GESETZ ZUR STÄRKUNG VON WACHSTUMSCHANCEN, INVESTITIONEN UND INNOVATION SOWIE STEUERVEREINFACHUNG UND STEUERFAIRNESS (WACHSTUMSCHANCENGESETZ) – WICHTIGSTE ÄNDERUNGEN
Am 28. März 2024 ist das viel diskutierte und lang erwartete Wachstumschancengesetz in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz soll der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt werden, indem verschiedene steuerliche Investitionsanreize geschaffen werden. Zudem soll das Gesetz zu einer Steuervereinfachung und mehr Steuerfairness führen. Einige Änderungen, die im Gesetzgebungsverfahren vorgesehen waren, sind aufgrund der Kritik des Bundesrats nicht umgesetzt worden. Dennoch bringt das Wachstumschancengesetz in fast allen Bereichen des Steuerrechts Änderungen mit sich.
I. Änderungen für alle Steuerzahler
1. Nutzung Verlustvortrag
Mit dem Wachstumschancengesetz wurde zunächst eine kurzfristige Verbesserung des Verlustvortrags geschaffen. Nach geltendem Recht ist die Nutzung eines Verlustvortrag bis zu einem Betrag von 1 Mio. EUR für Alleinstehende bzw. 2 Mio. EUR für gemeinsam veranlagte Ehegatten uneingeschränkt in den Folgejahren möglich. Ein darüberhinausgehenden Verlustvortrag war bislang allerdings auf 60 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des betreffenden Jahres beschränkt (sog. Mindestbesteuerung). Der Prozentsatz der Begrenzung wurde mit dem Wachstumschancengesetz nun befristet für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 auf 70 % angehoben. Steuermindernde Verlustvorträge sind damit für einen begrenzten Zeitraum von drei Jahren unter verbesserten Bedingungen möglich. Ab 2028 wird der Prozentsatz dann wieder auf 60 % begrenzt.
2. Förderung elektrische Firmen- und Dienstwagen
Freiberufler, Gewerbetreibende und auch Arbeitnehmer profitierten bereits jetzt davon, dass bei der privaten Nutzung eines rein elektrischen Firmen- bzw. Dienstwagens der geldwerte Vorteil im Ergebnis nur zu einem Viertel anzusetzen ist. Bislang galt dies allerdings nur, wenn der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs einen Höchstbetrag von 60.000 EUR nicht überstieg. Mit dem Wachstumschancengesetz wurde dieser Höchstbetrag nun befristet für alle Kfz, die nach dem 31.12.2023 und vor dem 01.01.2031 angeschafft werden, auf 70.000 EUR angehoben. Bei einem höheren Bruttolistenpreis als 70.000 EUR ist der geldwerte Vorteil wie bisher zur Hälfte anzusetzen.
3. Spenden an ausländische gemeinnützige Organisationen
Spenden, die an eine gemeinnützige Organisation außerhalb Deutschlands gezahlt werden, dürfen ab 2025 nur noch steuerlich abgezogen werden, wenn der Spendenempfänger eine Zuwendungsbescheinigung gemäß den Vorgaben eines amtlichen Musters ausstellt. Um zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung befugt zu sein, muss die Organisation im Zuwendungsempfängerregister beim Bundeszentralamt für Steuern registriert sein, welches noch in diesem Jahr aufgebaut wird.
4. Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte
Ebenfalls für alle Steuerzahler von Bedeutung ist die Anhebung der Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte, die ab 2024 von bislang 600 EUR auf 1.000 EUR erhöht wurde. Gewinne eines Kalenderjahres aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben somit bis zur Grenze von 1.000 EUR steuerfrei.
II. Änderungen für Freiberufler und Gewerbetreibende
1. Degressive Abschreibung
Die wichtigsten Änderungen für Freiberufler und Gewerbetreibende betreffen insbesondere die verbesserten Bedingungen im Bereich der Abschreibung. Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden, hat der Gesetzgeber mit dem Wachstumschancengesetz befristet die Möglichkeit einer degressiven Abschreibung wiedereingeführt. Anstelle der linearen Abschreibung, bei der die Kosten gleichmäßig auf alle Jahre der Nutzungsdauer verteilt werden, kann der Steuerpflichtige daher befristet eine degressive Abschreibung in Anspruch nehmen. Der dabei anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das 2-fache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 20 % nicht übersteigen.
