GERICHTSSTANDSKLAUSELN UND ANWENDBARES RECHT IN UNTERNEHMENSTRANSAKTIONEN
Sobald sich zwei Vertragspartner in unterschiedlichen Staaten befinden, sollte der Vertrag Regelungen zum anwendbaren Recht und zum Gerichtsstand enthalten. Am Beispiel einer Unternehmenstransaktion durchleuchtet der nachfolgende Beitrag die durch das Fehlen derartiger Regelungen entstehenden Risiken und stellt dar, worauf bei der Ausgestaltung solcher Vereinbarungen zu achten ist.
I. Bedeutung der Fragestellungen für die Unternehmenstransaktion
In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass sich das zu erwerbende Unternehmen im Ausland befindet und deshalb ein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist. Sowohl für den share deal als auch für den asset deal stellt sich – sollte keine Rechtswahl- und/oder Gerichtsstandsvereinbarung bestehen – die Frage wo zu klagen ist und welches materielle Recht auf den Unternehmenskaufvertrag anzuwenden ist.
1. Gerichtsstand (ohne Vereinbarung)
Wenn ein deutsches Unternehmen beispielsweise von einem französischen Unternehmen Anteile an einer französischen SARL erwirbt und sodann in der Folgezeit Schadensersatzansprüche aufgrund einer Garantieverletzung geltend machen will, ist zur Bestimmung des Gerichtsstands die EuGVVO (Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) maßgeblich.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVVO sind Personen grundsätzlich am Ort ihres Wohnsitzes zu verklagen. Gesellschaften oder juristische Personen haben ihren Wohnsitz an dem Ort ihres satzungsgemäßen Sitzes, ihrer Hauptverwaltung oder ihrer Hauptniederlassung, Art. 63 EuGVVO. Zuständig wäre damit ein französisches Gericht. Bei vertraglichen Ansprüchen ist auch der besondere Gerichtsstand des Art. 7 Abs. 1 lit. a EuGVVO zu beachten, wonach es darauf ankommt, an welchem Ort die infrage stehende Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Im Gegensatz zu der allgemeinen Vorschrift des Art. 4 EuGVVO wird damit nicht nur die internationale Zuständigkeit des Gerichts, sondern auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt.
Der besondere Gerichtsstand wäre für ein deutsches Unternehmen unter Umständen dann vorteilhaft, wenn die in Frage stehende Verpflichtung in Deutschland zu erfüllen gewesen wäre. Hierbei ist jedoch stets zusätzlich zu prüfen, welches Recht auf den Fall Anwendung findet: Sollte beispielsweise grundsätzlich eine Klage vor einem deutschen Gericht möglich sein, aber dennoch ausländisches Recht zur Anwendung gelangen, so ist im Zweifelsfall der Entscheidung eines ausländischen Gerichts über dessen eigenes Recht Vorzug zu gewähren.
2. Anwendbares Recht (ohne Vereinbarung)
Sollte ein deutsches Gericht mit der Frage der Beurteilung des anwendbaren Rechts betraut sein, so wird es streng zwischen dem Kaufvertrag als solchen (Verpflichtungsgeschäft) und der Abtretung der Anteile bzw. Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter (Verfügungsgeschäft) unterscheiden (Sicht der lex fori). Des Weiteren ergeben sich Unterschiede zwischen share deal und asset deal.
a) Kaufvertrag
(1) Share deal
Der Verkauf von Unternehmensanteilen ist nicht als Warenkauf zu qualifizieren, so dass auf den share deal das UN-Kaufrecht (CISG) nicht anwendbar ist. Maßgeblich für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist damit die Rom I-VO (Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht). Da keine Sonderbestimmung der Art. 5 bis 8 Rom I-VO einschlägig ist und des Weiteren der Unternehmenskaufvertrag keinem besonderen Vertragstyp der Art. 4 Abs. 1 lit. a bis lit. h Rom I-VO entspricht, bestimmt sich das anwendbare Recht wie folgt: Entweder (i) ist gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO das Recht des Staates anwendbar, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat (= Verkäufer der Anteile), ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder (ii) ist gemäß Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO das Recht desjenigen Staates anwendbar, zu dem sich eine aufgrund der Gesamtumstände offensichtlich engere Verbindung ergibt.
