GILT FÜR GESCHÄFTSFÜHRER DAS ARBEITNEHMERÜBERLASSUNGSGESETZ?
Nach einhelliger Auffassung der Literatur zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sind dessen Vorschriften nicht auf Geschäftsführer anwendbar. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat jüngst entschieden, dass ein Geschäftsführer infolge einer nach dem AÜG unerlaubten Überlassung rentenversicherungspflichtig sei. Es stellt sich daher die Frage, ob und in welchem Umfang die Beschäftigung von Geschäftsführern doch unter das AÜG fallen kann.
I. Urteil des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg
Im zu entscheidenden Fall wurde zwischen einer Stiftung und einer GmbH ein Managementvertrag geschlossen, unter dem die Stiftung der GmbH einen bei ihr beschäftigten Stiftungsvorstand als Geschäftsführer zur Verfügung gestellt hat. Der Geschäftsführer war vereinbarungsgemäß nicht nur der Gesellschafterversammlung, sondern auch einem anderen Geschäftsführer gegenüber weisungsunterworfen. Er bearbeitete ein konkret beschriebenes Aufgabengebiet innerhalb der Räumlichkeiten der GmbH und war damit in deren Arbeitsorganisation eingebunden. Der Geschäftsführer hat ein Statusfeststellungsverfahren gegen die Rentenversicherung mit dem Ziel geführt, das Fehlen seiner Versicherungspflicht feststellen zu lassen. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat dieses Ansinnen abgelehnt, weil der Geschäftsführer bei der GmbH weisungsabhängig beschäftigt und in die Arbeitsorganisation eingegliedert war und deshalb eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG vorgelegen hätte.
II. Rechtliche Situation
Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG werden Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Es ist dort jedoch nicht ausdrücklich geregelt, ob die betroffenen Personen nur im Verhältnis zum Verleiher oder nur im Verhältnis zum Entleiher oder gegenüber beiden Beteiligten als Arbeitnehmer angesehen werden müssen. In Rechtsprechung und juristischer Literatur ist bisher auch nicht endgültig geklärt, ob die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ausschließlich bezogen auf den Verleiher oder ausschließlich bezogen auf den Entleiher oder bezogen auf den Entleiher und den Verleiher zu erfolgen hat.
Im Ergebnis zutreffend dürfte es sein, bei der Prüfung beide Verhältnisse einzubeziehen. Ist demnach eine Person im Verhältnis zum potentiellen Verleiher oder im Verhältnis zum potentiellen Entleiher als selbstständig anzusehen, also nicht weisungsabhängig beschäftigt oder nicht in deren Arbeitsorganisation einbezogen, liegt grundsätzlich keine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG vor. Ist die Person umgekehrt in beiden Verhältnissen als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer anzusehen, ist von einer Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Die Abgrenzung kann in beiden Verhältnissen im Einzelfall schwierig sein.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Entscheidung Ende des Jahres 2016 ausdrücklich festgestellt, dass ein zur abhängigen Beschäftigung an ein anderes Unternehmen überlassener Gesellschafter-Geschäftsführer des Verleihunternehmens, der an diesem eine Beteiligung von mindestens 50% der Geschäftsanteile hält, nicht Arbeitnehmer im Sinne des AÜG sein kann. Allerdings hat das BAG in dieser Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass in derartigen Fällen zu prüfen sei, ob in Folge eines Rechtsmissbrauches etwas anderes gelten müsse, wenn eine Ein-Mann-GmbH mit dem ausschließlichen Ziel, ihren Alleingesellschafter-Geschäftsführer an andere Unternehmen zu überlassen, betrieben wird.
III. Fazit
Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass die Entscheidung des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg in der Begründung nicht ausreichend ist. Zwar hat das Landessozialgericht festgestellt, dass der dortige Kläger im Einsatzunternehmen abhängig beschäftigt wurde, es wurden jedoch keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob eine solche Abhängigkeit auch im Verhältnis zur „überlassenden“ Stiftung gegeben war. Auch dieses Verhältnis wäre jedoch für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung von Bedeutung.
Für den Einsatz eines Geschäftsführers des Verleihunternehmens als Arbeitnehmer oder Geschäftsführer bei einem anderen Unternehmen ist für beide Seiten zu empfehlen, im Vorfeld die Stellung sowohl im Verleihunternehmen als auch die Stellung im Einsatzunternehmen genau zu prüfen. Nur wenn in einem der beiden Verhältnisse erkennbar keine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist die Anwendung des AÜG mit negativen arbeitsrechtlichen und/oder sozialversicherungspflichtigen Folgen ausgeschlossen.
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