2. Erhöhung Sonder-AfA
Daneben können Freiberufler und Gewerbetreibende, deren Gewinn im Vorjahr nicht über 200.000 EUR lag, ab 2024 im Jahr der Anschaffung und den vier folgenden Jahren für neue bewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu 40 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten als Sonderabschreibung geltend machen. Bisher war in diesen Fällen eine Sonderabschreibung nur in Höhe von 20 % möglich.
3. Erhöhung der Mindestbeträge betr. die Buchführungspflicht
Für Einzelkaufleute sind die handelsrechtlichen Buchführungspflichten für das Geschäftsjahr, das nach dem 31.12.2023 beginnt, von 600.000 EUR auf 800.000 EUR Umsatzerlöse und von 60.000 EUR auf 80.000 EUR Jahresüberschuss erhöht worden. Gleichzeitig sind die steuerlichen Buchführungsgrenzen auf 800.000 EUR Umsatz und 80.000 EUR Gewinn erhöht worden. Für diejenigen Einzelkaufleute, die nicht unter die Buchführungspflicht fallen geht damit eine Steuervereinfachung einher.
4. Geschenke
In Bezug auf Geschenkeaufwendungen, die Freiberufler und Gewerbetreibende für ihre Geschäftsfreunde tätigen, ist die Freigrenze für abziehbare Betriebsausgaben mit dem Wachstumschancengesetz von 35 EUR auf 50 EUR angehoben worden. Die Freigrenze gilt dabei für die Summe aller Geschenke, die einem Empfänger innerhalb eines Jahres zugewendet wurden.
5. Forschungszulage/-abschreibungen
Deutliche Verbesserungen für Freiberufler und Gewerbetreibende enthält das Wachstumschancengesetz bezüglich der Forschungszulage. Hier wurde der berücksichtigungsfähige Wert einer Arbeitsstunde des Einzelunternehmers oder Gesellschafters von 40 EUR auf 70 EUR angehoben. Außerdem wurde die maximale Förderung von 1 Mio. EUR auf 2,5 Mio. EUR erhöht. Auch der Fördersatz für kleine und mittlere Unternehmen hat mit dem Wachstumschancengesetz eine Erhöhung von bislang 25 % auf 35 % erfahren. Zudem sind nunmehr auch die Sachkosten eines Forschungsvorhabens im Wege der Abschreibung förderfähig. Diese Änderungen setzen neue steuerliche Anreize für Investitionen und Innovationen.
III. Änderungen für Vermieter
1. Degressive Wohngebäude-AfA
Zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Unterstützung der Bauwirtschaft hat der Gesetzgeber mit dem Wachstumschancengesetz für einen befristeten Zeitraum von sechs Jahren eine degressive Abschreibung für Wohngebäude eingeführt. Hiernach können 5 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Mietwohngebäudes in einem EU/EWR-Staat vom jährlichen Restwert abgeschrieben werden. Voraussetzung dafür ist, dass im Zeitraum vom 01.10.2023 bis 30.09.2029 mit der Herstellung begonnen wird bzw. der Kaufvertrag abgeschlossen und das Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft wird.
2. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubauten
Ergänzend dazu wurde der zeitliche Anwendungsbereich der Sonderabschreibungen für Mietwohnungsneubauten verlängert. Nach der Regelung des Jahressteuergesetzes 2022 konnte für die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Mietwohnungen bereits eine Sonderabschreibung in Höhe von maximal 2.500 EUR je Quadratmeter Wohnfläche beansprucht werden. Voraussetzung dafür war aber, dass entweder ein Bauantrag zwischen dem 01.01.2023 und dem 31.12.2026 gestellt wurde oder eine entsprechende Bauanzeige innerhalb dieses Zeitraums erfolgte. Mit dem Wachstumschancengesetz ist der zeitliche Anwendungsbereich dieser Sonderabschreibung entsprechend der degressiven Abschreibung für Wohngebäude nun bis zum 30.09.2029 verlängert worden. Die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubauten kann zusätzlich zu der neu eingeführten degressiven Abschreibung für Wohngebäude in Anspruch genommen werden.
3. Mieterstrom und Solaranlagen
Um außerdem Mieterstrommodelle und Solaranlagen zu fördern, wurde die Körperschaftsteuerbefreiung für Wohnungsbaugenossenschaften und -vereine mit Wirkung ab 2023 angepasst. Diese gilt nun, wenn die Einnahmen aus Stromlieferungen 30 % der Gesamteinnahmen nicht übersteigen. Bisher lag diese Schwelle bei 20 %. Außerdem gilt die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer für grundstücksverwaltende Unternehmen seit 2023 bereits dann, wenn die Einnahmen aus Solaranlagen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge nicht mehr als 20 % der Gesamteinnahmen, statt bisher 10 %, ausmachen.