Die Ansichten sind hierzu noch nicht einheitlich. Während zum Teil der gewöhnliche Aufenthalt des Verkäufers als maßgeblich angesehen wird, bestimmt sich das anwendbare Recht nach anderer Ansicht nach den Gesamtumständen des Vertrages, wonach zumeist auf den Ort der Hauptverwaltung des verkauften Unternehmens abgestellt wird. Zu Unterschieden führt dies, wenn der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als dem der Hauptverwaltung des verkauften Unternehmens hat.
Die Rechtsfragen des Unternehmenskaufvertrages werden grundsätzlich umfassend durch das berufene Vertragsstatut geregelt, es sei denn, es ist durch Eingriffsnormen zu beschränken, Art. 9 Rom I-VO. Eine Eingriffsnorm ist hierbei eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für dessen öffentliche Ordnung angesehen wird, dass sie unabhängig vom anwendbaren Recht Geltung entfalten soll. Dies können beispielsweise zwingende Ein- und Ausfuhrbestimmungen oder auch Vorschriften des Arbeitsrechts sein.
Weiterhin ist zu beachten, dass Formfragen hinsichtlich des Verpflichtungsgeschäfts dem nach Art. 11 Rom I-VO bestimmten Recht unterliegen. Dies bedeutet, dass alternativ das Recht des Abschlussortes oder das für den Kaufvertrag maßgebliche Recht Anwendung finden. Diese Fragen sind essentiell etwa für die etwaige Beurkundungspflicht solcher Verträge.
(2) Asset deal
Beim asset deal ist nicht eindeutig, ob das UN-Kaufrecht anwendbar ist, da zumindest der Verkauf von Warenbestandteilen in den Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts fällt. Dennoch geht die herrschende Meinung davon aus, dass das UN-Kaufrecht jedenfalls dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn der Gesamtwert der immateriellen Werte den Gesamtwert der Waren überwiegt. Das maßgebliche Recht bestimmt sich dann wiederum nach der Rom I-VO, so dass auf die obigen Ausführungen zum share deal zu verweisen ist.
b) Abtretung der Anteile/Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter
(1) Share deal
Für die Abtretung der Anteile ist das sogenannte Gesellschaftsstatut maßgeblich. Das Gesellschaftsstatut ist in Bezug auf EU-Gesellschaften seit der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit nach der Gründungstheorie zu bestimmen. Dies bedeutet, dass das anwendbare Recht das Recht desjenigen Staates ist, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Sollte es sich also beispielsweise um den Anteilskauf einer niederländischen BV handeln, ist niederländisches Recht auf die Abtretung der Anteile anwendbar.
Bei Gesellschaften außerhalb der EU käme in Deutschland hingegen die sog. Sitztheorie zur Anwendung, d.h. maßgeblich zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts wäre das Recht am aktuellen Sitz der Gesellschaft. Die Abtretung der Anteile bestimmt sich aus Sicht der deutschen lex fori immer zwingend nach dem Gesellschaftsstatut und kann vertraglich nicht einem anderen Recht unterstellt werden. Die für die Übertragung maßgebliche Form bestimmt sich mangels besonderer Regelung in den unionsrechtlichen Verordnungen nach Art. 11 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche), der im Wesentlichen Art. 11 Rom I-VO entspricht.
(2) Asset deal
Bei einem asset deal kommt es auf die verschiedenen Wirtschaftsgüter an, die übertragen werden sollen. Sachen werden hierbei beispielsweise gemäß Art. 43 Abs. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates übertragen, in dem sie belegen sind (lex rei sitae). Die Übertragbarkeit von Forderungen unterliegt nach Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO dem Recht, dem die Forderung selbst unterliegt. Die Firma wird nach dem Gesellschaftsstatut des Unternehmens übertragen. Bezüglich der Form der Übertragung selbst ist wiederum Art. 11 EGBGB zu beachten.
