zweifel an der Vollständigkeit der Unterschriftenleistung unmittelbar aus der Urkunde selbst und stehen der Einhaltung des Schriftformerfordernisses entgegen.
Anders hat der BGH den Fall beurteilt, in dem nach dem Erscheinungsbild der Vertragsurkunde der Unterzeichner für sich allein die Berechtigung zum Abschluss des Mietvertrages in Anspruch nimmt und dies durch einen die alleinige Vertretung der Gesellschaft anzeigenden Zusatz kenntlich macht. Ein solcher Zusatz kann beispielsweise die Hinzusetzung des Firmenstempels zur Unterschrift sein. Die Hinzusetzung des Firmenstempels zur Unterschrift wird im Geschäftsverkehr und in der Rechtspraxis nämlich als ein solches Zeichen angesehen und als Legitimation des Unterzeichners zur Einzelvertretung des im Stempel beschriebenen Unternehmens verstanden.
III. Entscheidung
Im vorliegenden Fall hat der BGH seine oben (unter Ziffer II.) dargestellte Rechtsprechung weiterentwickelt und entschieden, dass durch die Unterschrift des einen Geschäftsführers der Mieterin trotz Hinzusetzens des Firmenstempels unter einen Mietvertrag, in dessen Rubrum die Gesamtvertretung der Mieterin ausdrücklich genannt ist, die Schriftform nicht gewahrt werde. Dies deshalb, weil das zweite Unterschriftenfeld mit maschinenschriftlicher Namensangabe für den weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Mieterin frei blieb. Die Vertragsurkunde erwecke nach Auffassung des BGH einen unvollständigen Eindruck, weil nicht deutlich wird, ob der unterzeichnende Geschäftsführer den weiteren Geschäftsführer vertreten wollte oder dieser selbst noch unterzeichnen müsse. Es fehle am äußeren Anschein des Abschlusses der Urkunde. Ein möglicher Erwerber der Mieträume könne nicht erkennen, ob sämtliche erforderlichen Unterschriften unter den Mietvertrag gesetzt wurden.
Die Schriftform des Mietvertrages war im vorliegenden Falle nicht gewahrt, so dass der Mietvertrag als unbefristet gilt. Diesen konnte die die Mieterin entgegen der Befristungsabrede im Vertrag ordentlich kündigen.
IV. Praxisfolgen
Die Entscheidung des BGH hebt die Bedeutung der Einhaltung der Vertretungsregelung bei der GmbH im Allgemeinen sowie die gravierenden Auswirkungen der Nichteinhaltung der Schriftform (wegen fehlerhafter Vertretung der GmbH) bei befristeten Mietverträgen im Besonderen hervor.
1. Mietrecht – Abschluss befristeter Mietverträge
Bei dem Abschluss befristeter Mietverträge durch gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer einer GmbH sollten beide Mietvertragsparteien akribisch auf die wirksame Vertretung der beteiligten Vertragsparteien und damit auf die Einhaltung der Schriftform achten. Andernfalls besteht das große Risiko, dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und jederzeit ordentlich gekündigt werden kann. Dies birgt für Mieter wie Vermieter, insbesondere im Feld der Gewerberaummiete, große finanzielle Risiken, weil entweder der Verlust der langfristig benötigten Mietfläche oder der Ausfall der geplanten Mietzahlungen droht. Ebenso müssen Erwerber der (Gewerberaum-)Mietflächen auf die Einhaltung der Schriftform und damit die wirksame Vertretung der Mietvertragsparteien achten, um Rechtsicherheit über den langfristigen Bestand der von ihnen zu übernehmenden Mietverhältnisse zu gewinnen.
Die mietrechtliche Komponente der fehlenden Vertretungsmacht eines gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers bei Abschluss eines befristeten Mietverhältnisses stellt einen Spezialfall dar. Dies deshalb, weil das Gesetz aufgrund der hieraus resultierenden fehlenden Schriftform das Entstehen eines unbefristeten Mietverhältnisses fingiert.
