KEIN BEIHILFECHARAKTER DER STEUERBEGÜNSTIGUNG NACH § 6A GRESTG
Endlich hat der EuGH mit Urteil vom 19. Dezember 2018 zur grunderwerbsteuerlichen „Konzernklausel“ Klarheit geschaffen: bei der Steuervergünstigung nach § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) handelt es sich um keine unzulässige Beilhilfe i.S.v. Art. 107 AEUV, da mit dieser Steuervergünstigung kein selektiver Vorteil verbunden ist.
I. Ausgangslage
Bestimmte Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern mit grundbesitzenden Gesellschaften sind durch die Steuervergünstigungsvorschrift des § 6a Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Voraussetzung für diese Befreiung ist, dass ausschließlich Gesellschaften innerhalb eines Konzerns an einer Umstrukturierung beteiligt sind, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Jahren vor und nach der Maßnahme durch eine mindestens 95%ige Beteiligung miteinander verbunden sind (§ 6a Satz 4 GrEStG).
Seit Einführung von § 6a GrEStG im Jahr 2010 wurden im steuerlichen Schrifttum viele Auslegungsfragen aufgeworfen und Begrenzungen der (zu) weit gefassten Voraussetzungen vorgeschlagen. Selbst der BFH äußerte sich im Vorlagebeschluss vom 30. Mai 2017 kritisch gegenüber einer strikt wortlautgetreuen Einhaltung der Vor- und Nachhaltefrist der 95%-Beteiligung von jeweils fünf Jahren als unabdingbare Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Dies entspricht der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass die Steuervergünstigung für solche Umwandlungsmaßnahmen zu gewähren sei, bei denen die Haltefrist gerade wegen der Maßnahme nicht eingehalten werden kann (beispielsweise aufgrund des Erlöschens des übertragenden abhängigen Rechtsträgers durch Verschmelzung zur Aufnahme).
In der (Beratungs-) Praxis wurde § 6a GrEStG zuletzt noch aus einem anderen Grund zurückhaltend bewertet: Es war unklar, ob es sich bei der Konzernklausel um eine unzulässige Beihilfe nach Art. 107 AEUV handelt mit dem Risiko, dass die EU-Kommission die deutsche Finanzverwaltung in einem Rückforderungsbeschluss i.S.v. Art. 16 Abs. 1 VO (EU) 2015/1589 zur nachträglichen Festsetzung von bislang nicht festgesetzter Grunderwerbsteuer hätte auffordern können. Es wäre damit sogar die Möglichkeit von Korrekturen zu bereits erfolgten Grunderwerbsteuerfestsetzungen (oder -nichtfestsetzungen) durch die Finanzverwaltung für einen Zeitraum von zehn Jahren (Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2015/1589) eröffnet. Hierbei hätten sich die Steuerpflichtigen – selbst bei Vorliegen einer verbindlichen Auskunft – nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Auch hätte die EU-Kommission die Möglichkeit gehabt, einen angemessen Zinssatz festzulegen (Art. 16 Abs. 2 VO (EU) 2015/1589).
II. EuGH- Entscheidung
Die Klägerin im Ausgangsverfahren (A-Brauerei AG) hielt seit über fünf Jahren 100 % der Geschäftsanteile an ihrer Tochtergesellschaft (T-GmbH), die ihrerseits Eigentümerin mehrerer Grundstücke war. Im Rahmen einer Verschmelzung durch Aufnahme übertrug die T-GmbH ihr Vermögen als Ganzes auf ihre Muttergesellschaft, die A-Brauerei AG. Allerdings erkannte das Finanzamt die geltend gemachte Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG für den steuerbaren Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) nicht an. Der BFH nahm zu diesen Auslegungsfragen der Vorschrift zunächst nicht Stellung. Vielmehr legte er seine Bedenken, ob § 6a GrEStG materiell mit dem EU-Beihilfenrecht konform ist, dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vor.
Der EuGH hat sich aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich bei der Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG um eine unzulässige Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt. Die entscheidende Frage im Rahmen der Prüfung war, ob es sich bei § 6a GrEStG zu Gunsten der Steuerpflichtigen um eine „selektive Maßnahme“ handelt oder ob es sich um eine unschädliche „allgemeine Maßnahme“ handelt.