3. Notwendigkeit einer vertraglichen Regelung
Die vorangegangen Ausführungen zeigen, dass zur Schaffung von Rechtssicherheit in jedem Fall im Vertrag der Gerichtsstand sowie das anzuwendende Recht vereinbart werden sollte. Nachfolgend wird näher erläutert, worauf dabei zu achten ist.
II. Gerichtsstandsvereinbarung
Die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung bestimmt sich im unionsrechtlichen Kontext nach Art. 25 EuGVVO. Danach ist das vereinbarte Gericht eines Mitgliedstaates zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaates materiell nichtig oder es wurden die sonstigen Voraussetzungen, insbesondere Formvorschriften, des Art. 25 EuGVVO nicht beachtet. Die zu prüfenden materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen des jeweiligen Staates sind beispielsweise die Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner und das Fehlen von Willensmängeln bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung.
Besonders zu erwähnen ist, dass bei Fehlen einer Rechtswahlklausel die wohl herrschende Ansicht der deutschen Rechtsprechung und Literatur davon ausgeht, dass aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten des Rechts am Sitz des vereinbarten Gerichts erfolgt ist. Erwägungsgrund 12 der Rom-I-VO bezeichnet den gewählten Gerichtsstand zumindest als „zu berücksichtigten Faktor“ bezüglich der Prüfung, ob zumindest eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Da nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob das jeweilige zuständige Gericht per se von einer Rechtswahl zugunsten seines Rechts ausgeht, ist es jedoch empfehlenswert, eine ausdrückliche Rechtswahlklausel in den Vertrag aufzunehmen.
III. Rechtswahlklausel
Aufgrund der dargestellten Problematik hinsichtlich der Bestimmbarkeit des anwendbaren Rechts auf den Unternehmenskaufvertrag empfiehlt es sich, eine Rechtswahlklausel in den Vertrag aufzunehmen.
Die Zulässigkeit der Rechtswahl bezüglich des schuldrechtlichen Vertrages ergibt sich aus Art. 3 Rom I-VO. Im Geltungsbereich der Rom I-VO ist nach Art. 20 die Rück- und Weiterverweisung ausgeschlossen, was insbesondere bedeutet, dass lediglich das materielle Recht dieses gewählten Staates unter Ausschluss des Internationalen Privatrechts anwendbar ist. Die oft zu findende Klausel „Der Vertrag unterliegt dem […] Recht unter Ausschluss seines Internationalen Privatrechts“ ist im Geltungsbereich der Rom I-VO damit überflüssig und sollte eher vermieden werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Bei einem asset deal sollte beachtet werden, dass hier das UN-Kaufrecht Anwendung finden kann. Da dies beispielsweise in Deutschland Bestandteil des Bundesrechts ist, wäre dies bei einer Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts ohne ausdrücklichen Ausschluss mit inbegriffen.
Zu beachten ist, dass das gewählte Recht zwar keinen sachlichen oder örtlichen Bezug zur Unternehmenstransaktion aufweisen muss. In der Theorie ist damit auch die Wahl eines „neutralen Rechts“ möglich. Um aber beispielsweise eine Rechtszersplitterung bezüglich des auf das Verfügungsgeschäft anzuwendenden Rechts zu vermeiden, das zumindest aus Sicht der deutschen lex fori nicht frei bestimmbar ist, sollte sich regelmäßig – sofern möglich und dies nicht aufgrund etwaiger besonderer Regelungen dieses Staates nachteilig ist oder es sich um ein Konglomerat von gekauften Gesellschaften handelt, bei denen jeweils lokal der Vollzug erfolgt – die Rechtswahl am Verfügungsgeschäft orientieren.
Zudem ist ein Gleichlauf zwischen vereinbarten Gerichtsstand und gewähltem Recht empfehlenswert, da das angerufene Gericht sein eigenes Recht am besten anwenden und auslegen kann. Bei Auseinanderfallen von Gerichtsstand und anwendbarem Recht ist unter Umständen eine zeit- und kostenaufwendige Ermittlung des Inhalts des Rechts durch das Gericht notwendig, die es zu vermeiden gilt. Weiterhin ist zu beachten, dass die Anwendung von sogenannter Eingriffsnormen durch eine Rechtswahl nicht ausgeschlossen werden kann.
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