Für den Abschluss befristeter Mietverträge durch gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer einer GmbH sollten diese den Vertrag stets sämtlich in vertretungsberechtigter Anzahl (häufig zu zweit) unterzeichnen. Ist dies – wie im vorliegenden Fall – nicht möglich oder gewollt, muss bei der Unterzeichnung des Vertrages durch einen Geschäftsführer unbedingt darauf geachtet werden, dass ohne verbleibende Zweifel aus der Vertragsurkunde erkennbar wird, dass der unterzeichnende Geschäftsführer auch den weiteren Geschäftsführer vertritt und somit mit Vertretungsmacht für die GmbH handelt. Um die Schriftform im vom BGH zu entscheidenden Fall zu wahren, hätte der allein unterzeichnende Geschäftsführer beispielsweise (i) das Rubrum des Vertrages anpassen können, um deutlich zu machen, dass er die GmbH bei Abschluss dieses Mietvertrages allein vertritt, (ii) mit einem Vertretungszusatz wie beispielsweise „in Vertretung“ oder „i.V.“ und optimalerweise unter Hinzusetzung des Firmenstempels unterzeichnen sowie (iii) vorsorglich die zweite Unterschriftenzeile für den weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer entweder entfernen oder in diesem ebenfalls mit Vertretungszusatz unterzeichnen können. Es muss der Wille des handelnden Geschäftsführers, die übrigen gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer ebenfalls zu vertreten hervortreten und damit der Vertragsurkunde jeder Zweifel über ihren Abschluss genommen werden.
Vor Abschluss von Mietverträgen oder Nachträgen sowie dem Erwerb von Mietflächen sollte die Mietvertragsdokumentation einer genauen rechtlichen Analyse unterzogen werden, um Klarheit hinsichtlich der Wirksamkeit der Vertretung einer GmbH als Mietvertragspartei und damit der Wahrung der Schriftform im Sinne des § 550 S. 1 BGB zu gewinnen.
2. Allgemeines Vertragsrecht – Folgen der fehlenden Vertretungsmacht
Bei Abschluss von Verträgen durch eine GmbH, die nicht Mietverträge mit befristeter Laufzeit sind, kommt der Frage der wirksamen Vertretung der Gesellschaft durch ihre Geschäftsführer ebenso große Bedeutung zu. Es gelten hier die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln, wonach der Vertrag schwebend unwirksam ist, wenn dem Handelnden die Vertretungsmacht fehlte (§ 177 Abs. 1 BGB). Die Wirksamkeit des Vertrages hängt sodann von der Genehmigung der vertretenen GmbH ab, d.h. der nachträglichen Zustimmung der weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer. Bis zur Genehmigung des Vertrages, kann die andere Vertragspartei den Vertrag widerrufen. Bleibt die Genehmigung aus, haftet der handelnde Geschäftsführer der anderen Vertragspartei auf Erfüllung des Vertrages oder Schadenersatz (§ 179 Abs. 1 BGB).
3. Handlungsempfehlung für die Vertragsabschlusspraxis
Der Abschluss von Verträgen (auch außerhalb des Mietrechts) hat durch die vertretungsberechtigten Geschäftsführer und/oder, bei Vorhandensein von Prokuristen, unter Teilnahme dieser. Ist dies tatsächlich nicht möglich, besteht die Möglichkeit, dass zur Gesamtvertretung befugte Geschäftsführer einzelne andere Geschäftsführer dazu ermächtigen, bestimmte Geschäfte alleine vorzunehmen. Eine solche sogenannte Gesamtvertreterermächtigung unterliegt gewissen Beschränkungen hinsichtlich ihres Umfangs, weil sie nicht zu einer Generalermächtigung und damit de facto zu einer Einzelvertretungsmacht ausgestaltet sein darf, die unwirksam wäre. Die Gesamtvertreterermächtigung kann in der Vertragsabschlusspraxis ein probates Mittel sein, um den Verwaltungsaufwand zu minimieren. Im Einzelfall kann die zulässige Ausgestaltung jedoch komplex sein und sollte durch die Einholung von Rechtsrat flankiert werden.
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