IV. Option zur Körperschaftsteuer auch für die GbR
Bereits 2022 hat der Gesetzgeber im Körperschaftssteuergesetz eine Option eingeführt, mit der es Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften ermöglicht wurde, wie eine Kapitalgesellschaft besteuert zu werden. Entsprechend der Änderungen, die das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG – siehe hierzu bereits den Newsletter vom 21.12.2023) für die rechtliche Behandlung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) vorgesehen hat, wurde mit dem Wachstumschancengesetz der eingetragenen GbR die Möglichkeit eingeräumt, ab dem 28.03.2024 zu einer Besteuerung nach dem Körperschaftssteuergesetz zu optieren. Damit kann nun auch für die eingetragene GbR nach Wahl ihrer Gesellschafter auf die steuerlichen Vorzüge des Körperschaftsteuergesetzes – insbesondere den niedrigeren Steuersatz von 15 % – zurückgegriffen werden.
V. Änderungen bei der Umsatzsteuer
Bei der Umsatzsteuer schließlich sieht das Wachstumschancengesetz einige Änderungen vor, die zur Steuervereinfachung und finanziellen wie bürokratischen Entlastung beitragen sollen.
1. Anhebung Schwellenwerte für Ist-Versteuerung
Zunächst wurde der Schwellenwert für die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten rückwirkend ab dem 01.01.2024 von 600.000 EUR auf 800.000 EUR angehoben. Diese Änderung stellt einen Gleichlauf zu der oben beschriebenen Änderung der steuerlichen Buchführungspflicht dar und führt dazu, dass der Kreis umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer kleiner wird.
2. Anhebung Schwellenwert für Umsatzsteuervoranmeldung
Gleichzeitig wurde der Schwellenwert zur Befreiung von der Abgabe einer vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung erhöht. Ab 2025 sind Unternehmer von der Abgabe von Voranmeldungen und der Entrichtung von Vorauszahlungen befreit, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 EUR betragen hat. Bislang lag dieser Schwellenwert bei 1.000 EUR.
3. Kleinunternehmer
Eine weitere Erleichterung sieht das Wachstumschancengesetz zudem für Kleinunternehmer vor. Ab 2024 müssen Kleinunternehmer grundsätzlich keine Umsatzsteuerjahreserklärung mehr abgegeben und werden damit spürbar entlastet. Dafür kann der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung ab 2024 aber nur noch bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahrs erklärt werden. Bislang war dies bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung möglich.
4. Elektronische Rechnungsstellung ab 1.1.2025 und Übergangsregelung
Neu ist schließlich auch die Einführung einer Pflicht zur Verwendung von elektronischen Rechnungen. Durch das Wachstumschancengesetz besteht ab 01.01.2025 die Pflicht für inländische Unternehmer bei Lieferungen und Leistungen an andere inländische Unternehmen eine elektronische Rechnung zu verwenden. Ab dann ist die Ausstellung einer elektronischen Rechnung nicht mehr von einer Zustimmung des Rechnungsempfängers abhängig. Mit dieser Pflicht zur Verwendung elektronischer Rechnungen wird der erste Schritt zur Einführung eines nationalen Meldesystems für alle Umsätze, eingeleitet, mit welchem der Fiskus künftig Umsatzsteuerbetrug bekämpfen will. Als elektronische Rechnung anerkannt wird dabei nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird. Außerdem muss eine elektronische Verarbeitung der Rechnung möglich sein. Papierrechnungen und andere elektronische Rechnungen wie reine PDF-Dokumente gelten nach der neuen Bestimmung nur noch als sonstige Rechnungen. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Verwendung elektronischer Rechnungen gilt allerdings für Kleinbetragsrechnungen bis zu einer Höhe von 250 EUR. Für die Jahre 2025 bis 2027 gibt es zudem verschiedene, abgestufte Übergangsregelungen, mit denen die Einführung der elektronischen Rechnung für Unternehmer erleichtert werden soll. Insbesondere darf bis zum 31.12.2026 weiterhin jede Art von Rechnung ausgestellt werden. Zudem können alle Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen und unabhängig von irgendwelchen Umsatzgrenzen das verwendete Format untereinander vereinbaren, so dass insbesondere das EDI-Verfahren bis Ende 2027 weiterhin verwendet werden kann.
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