HAFTUNGSLÜCKE BEI D&O-VERSICHERUNGEN – ERGÄNZUNG DER BEDINGUNGEN ERFORDERLICH!
Mit Urteil vom 20. Juli 2018 hat der IV. Senat des OLG Düsseldorf entschieden: Für Zahlungen, die ein Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife erbringt und für die er aus § 64 GmbHG in Anspruch genommen wird, besteht keine Deckung durch die D&O-Versicherung. Die Konsequenzen dieses Urteils zeigt der folgende Beitrag auf.
I. Ausgangspunkt: Versicherungsschutz von D&O-Versicherungen
D&O-Versicherungen (Directors and Officers-Versicherungen) dienen der Absicherung von Geschäftsführern (und sonstigen Organen und ggf. leitenden Mitarbeitern) für Schäden, die dem Unternehmen aufgrund ihrer Tätigkeit entstehen.
Abgedeckt sind Vermögensschäden. Bei der Beauftragung der Versicherung sind die durchaus unterschiedlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen („AVB“) genau zu prüfen, denn häufig werden Ausnahmen vom Versicherungsschutz aufgezählt, die einer wirkungsvollen Absicherung entgegenstehen.
„Versicherte Person“ ist bei einer D&O-Versicherung der Geschäftsführer (und ggf. weitere Organe und/oder leitende Mitarbeiter), während das Unternehmen Versicherungsnehmer ist. Das Unternehmen muss zunächst im Haftpflichtprozess einen Haftungsanspruch gegen den Geschäftsführer geltend machen und kann nicht direkt gegen die Versicherung klagen. Sodann erhebt der Geschäftsführer eine Deckungsklage gegen die D&O-Versicherung. Die Bindungswirkung des Haftpflichturteils führt dazu, dass die vom Tatrichter des Haftpflichtprozesses festgestellten und seiner Entscheidung zu Grunde gelegten tatsächlichen Elemente für den Deckungsprozess maßgeblich sind (im konkreten Fall auch dadurch belegt, dass die Versicherung als Streithelfer beigetreten war); häufig wird auch über eine Streitverkündung erreicht, dass bestimmte Feststellungen des Haftpflichtprozesses gegen die D&O-Versicherung wirken.
Die Deckungssumme der D&O-Versicherung ist für das Unternehmen (den Versicherungsnehmer) in der Praxis die relevante Haftungsmasse, insbesondere bei größeren Schäden, da das Vermögen des Geschäftsführers für die Schadenswiedergutmachung häufig nicht ausreicht. Gleichzeitig bewahrt sie den Geschäftsführer vor der Privatinsolvenz.
Nach Umfragen bei den potentiell betroffenen Geschäftsführern und Vorständen, stellt die Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter die größte Gefährdung für sie dar. Die Inanspruchnahme aufgrund der besonders haftungsrelevanten Norm des § 64 GmbHG soll nun nach dem Urteil des OLG Düsseldorf nicht durch die handelsüblichen D&O-Versicherungen abgedeckt sein.
II. Urteil des OLG Düsseldorf vom 20. Juli 2018 – I-4 U 93/16
Gegenstand des dem OLG-Urteil zu Grunde liegenden Verfahrens war die Klage einer Geschäftsführerin gegen die D&O-Versicherung auf Deckung einer von ihr geleisteten Zahlung an die GmbH, die auf einer Haftung nach § 64 GmbHG beruhte und zu der sie im Haftpflichtprozess (geführt vom Insolvenzverwalter der insolventen GmbH) verurteilt worden war.
Nach § 64 S.1 GmbHG muss der Geschäftsführer Ersatz für Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen leisten, die er nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst. Für diese Haftung ist kein Verschulden erforderlich, sondern es genügt der objektive Eintritt der Insolvenzreife aus, weswegen die Gläubiger der Gesellschaft durch vom Geschäftsführer veranlasste Zahlungen entsprechend benachteiligt wurden.
Das LG Mönchengladbach (Vorinstanz) hatte die Klage der Geschäftsführerin gegen die D&O-Versicherung abgelehnt, weil es eine sog. wissentliche Pflichtverletzung annahm, und dies nach den Versicherungsbedingungen grundsätzlich zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führe. Der Vorsatz ergebe sich daraus, dass die Klägerin die wirtschaftliche Lage kannte und ihren Kontrollpflichten nicht entsprechend nachgekommen sei. Wäre rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt worden, hätten die streitgegenständlichen Zahlungen zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft vermieden werden können.
Das OLG Düsseldorf hielt eine wissentliche Pflichtverletzung nicht für nachgewiesen und ist stattdessen der Meinung, dass Ansprüche aufgrund des § 64 S.1 GmbHG vom D&O-Versicherungsschutz nicht umfasst sind, wenn die Police nur ausdrücklich „Schadensersatzansprüche“ nennt. Nach A 1.1 der streitgegenständlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sollte Versicherungsschutz gewährt werden „für den Fall, dass eine versicherte Person […] wegen einer […] Pflichtverletzung […] für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.“
Der Ersatzanspruch aus § 64 GmbHG stellt nach der Rechtsprechung des BGH einen Anspruch eigener Art dar, der einem Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht gleichzustellen sei. Da die Versicherungsbedingungen nicht auch die Inanspruchnahme des Geschäftsführers aus § 64. S.1 GmbHG ausdrücklich erfassen, könne keine Versicherungsdeckung verlangt werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Beurteilung einer Deckung durch die Versicherung maßgebend, wie der Versicherungsvertrag objektiv auszulegen ist. Dabei kommt es darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese bei „verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs“ verstehen kann. Insoweit kam das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass Ansprüche aus § 64 S. 1 GmbHG aus Sicht von Versicherungsnehmer und versicherter Person nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien, denn diese seien ja kaufmännisch tätig und vorgebildet. Dies erscheint jedenfalls zweifelhaft, denn bei der Beurteilung des Wortlauts der Versicherungsbedingungen grds. auf den durchschnittlichen Versicherungsnehmer abzustellen ist und nicht auf denjenigen, der die Spezialrechtsprechung des BGH zur rechtlichen Qualifikation des § 64 GmbHG kennt.
III. Ausblick
Das OLG hat die Revision zum BGH nicht zugelassen, so dass gegen das Urteil zunächst nur die sog. Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist (eingelegt unter BGH IV ZR 186/18), weshalb die Entscheidung des OLG noch nicht rechtskräftig ist.
Zu beachten ist schließlich, dass die Entscheidung auch für Aktiengesellschaften entsprechend anwendbar sein dürfte (§ 93 Abs. 3 Nr. 6 und § 92 Abs. 2 AktG).
Für die Praxis empfiehlt sich, kurzfristig mit dem D&O-Versicherer eine Ergänzung der Versicherungsbedingungen zu vereinbaren, damit auch die Haftung nach § 64 GmbHG abgedeckt wird. Das ist sowohl im Interesse des Unternehmens, als auch der Geschäftsführer. Im Bemühen um die bleibende Attraktivität der D&O-Versicherung haben einige Versicherer bereits ihre Bedingungen geändert und ausdrücklich geregelt, dass auch Inanspruchnahmen wegen § 64 GmbHG gedeckt sind. Wird eine solche Bestätigung verweigert, müsste der Makler anderweitigen Deckungsschutz besorgen können.
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