§ 6a GrEStG macht die Steuervergünstigung davon abhängig, ob sich ausschließlich Gesellschaften eines Konzerns an dem Umwandlungsvorgang beteiligen, die während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren vor und fünf Jahren nach diesem Rechtsvorgang durch eine (un-/mittelbare) Beteiligung von mindestens 95 % ununterbrochen miteinander verbunden sind. Hierin sieht der EuGH eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen innerhalb und außerhalb eines Konzerns, die sich durch die Übertragung des Grundstücks mittels Umwandlung in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Obwohl diese Ungleichbehandlung sich also zunächst als selektive Maßnahme einordnen lässt, erkennt der EuGH die Intention des nationalen Gesetzgebers, einer übermäßigen Besteuerung entgegenzuwirken, als Rechtfertigung an.
Denn die Übertragung des Grundstücks werde bereits in dem Zeitpunkt besteuert, zu dem das beherrschende Unternehmen mindestens 95 % der Anteile an der abhängigen Gesellschaft, die Eigentümerin des Grundstücks ist, erwirbt. Würde durch eine konzerninterne Umwandlung erneut Grunderwerbsteuer anfallen, käme es zu einer Doppelbesteuerung derselben Grundstücksübertragung. Eine Doppelbesteuerung sei hingegen für Fälle einer Beteiligung von weniger als 95 % ausgeschlossen, da ein solcher Erwerb keinen grunderwerbsteuerbaren Vorgang darstelle. Aus diesem Grund sei eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Die Mindesthaltedauer sei ebenfalls gerechtfertigt, um Missbräuche zu verhindern. Somit handele es sich bei § 6a GrEStG um keine Beihilfe.
III. Bedeutung und Folgen für die Praxis
Das Urteil des EuGH verspricht Rechtssicherheit für künftige Transaktionen und schafft Klarheit, dass bei bereits abgewickelten Transaktionen im Konzern die Grunderwerbsteuerfreiheit jedenfalls nicht aufgrund europarechtlicher Verstöße nachträglich aberkannt wird.
Nach Maßgabe der Entscheidung des EuGH und des Vorlagebeschlusses des BFH ist davon auszugehen, dass der BFH eine Entscheidung im Ausgangsverfahren zugunsten der A-Brauerei AG treffen wird. Insbesondere ist nach Maßgabe des Vorlagebeschluss wahrscheinlich, dass der BFH die noch offene Auslegungsfrage, ob die Verschmelzung der grundbesitzenden Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft, trotz Wegfalls der Beteiligung an der Tochtergesellschaft nach § 6a GrEStG begünstigt ist, zugunsten der A-Brauerei AG entscheiden wird. Nach Ansicht des BFH sind nämlich die in § 6a GrEStG vorgesehenen Fristen so auszulegen, dass diese nur insoweit maßgebend sind, als sie aufgrund der Umwandlung auch eingehalten werden können, so dass beispielsweise bei einer Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen nur die Frist „vor“ der Verschmelzung eingehalten werden kann, da nach der Verschmelzung die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft nicht mehr besteht.
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung ist hingegen auch bei Verschmelzungen die Vor- und Nachbehaltensfrist jeweils zu beachten. Daher vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass bei Umwandlungsvorgängen, durch die der Verbund begründet oder beendet werde, die Voraussetzungen des § 6a GrEStG nicht erfüllt sind.
Die Finanzverwaltung hat derzeit noch nicht auf den Vorlagebeschluss des BFH, der von der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung abweicht, reagiert. Dem Vernehmen nach wird die Finanzverwaltung so lange an ihrer Auffassung festhalten, wie der BFH in der Sache nicht endgültig (also im Rahmen des Ausgangsverfahrens) entschieden hat. Solange die Finanzverwaltung der Ansicht des BFH hinsichtlich der Anforderungen an die Nachbehaltensfrist nicht (in Form eines geänderten gleichlautenden Ländererlasses) zustimmt, besteht somit weiterhin Rechtsunsicherheit.
Ceterum censeo sei dem deutschen Gesetzgeber angeraten etwaige zukünftige Reformüberlegungen zu § 6a GrEStG auch im Lichte der EuGH-Entscheidung, d.h. unter Beachtung der Beihilfevorgaben umzusetzen.
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